Experten warnen, unsere Bevölkerungspyramide stehe bald Kopf: Immer mehr ältere Menschen werden immer weniger Jungen gegenüber stehen. Die Auswirkungen auf Arbeitsmarkt und Unternehmen sind absehbar. Grossfirmen wie Migros, SBB, ABB und Swisscom haben denn auch bereits spezielle Programme gestartet, um langfristig auf die veränderte Situation zu reagieren.
Einerseits, um Fach- und Erfahrungswissen im Unternehmen zu sichern, andererseits, um die speziellen Bedürfnisse älterer Mitarbeitenden in der Personalpolitik zu berücksichtigen. Löbliche Absichten. Bloss: Wie gut vertragen sich Alt und Jung tatsächlich am Arbeitsplatz? Was braucht es, damit gewinnbringend zusammengearbeitet werden kann?
Altersgemischte Teams
Die menschliche Zusammenarbeit verläuft ganz selten ohne Probleme. Als mögliche Konfliktherde an Arbeitsplätzen, an denen mehrere Generationen am Werk sind, nennt die Fachliteratur Verständnis-, Kommunikations-, aber auch Autoritätsprobleme. Klar, dass «Gruftis» und «Grünschnäbel» nicht immer dieselbe Sprache sprechen und Gruppenbildung sowie gegenseitiges Misstrauen für das Betriebsklima kaum förderlich sind.
Informelle Gespräche über grosse Altersdifferenzen hinweg fallen nicht allen gleich leicht dennoch sind sie wichtig: Meist fliessen diejenigen Informationen, die für den Arbeitsprozess wichtig sind, gerade durch die informellen Kanäle.
Dass Konflikte aber vorwiegend aus Gründen des unterschiedlichen Alters entstehen, ist anzuzweifeln, erklärt die Solothurner Organisationsberaterin Catherine Müller. Sie begleitet in verschiedenen Unternehmen Mentoringprojekte in altersgemischten Teams. Meistens seien es Vorurteile und Stereotypen, die zu Konflikten führen: «Wer insgeheim das Bild des senilen, unflexiblen, kränklichen Mitarbeiters mit sich herumträgt und seinen älteren Kollegen auch damit begegnet, setzt eine dementsprechende Dynamik in Gang.» Anders gesagt: Wie es in den Wald hineinruft, so schallt es zurück.
Vorurteile durch Wissen ersetzen
Tatsächlich sehen sich viele ältere Mitarbeiter mit dem Pauschalverdacht konfrontiert, ihr Wissen sei veraltet, sie hätten Angst vor Veränderungen, lernten langsamer und verursachten höhere Personalkosten. Sehr anstrengende, eintönige oder einseitig belastende Arbeiten können zwar tatsächlich zu grösseren Leistungsdefiziten im Alter führen dass Senioren am Arbeitsplatz aber grundsätzlich weniger leistungsfähig sind als Jüngere, lässt sich durch Untersuchungen nicht belegen. Im Gegenteil weisen neuere Studien darauf hin, dass ältere Mitarbeiter den jüngeren Kollegen einige Kompetenzen voraus haben: Eine ausgeprägtere Urteilsfähigkeit, grössere Souveränität im Umgang mit komplexen Sachverhalten, geringere Belastung durch private Probleme, realistischere Selbsteinschätzung sowie ausgeprägter Sinn für das Machbare.
Bei den meisten beruflichen Tätigkeiten können mangelnde Geschwindigkeit durch die positive Arbeitseinstellung, das Qualitätsbewusstsein und die Zuverlässigkeit des älteren Arbeitnehmers wettgemacht werden. In Funktionen, die auf Wissen, Erfahrung und rationelle Umsetzung beruhen, erreichen die meisten Mitarbeitenden ihr Leistungsmaximum erst im fünften Lebensjahrzehnt.
Während Jüngere möglicherweise nur die Wachstumsphasen einer Branche kennengelernt haben, sind Ältere oft sturmerprobt und lassen sich weniger schnell aus der Ruhe bringen. Toleranz, gegenseitige Akzeptanz und die Bereitschaft, voneinander zu lernen zeichnen jedes erfolgreiche Team aus - ganz unabhängig vom Alter seiner Mitglieder. Bedeutender als die Anzahl Jahre, die jemand angesammelt hat, sind Charakter, Umgangsformen und Kooperationswille jedes Einzelnen.
Frage der Führungs- und der Personalpolitik
Dennoch: «Es braucht eine für solche Fragen sensibilisierte Führungspolitik und ein Klima, in dem man ganz generell Unterschiede nicht apriori als negativ, sondern grundsätzlich als Bereicherung wertet», betont Catherine Müller. Dazu seien bewusste Personalentscheide notwendig: «Die klare Entscheidung, Diversity in die Teams hinein bringen zu wollen, und den Mut, freie Stellen auch unter Berücksichtigung dieses Aspektes zu besetzen.»
Klare Entscheidungen sind auch in Sachen Weiterbildung gefordert: Lebenslanges Lernen ist nichts als ein nettes Schlagwort, wenn - wie hierzulande - die Weiterbildungsquote bei Mitarbeitern über 50 Jahren nicht einmal 25% beträgt.
Die Arbeitsmarktfähigkeit aller nicht nur zu fordern, sondern auch zu fördern, dürfte in den nächsten Jahren eine der Hauptherausforderungen sozial verantwortlicher Unternehmen werden. Klar ist jetzt schon: Wer ältere Mitarbeitende in Richtung «Elefantenfriedhof» im Betrieb abschiebt, läuft Gefahr, als Unternehmen dorthin zu folgen. Schliesslich altern ja auch die Kunden. Und wer versteht die dann noch?
So beugen Sie Problemen vor
Altersdurchmischte Teams gezielt fördern
- Bewusst allen (Alters-)Gruppen im Unternehmen die Chance geben, ihre jeweiligen Qualitäten einzubringen.
- Flexible Arbeitszeitmodelle kommen den verschiedenen Bedürfnissen der verschiedener Anspruchsgruppen entgegen.
- Diversity bereits bei der Selektion berücksichtigen.
- Durch Mentoring- oder Coachingprojekte dem Know-how-Verlust gezielt entgegenwirken.
- Informelle Kommunikation im Betrieb unterstützen.
- Employability aller Mitarbeitenden fördern und fordern - unter anderem auch durch altersgerechte Weiterbildungsangebote und Laufbahnplanung auch für Mitarbeitende über 50.
Literatur: Mario von Cranach (et al.): «Ältere Menschen im Unternehmen. Chancen, Risiken, Modelle.» Haupt-Verlag, Bern, 2004.