Die Schweizer Luxusgüter-Branche verliert eines ihrer schillerndsten – und umstrittensten – Aushängeschilder: Fawaz Gruosi, Gründer des Genfer Schmuckhauses De Grisogono. Wie das Unternehmen diese Woche mitgeteilt hat, hat Gruosi seinen Posten als Verwaltungsrat und Chefdesigner bereits per Ende Dezember geräumt.
Präsident Elmar Wiederin dankt Gruosi in der Mitteilung für dessen «unglaubliche Leidenschaft und Kreativität» und betont, dass Gruosis Ausscheiden «keine plötzliche Entscheidung» gewesen sei. Der Gründer habe sich bereits «vor einiger Zeit aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen», betont Wiederin.
Kein Angaben über die Gründe des Ausscheidens
Über die Gründe des Ausscheidens von Gruosi allerdings äussert sich Wiederin mit keiner Silbe. Zudem führt der Genfer Handelsregister-Auszug – im Widerspruch zur Firmenkommunikation – Gruosi weiterhin als als Verwaltungsrat (Stand 11. Januar).
Offen bleibt schliesslich, ob und an wen Gruosi seinen Anteil am Unternehmen – gemäss letzten Informationen hielt der über 70-jährige Italo-Libanese mit Wohnsitz in Prangins VD noch 15 Prozent an De Grisogono – verkauft hat oder ob er weiterhin an seinem «Baby» beteiligt bleibt.
Céline Assimon ist neue Chefin
Klar jedenfalls ist: Eine neue Chefin hat De Grisogono bereits ernannt. Es ist Céline Assimon (siehe Bild unten). Sie wechselt von Louis Vuitton nach Genf und verfügt über langjährige Erfahrung in der Luxusschmuck- und Uhrenbranche, wie ihr Linkedin-Profil zeigt. Unter anderen arbeitete die Französin für die Richemont-Marken Cartier und Piaget.
Präsident Wiederin lobt Assimon als «ideale Person», um De Grisogono «auf dem nächsten Schritt auf dem Weg zu einer globalen Luxusmarke zu führen». Sie selbst sagt zu Ihrer Ernennung, die bereits Mitte Dezember letzten Jahres kommuniziert wurde: «Es hat etwas Magisches an De Grisogono, es ist eine Marke, die ich seit vielen Jahren bewundere.»
Gruosi war weit über die Schmuckszene hinaus bekannt – als Playboy, als grosszügiger Gastgeber, als Veranstalter von rauschenden Festen, als Darling der High Society.
Legendäre Partys in Cannes
Nahezu legendär sind Gruosis Partys an Rande der Filmfestspiele von Cannes, wo er in einem Luxushotel jeweils auf Kosten von De Grisogono Hundertschaften von Schönen und Reichen unterhielt.
Models trafen auf Milliardäre, Schauspielerinnen auf Diktatoren. Gruosi liess sich nicht lumpen – der Champagner floss in Strömen, die Diamanten funkelten im Blitzlicht der Papparazzi, der Geldadel frönte ungeniert dem Luxus.
Doch nun ist Schluss mit der inszenierten Opulenz im «Eden Roc» in Cap d'Antibes. De Grisogono muss kleinere Brötchen backen. Dieses Jahr sollen die Festivitäten in Cannes auf «ein kleines, intimes VIP-Dinner» beschränkt werden, wie «Le Temps» berichtete.
Der Grund: Seit längerem kämpft De Grisogno mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Im Frühling musste das KMU knapp 30 Stellen streichen – rund ein Drittel der Belegschaft in der Schweiz. Zuvor hatte De Grisogono Überkapazitäten in der Produktion aufgebaut.
Enger Markt
Tatsächlich ist der Markt, auf dem sich De Grisogono bewegt, klein. Sehr klein. Zu den Kunden der Haute Joaillerie – millionenteurem Schmuck der Extraklasse – zählen weltweit wenige hundert Personen.
Und um deren tiefe Taschen konkurrieren diverse Unternehmen – unter anderem die Richemont-Marke Cartier, das Schweizer Schmuckhaus Chopard, die Swatch-Group-Marke Harry Winston, der britische Juwelier Graaf und das russische Diamantenhaus Leviev.
Im Fall von De Grisogono kommt erschwerend hinzu: Selbst bei den Superreichen ist ostentativer Luxus wie ihn Gruosi als Designer pflegte, weniger gefragt als noch in den Nullerjahren. Heute mögen es auch Oligarchen-Gattinnen etwas dezenter. Und selbst die Öl-Millardäre aus dem Nahen Osten sind zurückhaltender geworden. Man zeigt weniger gern, was man hat. Gruosis «Bling Bling»-Stil wirkt wie aus der Zeit gefallen.
Handelssanktionen und die hohe Politik drücken auf den Umsatz
Zudem war De Grisogono bislang fast nur im Nahen Osten, insbesondere in Saudi Arabien, und in Russland stark. Beides Märkte, die aufgrund dem umstrittenen Gebaren ihrer politischen Regenten entweder mit Sanktionen belegt wurden oder sich ins politische Abseits gestellt haben. Das drückt auch bei Menschen, die nie aufs Geld schauen müssen, auf Stimmung und Kauflust. Wer investiert schon 30 Millionen Dollar in ein Collier, wenn er nicht weiss, ob er morgen im Gefängnis landet und enteignet wird?
Schliesslich war De Grisogono im Luxus-Boommarkt der letzten Jahre – in China – regelrecht ein Non-Valeur.
All das hat De Grisogono erkannt – und versucht nun, die Weichen neu zu stellen.
Kapitalspritzen von der Ex, dann von der reichsten Frau Afrikas
Allerdings kämpft der 1993 gegründete Genfer Edeljuwelier seit bald zwei Jahrzehnten immer wieder mit ökonomischen Problemen und Kapitalmangel.
2001 eilte De-Grisogono-Konkurrentin Chopard – die dortige Design-Chefin Caroline Scheufele war einst Gruosis Gattin – mit einer Kapitalspritze zu Hilfe. 2008 war die nächste Frischgeldzufuhr notwendig. Dafür musste Gruosi einen Teil der De-Grisogono-Aktien abgeben.
2012 dann musste Gruosi die Mehrheit abgeben. Die Mehrheit übernahmen Investoren rund um die reichste Frau Afrikas, Isabel dos Santos. Sie soll milliardenschwer sein.
Von der Mine bis ans Decolletée
Dos Santos, die Tochter des langjährigen Präsidenten und Diktators des diamantenreichen Landes Angola, träumte davon, dank De Grisogno die ganze Wertschöpfungskette der Edelsteine zu kontrollieren – von der Mine bis ans Decolletée, vom Abbau bis zur Vermarktung.
Als Isabel Dos Santos – in Afrika nur «die Prinzessin» genannt – über eine maltesische Gesellschaft namens Victoria Holding zusammen mit anderen Investoren für rund 100 Millionen Dollar 75 Prozent an De Grisogono übernahm, stand sie an der Spitze der staatlichen Diamentengesellschaft Sodiam. Auch Sodiam selbst investierte in De Grisogono, soll aber Ende 2017 ausgestiegen sein.
Zu damaligen Investoren gehörte auch Dos Santos Gatte, Sindika Dokolo, ein kongolesisch-dänischer Geschäftsmann. Als De Grisogono vor einem knappen Jahr den Stellenabbau angekündigt hatte, hiess es, Dokolo halte dem Unternehmen die Treue und bleibe investiert. Über seine in Dubai ansässige Firma Nemesis spielt Dokolo eine wichtige Rolle in der Beschaffung von Diamanten für De Grisogono.
Neue Kollektion wird ab Sonntag in Genf präsentiert
Fragen zur aktuellen Besitzstruktur des Unternehmen dürften allerdings weder Präsident Wiederin noch Chefin Assimon derzeit gross beschäftigen. Denn parallel zum Uhrensalon SIHH zeigt De Grisogono ab Sonntag in Genf die neue Kollektion. Wird sie gut aufgenommen, verschafft das Gruosis «Baby» dringend benötigte Luft. Und legt womöglich den Grundstein für eine funkelnde Zukunft.