Hätten Geldtransporter das Kapital wegschaffen müssen, das Ende November an der Berner Helvetiastrasse 15 abgezogen wurde, wäre es im Kirchenfeld zu einem ordentlichen Stau gekommen. Beteiligungen im Wert von fast elf Milliarden Franken hat der US-Handelskonzern Ebay an eine Firma übertragen, die einer Gesellschaft in den Niederlanden gehört. Das zeigen Recherchen der «Handelszeitung». Die bisher in Bern domizilierte Ebay Holding GmbH gibt es nicht mehr.
Seit vielen Jahre fliessen in Bern die Gewinne zusammen, die Ebay mit Handelsplattformen auf der halben Welt erwirtschaftet. Wie viele andere US-Konzerne nutzte Ebay die Schweiz für seine internationale Holding. Von hier aus flossen die Gewinne dann – sofern sie überhaupt ausgeschüttet wurden – direkt an die Mutter im amerikanischen San Jose. Neu geschieht das über Holland.
Dabei geht es um viel Geld, wie die beim Handelsregister deponierte Bilanz zeigt. Per Ende Oktober verbuchte die Ebay Holding einen Reingewinn von 1,2 Milliarden Franken. Im Vorjahr waren es sogar 3 Milliarden. Mehr als 10 Milliarden Franken Eigenkapital lagen in der Berner Gesellschaft.
Ebay macht keine Angaben zur Umstrukturierung. Der Grund dafür dürfte jedoch in Steuern liegen, die von der Schweiz eingezogen werden. Wenn immer Firmen Dividenden an Mutterhäuser in den USA auszahlen, zieht der Schweizer Fiskus eine Verrechnungssteuer von fünf Prozent ein. Die USA machen das Gleiche bei Zahlungen in die Gegenrichtung.
Die Steuern waren lange kein Problem. Denn was die Schweiz einzog, konnten Firmen wie Ebay auf Konzernebene anrechnen lassen. Doch dann kam Donald Trump mit seiner Steuerreform. Nicht nur senkte er die Unternehmenssteuern radikal, er schaffte auch einzelne Steuern ganz ab. Neu finde keine Anrechnung der Schweizer Verrechnungssteuern mehr statt, sagt Daniel Gentsch vom Beratungsunternehmen EY. Grund dafür sei, dass Dividenden aus der Schweiz in den USA in der Regel gar nicht mehr steuerpflichtig seien. Die Verrechnungssteuer von 5 Prozent schlägt sich nun effektiv zu Buche. Und wie das Beispiel Ebay zeigt, geht es dabei schnell um Millionenbeträge.
Viele US-Firmen restrukturieren
Die davon betroffenen Firmen ergreifen die Flucht. «Es gibt noch viele US-Gesellschaften, die bisher eine direkte Beteiligung in der Schweiz hatten», sagt Gentsch. «Es finden daher zahlreiche Restrukturierungen statt, bei denen es um Steuersubstrat in Milliardenhöhe geht.»Um wie viel Geld es geht, zeigen Zahlen der Steuerverwaltung (ESTV). Die Einnahmen aus der Verrechnungssteuer sind in den vergangenen Jahren stark angestiegen. Das hat verschiedene Gründe.
Ein guter Teil der Einnahmen stammt jedoch von amerikanischen Konzernen. Für 2017 lägen noch keine Zahlen vor, sagt ESTV-Sprecher Joel Weibel. In den zehn Jahren zuvor spülten die US-Dividenden dem Bund jedoch insgesamt 4,2 Milliarden Franken in die Kasse – mehr als 400 Millionen Franken pro Jahr. Diese Steuern wollen die Konzerne vermeiden, und das ist gar nicht so schwer.
Länder wie die Niederlande stehen bereit. Sie kennen keine Verrechnungssteuern für Ausschüttungen in die USA. Gleichzeitig werden auch zwischen der Schweiz und den Niederlanden keine Steuern fällig, sofern es sich um Transfers laufender Gewinne innerhalb eines Konzerns handelt. Auch Luxemburg, Irland oder Grossbritannien bieten sich als Alternative an. Amerikanische Firmen wie Caterpillar, Starbucks oder Adobe halten ihre Beteiligungen bereits über solche Domizile. Google oder Pepsi hingegen tun es teilweise noch direkt.
«Die heutige Situation stellt für die Schweiz einen klaren Standortnachteil bei der Ansiedlung von amerikanischen Unternehmen dar», sagt Gentsch. «Wenn ich die Wahl habe zwischen den Niederlanden und der Schweiz und ich in den Niederlanden tiefere Kosten und weniger Steuerbelastung auf der Gewinnrückführung in die USA habe, brauche ich schon sehr gute Gründe für die Schweiz.»
Konzernfunktionen abziehen
Damit die Vorteile einer Struktur über die Niederlande greifen, müssen verschiedene Bedingungen erfüllt sein. Die dortige Firma müsse unter anderem über genug Substanz verfügen – etwa bezüglich des Kapitals oder einer minimalen personellen Präsenz, sagt Gentsch. Zudem müsse sie die Funktion einer Holding über mehrere Tochterfirmen haben. «Es genügt nicht, eine Zwischengesellschaft über eine Schweizer Holding zu stellen.» Wer steuern sparen will, muss nicht nur Kapital, sondern auch Konzernfunktionen aus der Schweiz abziehen.
Dass die Steuer für die Schweiz zu einem Problem geworden ist, weiss man auch in Bern. Das Staatssekretariat für Internationale Finanzfragen strebe eine Revision des bilateralen Steuerabkommens mit den USA an, sagt Sprecherin Anne Césard. Insbesondere solle die Quellensteuerbefreiung auf Dividenden ins Abkommen aufgenommen werden. «Doch das ist ein langer Weg», sagt Berater Gentsch. Das letzte mit den USA ausgehandelte Abkommen sei noch immer nicht ratifiziert.
«Die schnellste Lösung wäre, einseitig auf die Dividendenbesteuerung zu verzichten», sagt Gentsch. Damit wäre der Standortnachteil für US-Konzerne behoben. Es entstünde jedoch eine ungleiche Situation, weil die USA die mit der Schweiz vereinbarte Steuer auf ihrer Seite weiter anwendeten. Das führe nicht zuletzt zu einer taktisch unvorteilhaften Situation für die Schweiz, was künftige Verhandlungen mit den USA angehe.Und so werden wohl weitere US-Konzerne der Schweiz den Rücken kehren.