Weltmeister ist die Schweiz höchstens noch im Konsum von Schokolade. Geht es um den Export, haben andere Länder längst die Nase vorne. Der Rivale Belgien etwa exportiert jährlich bereits über 250’000 Tonnen Schokolade – doppelt so viel wie die Schweiz (siehe untere Grafik). Gemessen am Wert der ausgeführten Süssware landet die Eidgenossenschaft hinter Deutschland, Holland, Polen und Frankreich bloss auf dem zehnten Rang.

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Nun droht die Schoggi-Nation Schweiz weiter abzurutschen. Besonders 2019 wird für die Hersteller ein bitteres Jahr. «Die Luft wird langsam dünn», sagt Urs Furrer, Geschäftsführer des Verbands Chocosuisse.

In Form von zwei neuen Regelungen kommt gleich doppeltes Ungemach auf die Branche zu. Erstens läuft das sogenannte Schoggigesetz aus. Bisher erhielt die exportierende Nahrungsmittelhersteller Zuschüsse für Zutaten wie zollgeschütztes Milchpulver und Mehl – um gleich lange Spiesse wie ausländische Produzenten zu haben.

«20 Prozent der Gelder werden zweckentfremdet»

Auf Druck der World Trade Organisation (WTO) schafft der Bundesrat diese Subvention nun ab und ersetzt sie durch eine Nachfolgelösung. Das Geld fliesst künftig direkt zur Milchbranche. Diese schiesst das Geld in einen Fonds ein, der den exportierenden Schokoladenherstellern zugutekommt. «Ohne die Ersatzlösung zum Schoggigesetz wären wir und andere exportierende Nahrungsmittelhersteller zwischen Hammer und Amboss gekommen», sagt Furrer.

Das Problem: Unter dem Strich fliesst den Herstellern künftig weniger Geld in die Kasse. «20 Prozent der Gelder, die für den Ausgleich gedacht wären, werden nun zweckentfremdet», sagt Furrer. Die Branchenorganisation Milch hat nämlich beschlossen, nur 80 Prozent der Gelder in den Fonds für die Schokoladenproduzenten einzuzahlen. Der Rest kommt Verarbeiter von stark fetthaltiger Milch zugute, etwa den Butterproduzenten.

Und: Von den 80 Prozent, die den Schokoladenhersteller bleiben, können Milchverarbeiter zusätzlich fünf bis neun Prozent abziehen für die Entwicklung neuer Produkte. Denkbar wären etwa neue Joghurtsorten. 

Insgesamt rechnet Furrer für 2019 noch mit einem Zuschuss von 57 Millionen Franken – dieses Jahr waren es noch 79 Millionen Franken. In den 90er-Jahren beliefen sich diese sogenannten Zollrückerstattungen noch auf weit über 100’000 Franken.

Zuckerzoll kostet bis zu 50 Millionen Franken

Das jedoch ist nur das eine Problem. Die zweite Bürde wird der Schokoladenbranche in Form von höheren Zöllen für Zucker auferlegt – der Mindestgrenzschutz steigt von 20 auf 70 Franken pro Tonne. Der Bundesrat will damit für die nächsten drei Jahre die unter Druck geratene Zuckerindustrie schützen. Die Föderation der Schweizerischen Nahrungsmittel-Industrien (Fial) rechnet für diese Zeit mit Mehrkosten von 40 bis 50 Millionen Franken für die Nahrungsmittelindustrie.

Für die Schokoladenbranche wird es also teuer. Laut Zuckerproduzenten soll der Zuckerzoll pro Schokoladentafel zwar nur einen halben Rappen kosten. Da die Schweiz aber jährlich gegen 2 Milliarden Tafeln produziert, sind das Zusatzkosten von jährlich 10 Millionen Franken.

Rechnet man Neuregelung des Schoggigesetzes und Zuckerzoll zusammen, muss die Schokoladenbranche fortan jährlich mit 30 Millionen Franken weniger auskommen. «Die Verteuerung der Schokoladenproduktion bringt unter anderem auch die Schweizer Standorte der international aufgestellten Schokoladenproduzenten unter Druck», sagt Furrer. Dass nämlich eine Schokoladenfabrik zwingend in der Schweiz bleiben müsse, sei nicht mehr sakrosankt. Das zeigte sich etwa 2017, als die Schokoladenfabrik Pfister ihre Produktion vom Zürcher Oberland nach Strassbourg verlegte.

Wird die Schokolade teurer?

Für Lindt & Sprüngli habe der Standort Schweiz eine grosse Bedeutung, heisst es auf Anfrage. Von der Fabrik in Kilchberg ZH gehen 90 Prozent der Produkte ins Ausland. Die dafür erhaltenen Beiträge seien wichtig, um international konkurrenzfähig zu bleiben. Wird die Schokolade nun teurer? «Zu diesem Zeitpunkt können wir noch keine Angaben zu etwaigen Preisanpassungen in der Schweiz geben», sagt Sprecherin Sara Thallner.

Ähnlich klingt es bei Nestlé. «Die partielle Kompensation der hohen Schweizer Rohstoffpreise beim Export von verarbeiteten Produkten ist für unsere Fabriken von grosser Bedeutung», sagt Sprecherin Inge Gratzer. Die tieferen Einnahmen federe der Konzern ab mit «angepassten Strategien in der Rohstoffbeschaffung», Kosteneinsparungen und Innovationen. Preiserhöhungen sieht Nestlé als letzte Möglichkeit. «Preisentscheide variieren je nach Wettbewerbssituation, Rohstoffeinkauf und Produktzusammensetzung», sagt Gratzer. Ohnehin bestimme der Detailhandel den Endpreis, der auf die Konsumenten übertragen wird.

An employee packs a big Toblerone chocolate bar in the factory of Kraft foods  in Bern, Switzerland,  on Wednesday September 1st, 2010. (KEYSTONE/Dominic Favre)

97 Prozent der in der Schweiz hergestellten Toblerone werden exportiert.

Quelle: Keystone

Der Schweizer Exportschlager schlechthin ist die Toblerone, die zum US-Nahrungsmittelhersteller Mondelez gehört. Die dreieckigen Schokoladenriegel gehen von der Schweiz aus zu 97 Prozent in mehr als 120 ausländische Absatzmärkte. Mondelez-Sprecherin Livia Kolmitz kritisiert die «teilweise Zweckentfremdung der Mittel» und den «sehr kurzfristig eingeführten Zuckerzoll». Es brauche nun dringend Entlastungsmassnahmen.

Betroffen sind aber auch kleinere Hersteller. Maestrani etwa, welche die Marken Munz und Minor vertreibt, liefert ebenfalls Bio- und Fairtrade-Schokolade als Privat-Label ins Ausland. «Wir müssen nun schauen, dass wir günstiger produzieren können», sagt Maestrani-Chef Markus Vettiger. Weil es in der Schweiz keinen Fairtrade-Zucker gibt, bezieht ihn Maestrani aus dem Ausland, was aufgrund des Zolls teurer wird. Falls sich nicht doch noch eine Lösung finden lässt, wird Maestrani den Preis für dieses Exportprodukt wohl erhöhen müssen.

Verhandlungen zwischen Frey und Migros

Ob die Schokolade in den Läden nun teurer wird, ist unklar. Bei Chocolat Frey, die für Migros produziert, heisst es: «Es laufen aktuell Gespräche mit unseren Kunden». Ob die veränderten Rahmenbedingungen nun zu zusätzlichen Preisanpassungen am Markt führten, sei offen.

Coop teilt mit, dass derzeit keine Preiserhöhungen geplant seien. Welche Auswirkungen die Neuregelung des Schoggi-Gesetzes haben werde, lasse sich aktuell noch nicht abschätzen.