Haben Sie ein so deutliches Ergebnis erwartet?
Monika Rühl*:Wir haben ein knapperes Ergebnis erwartet. Es ist erfreulich, dass die Ablehnung der Durchsetzungsinitiative so klar ausgefallen ist.

Was bedeutet das Nein für die Schweizer Wirtschaft?
Eine Annahme hätte die Schweizer Wirtschaft belastet und die ohnehin schwierige Beziehung zur Europäischen Union verkompliziert. Darum haben wir als Economiesuisse auch früh ein Nein empfohlen. Das Ergebnis zeigt, dass den Schweizern Rechtsstaatlichkeit, Stabilität und eine gute internationale Zusammenarbeit am Herzen liegt. Es war erfreulich, dass die Diskussion im Abstimmungskampf so differenziert geführt wurde und diese so breite Teile der Bevölkerung mobilisiert hat.

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Wie erklären Sie sich die aussergewöhnlich hohe Wahlbeteiligung?
Ein Motiv wird sein, dass die Schweizer das Verhältnis zur EU nicht weiter belasten wollen. Ausserdem ist für sie das Ansehen der Schweiz als Rechtsstaat von Bedeutung.

Die Ausschaffungsinitiative hatte 2010 eine eindeutige Mehrheit gefunden, die Durchsetzungsinitiative ist nun klar durchgefallen. Zeigt das heutige Ergebnis einen Stimmungswandel in der Bevölkerung?
Das heutige Ergebnis zeigt, dass die Durchsetzungsinitiative unnötig war. Die Ausschaffungsinitiative wurde angenommen und ein Umsetzungsgesetz liegt vor. Die heutige Abstimmung hat dessen Inkraftsetzung verzögert, dabei war der parlamentarische Konsens bereits gefunden und auf den Weg gebracht worden.

Droht mit Inkrafttreten der Ausschaffungsinitiative nicht ebenfalls ein Reputationsschaden?
Nein, denn bei der vom Parlament beschlossenen Umsetzung der Ausschaffungsinitiative bleibt der Ermessensspielraum der Richter erhalten. Der Schwerpunkt liegt auf der Ausschaffung von schwer kriminellen Ausländern. Diese des Landes zu verweisen, darüber besteht gesellschaftlicher Konsens. Diese Diskussion wird auch in anderen Staaten geführt, beispielsweise in Deutschland. Anders als bei der Durchsetzungsinitiative kann eine Ausschaffung aber nicht wegen eines Bagatellvergehens erfolgen.

Die SVP hat mit dem Nein zu ihrer Initiative eine deutliche Abfuhr erhalten. Was bedeutet das für die Ausrichtung der Partei?
Die SVP bleibt die stärkste Partei in der Schweiz. Sie hat eine Initiative verloren, das passiert auch anderen Parteien. Es ist eine klare Botschaft an die SVP, dass die Schweizer Abstimmungen über rechtsstaatliche Grundlagen nicht goutieren und auch wachsam sind, wenn es um die Reputation des Landes geht. Es wäre gut, wenn die Schweizerische Volkspartei diese Botschaft wahrnimmt und in ihr künftiges Vorgehen einbezieht.

Kritiker fordern verstärkt von der SVP, sie solle ihre Oppositionsrhetorik überwinden. Muss die SVP nach dem Scheitern der Durchsetzungsinitiative ihre Verantwortung als Regierungspartei anders wahrnehmen?
Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun, denn die Initiative wurde lange vor den nationalen Wahlen lanciert. Aber die SVP ist jetzt in der Regierungsverantwortung und mit zwei Mitgliedern im Bundesrat vertreten, sie muss darum wie alle Parteien konstruktiv und konsensorientiert mit anderen Politikvertretern zusammenarbeiten. Sie muss lernen, Abstriche von ihren Maximalforderungen zu machen.

*Monika Rühl leitet als Direktorin den Wirtschaftsdachverbandes Economiesuisse. Sie wechselte Anfang 2014 dorthin und gab dafür ihren Posten als Stabschefin im Wirtschaftsministerin auf.