Neben den Deutschen sind die Schweizer Vizeweltmeister bei der Nutzung von Steuersparmodellen. Die Mär, durch eine möglichst hohe Hypothekarverschuldung Steuern zu sparen, ist auch heute noch fest in den Köpfen vieler Eigenheimbesitzer verankert. Überglücklich fühlen sich jene Optimierer, die ihre Steuerrechnungen durch höhere Schuldzinsenabzüge gegenüber dem Vorjahr senken konnten. Doch die Rechnung mit der beschränkten Sicht auf die Steuerausgaben geht nicht immer auf. Leider folgt diese Erkenntnis – falls überhaupt – oft erst Jahre danach.



Personen im Alter zwischen 50 und 65 Jahren verfügen oft infolge von Zuflüssen aus fälligen Kapitalversicherungen, Beteiligungsverkäufen oder Erbschaften über hohe Liquidität und stehen vor der Frage, ob sie die überschüssigen flüssigen Mittel für Investitionen in Bank- oder Versicherungsprodukte oder für die Amortisation ihrer Hypotheken verwenden sollen. Provisionsabhängige Berater tendieren manchmal aus eigennützigen Gründen zu einer allzu einseitigen Auslegung der Steuervorteile einer höheren Verschuldung, ohne detailliert auf die Vermögensverhältnisse und die Risikotoleranz des Eigenheimbesitzers einzugehen. Daraus folgt in der Regel die Anlage des Kapitals in irgendwelche Bank- oder Versicherungsprodukte, wobei die Kostenstruktur stark zum Wohle des Finanzdienstleistungsanbieters anstelle seines Kunden ausfällt.

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Wenn Schulden «rentieren»



Folgender Grundsatz ist von zentraler Bedeutung: Schulden «rentieren» nur, solange die Anlagerenditen höher sind als die Kreditkosten. Die Kreditkosten sind von der individuellen Steuerprogression des jeweiligen Kreditnehmers abhängig. Die Progression manifestiert sich im Grenzsteuersatz, dessen Höhe vom steuerbaren Einkommen sowie vom jeweiligen Wohnsitz beeinflusst wird. Ein Grenzsteuersatz von 35% sagt aus, dass für einen Franken, der z.B. als Schuldzins vom steuerbaren Einkommen abgezogen werden kann, sich die Einkommenssteuer um 0.35 Fr. reduziert. Bei einem Grenzsteuersatz von 35% reduzieren sich somit die Kreditkosten durch den Steuerspareffekt ebenfalls um 35%

Die Kreditkosten sind aber auch von der Finanzierungsart abhängig, z.B. ob eine Hypothek mit einem variablen oder fixen Zinssatz vereinbart wird. Andererseits sind die Anlagemöglichkeiten für das flüssige Vermögen mannigfaltig. Sie reichen von Sparkonti über Obligationendepots bis zu wachstumsorientierten Anlagekonzepten, über Versicherungsprodukte und alternative Anlagen bis zu freiwilligen Einkäufen in die Pensionskasse.

Bevor man sich den Kopf zerbricht, in welches Finanz- oder Versicherungsprodukt das Kapital investiert werden soll, hilft die Erstellung einer Vermögens- und Liquiditätsanalyse. Sie bildet die Grundlage für die Entscheidung, ob eine (Teil-)Amortisation der bestehenden Hypothek sinnvoll ist oder nicht. Bestätigt die Vermögensanalyse, dass die langfristigen Liquiditätsbedürfnisse sichergestellt sind, ist der Weg frei für ausgewählte Investitionen in geeignete Anlagekonzepte.

Eine Grundlage, um einen Investitionsentscheid zu treffen, ist die Risikotoleranz des Investors. Hierbei lassen sich drei Anlegertypen unterscheiden. Erstens der konservative Anleger, der nur geringe Risiken eingehen möchte. Bei ihm beschränken sich die Anlagemöglichkeiten auf Sparkonti, Obligationen und Kapitalschutzprodukte sowie auf klassische Einmaleinlage-Lebensversicherungen. Bei diesem Anlegertyp ist eine Amortisation der bestehenden Hypothek sinnvoll, da die potenziell erreichbare Rendite nach Steuern die Kreditkosten nur mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit zu decken vermag. Die klassische Einmaleinlageversicherung bildet trotz Steuerbefreiung der aufgelaufenen Erträge keine Ausnahme, weil die insgesamt hohen Abschlussprovisionen, Verwaltungskosten und Risikoprämien sowie das herrschende tiefe Zinsniveau die Rendite markant mindern.

Für einen Anleger mit mittlerer Risikotoleranz stehen bereits Anlagekonzepte zur Verfügung, die mit einer durchschnittlichen Renditeerwartung nach Steuern von 3,5 bis 5% p.a. die Kreditkosten mittelfristig übertreffen können, wodurch ein positiver Renditebeitrag bei Aufrechterhaltung der Hypothek generiert wird.

Schliesslich besteht bei einem Investor mit hoher Risikoverträglichkeit die Möglichkeit, eine langfristig ausgerichtete Wachstumsstrategie mit Aktien, Immobilien, Rohstoffen, Emerging Markets und alternativen Anlageinstrumenten zu verfolgen. Die erwartete Durchschnittsrendite liegt bei etwa 6 bis 8% p.a., wobei aber erhöhte Wertschwankungen bewusst in Kauf genommen werden müssen. Eine wesentliche Voraussetzung für die Anleger mit mittlerer oder hoher Risikobereitschaft ist die nötige Gelassenheit, um Turbulenzen an den Finanzmärkten durchzustehen.



Zinsabsicherungs-Modelle



Da Wertschriftenanlagen und Hypothekarzinsen Marktschwankungen unterliegen, bietet es sich an, durch den Abschluss von Festhypotheken oder anderer Zinsabsicherungs-Modelle das Risiko steigender Kreditzinsen einzuschränken. Optionale Amortisationsmöglichkeiten können zusätzlich vereinbart werden, damit die Flexibilität möglichst hoch gehalten werden kann.

Jeder Eigenheimbesitzer, der eine bestehende Vorsorgelücke in der Pensionskasse aufweist, sollte die Alternative prüfen, diese durch freiwillige Einkäufe zu füllen. Die steuerlichen Vorteile sprechen sehr dafür, diese Variante vor allen anderen zu favorisieren: Währenddem die Einkäufe vom steuerbaren Einkommen abzugsberechtigt sind, kommt bei Kapitalbezügen der separat vom übrigen Einkommen berechnete reduzierte Einkommenssteuersatz zur Anwendung. Je nach Kanton und Progressionsstufe ist eine Nettosteuerersparnis von bis zu 35% des eingekauften Betrags realisierbar. Ausserdem ist das in der Pensionskasse eingebrachte Kapital von der Einkommens- und Vermögenssteuer befreit. Daraus ergeben sich weitere Steuervorteile, die durchschnittlich einer Zusatzrendite von etwa 1% p.a. entsprechen. Die effektive Gesamtrendite, die durch Einkäufe realisiert werden kann, liegt mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit einige Prozente über den Hypothekarzinsen, weshalb Einkäufe in solide Pensionskassen die sichersten Renditelieferanten sind.

Soll man die Hypothek amortisieren oder besser in Finanzprodukte investieren? Entscheidend ist die zukünftige Einkommens-, Ausgaben- und Vermögensentwicklung sowie die Risikotoleranz, die der Anleger aufweist.

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Andreas Helg, Mitglied der Direktion, Wegelin & Co. Privatbankiers, St.Gallen.