Kunst in einem Unternehmen hat verschiedene Funktionen. In den meisten Fällen dient sie der Repräsentation, ist sozusagen die Visitenkarte einer Firma, einer Geschäftsleitung, häufig jedoch reine Dekoration, inhaltsarm. Kunst kann aber auch, und dies leider viel zu selten, eine wichtige Quelle der Inspiration sein - ein Ort, wo Geld und Geist fruchtbar aufeinander stossen, sich gegenseitig anspornen, dauernd in Bewegung bleiben und so immer wieder neue Ideen generieren.

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Frank Gulich, CEO und Delegierter des Verwaltungsrats der Anova Holding AG von Stephan Schmidheiny, hat das Glück und das Privileg, an einem solchen Ort zu arbeiten. Die Bilder, die in seinem Büro hängen, haben nichts Museales, nichts Unnahbares an sich, obwohl sie zu einer der bedeutendsten Sammlungen amerikanischer Kunst aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gehören: Zur Daros Collection. Die Ölgemälde sind ebenso Bestandteil des Büros wie das Mobiliar und «Das Bild der Menschenrechte», das im Bücherregal obenauf liegt.

Seit Mitte Mai ist Gulich Verwaltungsratspräsident der Daros AG, die zur Anova gehört. Und diese Aufgabe macht ihm sichtlich Spass: Die Verbindung von Geld und Geist, eines der grossen Leitmotive von Stephan Schmidheiny, nun so direkt, so konkret weiterpflegen und umsetzen zu dürfen.

Er hat keine Berührungsängste vor der Dialektik. Ideal erscheint Gulich folgende Kombination: Geld mit Geist und Geist mit Geld. Mit Intellektuellen, die lediglich den Geist huldigten, könne er ebenso wenig anfangen wie mit reinen Materialisten, in deren Mittelpunkt einzig das Geld stehe.

Freude an schönen Bildern

An der einen Wand hängt Willem de Koonings «Untitled XII». Gulich erläutert mit einigen Handbewegungen das Bild. Die eine Figur erinnere ihn an einen Vogel, an eine weisse Taube, eine andere an einen Elch, und die rot-weiss-blauen Streifen sähen aus wie die US-Flagge. Knappe Erläuterungen, keine kunsthistorische Belehrung.

«Ich bin kein Fachmann», betont er. Er sei ein Generalist, deshalb habe er Jurisprudenz studiert und sei nicht Anwalt geworden. Die Bilder gefielen ihm einfach, hätten ihn bereits seinerzeit in Miami begleitet, wo er Ende 90er Jahre für Schmidheinys Stiftung Avina tätig war, die sich im sozialen Bereich in Lateinamerika stark macht.

Über die Grosseltern und die Eltern ist Gulich zur Kunst gekommen. Der Grossvater, ein Bankangestellter, malte in seiner Freizeit. Er nahm seinen Enkel samt Staffel mit auf die Alp und bannte Landschaften auf Leinwand und Papier. Mit dem Vater ging es etwas Akademischer zu und her. In den Ferien, auf Reisen wurden Schlösser, Kirchen und Museen besucht, was dem Knaben anfänglich nicht nur Spass bereitete.

Die Mutter schliesslich ermöglichte eine folgenreiche Begegnung: Sie organisierte einen Besuch im Atelier von Mario Comensoli. Seine «Eierköpfe» sprachen Gulich an, er kaufte sich am Ende seiner Mittelschulzeit zwei, drei Gemälde. Fortan sollte Kunst neben Sport ein ständiger Begleiter Gulichs werden. «Ich befasse mich mit ihr, weil sie mir Freude bereitet.»

Der Enthusiasmus ist geblieben, wenn Gulich über Kunst spricht. Über dem Sitzungstisch hängt ein langes schmales Gemälde von David Reed. Die rote Farbe und die wellenartigen Bewegungen sprächen ihn mehr an als das düstere «Number 11» von Jackson Pollock, das ebenfalls zur Daros Collection gehört. Geradezu sphärisch wirkt das grandiose, weisse Wolkenbild von Georgia O'Keeffe am Ende des Sitzungstisches, das letztes Jahr an der Retrospektive im Zürcher Kunsthaus zu sehen war.

Am Anfang der Daros Collection stehen Alexander Schmidheiny und sein Schulfreund, der Galerist Thomas Ammann. Die beiden knüpften Freundschaften mit den grossen Protagonisten der New Yorker Kunstszene in den 70er und 80er Jahren und sammelten mit viel Gespür und Leidenschaft wahre «Perlen».

Als die beiden zu Beginn der 90er Jahre kurz hintereinander in den frühen Vierzigern verstarben, hinterliessen sie eine Sammlung mit Werken des amerikanischen Abstrakten Expressionismus, der Pop Art, der Minimal Art und von wichtigen Wegbereitern der aktuellen Gegenwartskunst wie Louise Bourgeois, Joseph Beuys und Bruce Naumann. Das Verzeichnis liest sich wie ein Who-is-Who der weltweit wichtigsten Künslterinnen und Künstler der letzten 50 Jahre.

Nach dem Tod Alexanders trat Stephan Schmidheiny das Erbe des Bruders an. Aus diesem Anteil wurde die Zürcher Daros Collection. Heute handelt es sich um eine AG und nicht um eine Stiftung. Gulich unterstreicht diesen Punkt. Die Sammlung soll dynamisch bleiben.

Um zu verdeutlichen, was sich hinter diesem Konzept verbirgt, führt Gulich ins grosse Sitzungszimmer und zeigt auf ein Bild von Jonathan Lasker, das einen prominenten Platz hat. Verschiedene schwarze Balken begrenzen eine rechteckige Fläche. Zwischen diesen Balken gibt es Lücken, durch die wolkenartige Kreise mit der Aussenwelt atmen können. Die Sammlung soll sich von innen her erneuern, so wie dies Stephan Schmidheiny in seinen einzelnen Firmenteilen förderte.

Für die Kunstsammlung heisst dies, dass Kurator Hans-Michael Herzog sich gegenwärtig Gedanken darüber macht, wo Daros in den nächsten fünf bis zehn Jahren stehen soll, in welche Richtung sie sich weiter entwickeln soll. Gulich spricht von einer kreativen Denkpause, aus der die Sammlung einen neuen Geist schöpft. Das heisst, dass dannzumal Bilder ver- und neue hinzugekauft werden. Bei wichtigen, millionenschweren Werken werden er und der Verwaltungsrat mitentscheiden.

Es fällt auf, dass Gulich im Gespräch ein unternehmerisches Vokabular pflegt, das nie ins abgehobene Schöngeistige zu kippen droht. Es ist bewusst die Business-Sprache, wie er sagt. Damit wird deutlich, dass mit der Sammlung, über deren Wert Stillschweigen herrscht, auch Geld verdient werden soll.

Kunst auch eine Wertanlage

Die Daros Collection ist ein Bestandteil des breit diversifizierten Wertschriften-Portefeuilles von Stephan Schmidheiny. Das eigene Daros-Museum im Zürcher Löwenbräu-Areal, die rund 15 Mitarbeitenden, die Ausstellungen und die Publikationen müssen aus eigenen Mitteln finanziert werden. Gulich spricht von einem geschlossenen Kreislauf.

Er ist überzeugt, dass vieles, was heute subventioniert wird, eines Tages untergeht. Was dagegen auf unternehmerischen Beinen stehe, werde weiter blühen. Kein Wunder, hat Gulich mit einem Wort wie «Investment» in der Kunst oder den Geldwerten, die hinter den Bildern der Daros-Sammlung stehen, keine Mühe.

Seine neue Rolle als Verwaltungsratspräsident versteht er als eine aktive. Er will inhaltlich und operativ involviert sein, will mitgestalten. Deshalb pflegt er seinerseits regelmässigen Kontakt mit den wichtigen Auktionshäusern und Galerien in New York und anderswo in der Welt, um über Veränderungen in der Kunstwelt und neue Trends auf dem Laufenden zu bleiben. Gleichzeitig interessiert ihn der Kunstmarkt, und er möchte sich ein eigenes Bild über die künftige Ausrichtung der Daros Collection machen können.

Die Sammlung hat in den letzten Jahren einen weiteren Schwerpunkt erhalten. Stephan Schmidheiny und seine Frau sammeln passioniert lateinamerikanische Kunst. «Wir bewegen, wir verändern uns ständig», sinniert Gulich. «Und wir wollen kein Denkmal für die Ewigkeit bauen», sagt er und betrachtet gedankenverloren O'Keeffes «Sky above clouds».



Steckbrief: Schöngeistiger Jurist

Name: Frank Gulich

Funktion: CEO/VR-Delegierter Anova Holding AG, VR-Präsident Daros AG, VR GrupoNueva

Alter: 42

Familie: Verheiratet, zwei Söhne



Karriere

1993-2000 Verschiedene Funktionen Stephan-Schmidheiny-Gruppe

2000-2002 CEO bei der Müller-Möhl-Gruppe

Seit 2003 CEO und VR-Delegierter in der Anova Holding AG von Stephan Schmidheiny



Firma: Daros AG

Hinter dem Namen verbirgt sich eine der weltweit bedeutendsten Sammlungen von US-amerilkanischer Kunst aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Daros AG ist Teil der Anova Holding AG von Stephan Schmidheiny und umfasst Schlüsselwerke und Werkgruppen von Pollock, Twombly, Warhol, Basquiat, Marden, Reed, Beuys, Nauman, Polke, Richter, Bourgeois und Hesse sowie zeitgenössische lateinamerikanische Kunst. Im eigenen Museum im Zürcher Löwenbräu-Areal wird ab 4. Juni «Le Parc Lumière» des Argentiniers Julio Le Parc gezeigt. (www.daros.ch)