Die Linse ist Hobby und Beruf. Seit Mitte April führt der 28-jährige Marc Fielmann den gleichnamigen deutschen Brillenkonzern zusammen mit seinem 78-jährigen Vater. In seiner Freizeit aber zückt der Junior gerne die Nikon-Spiegelreflexkamera und hält drauf. Er fotografiert Häuser, Menschen, Tiere oder Landschaften. In Nicaragua, Japan oder auch am Vierwaldstättersee und im Basler Zoo.
Geboren ist Marc David Günther Fielmann – so der volle Name – in Hamburg. Nach dem Internat folgte ein Bachelor-Studium in London. Anschliessend durchlief er mehrere Stationen innerhalb des Fielmann-Konzerns. In über fünfzig Filialen verrichtete er Frontarbeit, verkaufte Sonnenbrillen an die Kundschaft in Berlin und München oder Linsen an die Klientel in Zürich und Lugano. Als Konzernchef widmet er seine Aufmerksamkeit nun vermehrt der Romandie. Ausgerechnet im Stammland von Daniel Moris Optiker-Gruppe Visilab, dem Erzfeind Nummer eins, will Fielmann expandieren. Vier Standorte werden derzeit genauer unter die Lupe genommen.
Der Konzern bestätigt das Vorhaben. «Die internationale Expansion bietet uns Wachstumspotenzial», sagt Konzernsprecherin Ulrike Abratis. «Wir prüfen derzeit die Standorte Vevey, Yverdon, Nyon und Morges.» Bereits fix sei die Eröffnung der Filiale im Herzen des Freiburger Städtchens Bulle. Das Richtfest findet im Juni statt. Es ist die 43. Niederlassung des Konzerns in der Schweiz und der vorläufige Höhepunkt des Zweikampfs mit dem Lokalmatador Visilab.
Lange Aufholjagd
Noch vor zehn Jahren führte Fielmann hierzulande knapp dreissig Läden, vornehmlich in der Deutschschweiz. Nur drei Geschäfte waren auf welschem Terrain. Die deutsche Kette verkaufte damals um die 350 000 Brillen pro Jahr. Der Umsatz belief sich auf rund 100 Millionen Franken.
Visilab war seinerzeit der unangefochtene Branchenprimus. In über vierzig Orten war Mori mit seiner Gruppe präsent. Mehr als siebzig Niederlassungen führte die Firma mit dem markanten Schriftzug auf hellblauem Grund. Auf 171 Millionen Franken summierte sich der Umsatz. Der Firma ging es so gut, dass Mori kurzerhand drei neue Aushängeschilder einspannte: die Skilegende Bernhard Russi, die Moderatorin Lolita Morena und das Model Xenia Tchoumitcheva.
Mittlerweile sind die Kräfteverhältnisse etwas ausgeglichener. Visilab machte im letzten Jahr mit schweizweit hundert Geschäften einen Umsatz von 251 Millionen Franken. Fielmann kam hierzulande auf umgerechnet 200 Millionen Franken. Die Deutschen sind Mori also auf den Fersen. Und in einer wichtigen Kennzahl haben sie ihn bereits abgehängt. 472 000 Brillen hat das Unternehmen 2017 in der Schweiz verkauft. Bei einem geschätzten Marktvolumen von rund 1 Million Brillen pro Jahr bedeutet das: Fast jede zweite in der Schweiz verkaufte Korrekturbrille geht über eine Fielmann-Theke. Vor zehn Jahren war es noch jede dritte.
Digitalgeschäft vernachlässigt
Und der Familienkonzern mit dem Jüngling an der Spitze will noch mehr. Der Absatz soll auf 550 000 Brillen pro Jahr steigen. Dafür gibt Fielmann über 8 Millionen Franken aus. Der Konzern rüstet die Läden auf, schraubt die Zahl der Quadratmeter in die Höhe. «Ausserdem investiert Fielmann in die Digitalisierung», sagt Abratis. Will heissen: Tablets am Anpasstisch und ein Kontaktlinsen-Versandservice.
Das Digitalgeschäft hat Fielmann bislang vernachlässigt. Einen eigentlichen Online-Store gibt es bis heute nicht. Mori fährt eine andere Strategie. «Omni-Channel» nennt er sein Konzept. Visilab will im Netz und stationär präsent sein. Der Webshop wurde 2016 eröffnet. Nach nur zwei Jahren stieg die Besucherzahl um 32 Prozent auf fast eine Million pro Jahr. Kunden können ihr Nasenfahrrad online aussuchen, vorab virtuell probieren, sich anschliessend im Geschäft beraten lassen und die Brille entweder im Geschäft kaufen oder später online bestellen.
Wie das Rennen zwischen den beiden Kontrahenten ausgehen wird, ist offen. Gewinnen wird wohl der mit der besseren Vision.