Auf den ersten Blick befindet sich die Schweizerische Rettungsflugwacht Rega in einer komfortablen Situation. Als gemeinnützige, private und nicht gewinnorientierte Stiftung ist sie von der Steuerpflicht befreit. Als Kehrseite der Medaille muss sich die Rega dafür an Auflagen halten, die aus rein betriebswirtschaftlicher Sicht als klare Nachteile zu werten sind.

Dazu gehören primär Finanzierung und Marketingkommunikation. Denn mit der Steuerbefreiung verfügt die Rega über einen Wettbewerbsvorteil; beispielsweise gegenüber Versicherungsgesellschaften, weil die Gönner versicherungsartige Vorteile erhalten. Um diesen «Vorsprung» auszugleichen, bestehen seitens der Steuerbehörden entsprechende Auflagen.

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Die Ausgangslage

So muss in der Kommunikation der Spendenfaktor deutlich hervorgehoben werden, Gönnervorteile und -bedingungen dürfen nicht aktiv kommuniziert werden, um eine Konkurrenz zu Versicherungen zu vermeiden. Die unternehmerische Ausrichtung konzentriert sich deshalb auf die Gönner und nicht etwa betriebswirtschaftlich auf mögliche Chancen im freien Markt.

Knapp 60% der Erträge stammen direkt von den rund 1,7 Mio Gönnerinnen und Gönnern sowie aus Erbschaften und Legaten. Im Jahr 2001 waren das über 64 Mio Fr. Ein weiteres Drittel wird direkt aus dem Flugbetrieb generiert, weitgehend Zahlungen von Versicherungsinstituten für Rettungseinsätze und Repatriierungen.

Bei einem Spendenanteil von 60% zum Gesamtumsatz kommt der Gönnerwerbung eine grosse Bedeutung zu. Und hier ziehen dunkle Wolken auf, denn mittelfristig dürfte das Potenzial in der Schweiz ausgeschöpft sein. Es scheint unwahrscheinlich, dass die über Jahrzehnte hinweg kontinuierlich hohen Zuwächse auch in den kommenden Jahren anhalten werden. Weil jährlich auch Abgänge zu verzeichnen sind etwa 30000 allein durch Todesfälle sind zusätzliche Aktionen zur Akquisition gefragt. Kommt hinzu, dass die Spendenbeiträge von 30 Fr. pro Person bzw. 70 Fr. pro Familie nicht indexiert sind, die Erträge durch die Teuerung real also dauernd an Wert verlieren.

Doch vor einer Erhöhung der Mitgliederbeiträge zögert die Rega noch. Diesbezüglich bestünden noch keine Pläne, versichert Walter Stünzi, PR-Leiter der Rega. Noch nicht, denn mittelfristig wird der Stiftungsrat kaum darum herumkommen, eine Erhöhung zu thematisieren. Immerhin: Die Gönnerzunahme dieses Jahres konnte im Vergleich zur Vorjahresperiode bisher um 2,4% gesteigert werden. Angesagt ist vorerst die Optimierung der bisherigen Instrumente.

Eines der wichtigsten Instrumente der Marketingkommunikation sind PR-Massnahmen. Der Rega-Pressedienst «munitioniert» die klassischen Medien konstant mit Meldungen von vorzugsweise aussergewöhnlichen Rettungen oder Repatriierungen. «Das ist unser Ersatz für Printwerbung», freut sich der PR-Chef. Klassische Kommunikationsinstrumene wie Inserate und TV-Werbung sind weitgehend ausgeklammert und geben auch keinen grossen Sinn. «Solche Breitenwerbung spielt für uns eine untergeordnete Rolle», so Stünzi, «weil diese vorwiegend dem Aufbau des Bekanntheitsgrades oder der Akzeptanz dient.» Das aber geschieht bei der Rega auf anderen Wegen.

Die Umsetzung

Gestützt auf den hohen Bekanntheitsgrad und das gute Image soll der «Kaufimpuls» beim potenziellen Zielpublikum im Rahmen einer jährlich durchgeführten, grossangelegten Kampagne zur Gönnerwerbung erfolgen. Um das Manko fehlender Verkaufsstellen auszugleichen, setzt die Rega dabei auf Direktwerbung, einem Mailing inklusive Einzahlungsschein. In aller Regel ein unadressierter Versand, weil sich das als am Effizientesten herausgestellt hat. Die Nachteile: Hoher Streuverlust, Stopp-Werbe-Kleber, «Doppelansprache» der bisherigen Gönner.

Alle paar Jahre wird deshalb auf einen adressierten Werbeversand zurückgegriffen. Hierbei werden die Adressen zuerst mit dem bestehenden Adressstamm abgeglichen und weitere Segmentierungen wie Alters- und Adresskriterien vorgenommen. Komplementäre Aktionen sind Vortragsreihen bei ausgesuchten Anlässen und die jährlich rund 500 Führungen durch das Rega-Center im Flughafen Zürich, die eine gute Gelegenheit sind zur vertieften Informationsvermittlung. Sehr lukrativ ist die Präsenz mit einem Informationsstand an Veranstaltungen, Messen, Ausstellungen.

Sind neue Spender gewonnen, erhalten diese zweimal pro Jahr das Gönnermagazin, das wohl wichtigste «Kundenbindungsinstrument». Denn die Gönnerinnen und Gönner wollen über «ihre» Rettungsflugwacht informiert werden, suchen Bestätigungen, dass ihr Geld sinnvoll verwendet wird.

NACHGEFRAGT

«Bitten und danken»

Gerhard Grosslauser, der Präsident der Gesellschaft der Fundraising-Fachleute und Geschäftsführer von Cerebral Schweiz über Probleme und Ziele der Spendenarbeit.

Ist Fundraising in den letzten Jahren schwieriger geworden?

Gerhard Grossglauser: Ja, eindeutig.

Worauf führen Sie das zurück?

Grossglauser: Weil immer mehr öffentlich-rechtliche Institutionen die ihre Aktivitäten mit Fundraising mitfinanzieren wollen auf den Markt drängen und die vorhandenen Mittel nicht in gleichem Masse zunehmen. Der Markt ist also enger geworden und die Mittel knapper.

Und wer wird inskünftig die Nase vorn haben?

Grossglauser: Institutionen mit klarem Profil und ebensolcher Botschaft; dort, wo die Kommunikation geprägt ist von Offenheit und Ehrlichkeit. Es muss ganz klar vermittelt werden, wie die Spenden eingesetzt worden sind, gewissermassen das Kosten-Nutzen-Verhältnis aufzeigen. Denn wenn das Gefühl entsteht, dass etwa mit den Spenden vorwiegend die Administration finanziert wird, wirkt sich das negativ auf weitere Spenden aus.

Wie sieht es mit aggressivem Fundraising aus?

Grossglauser: Da bin ich sehr skeptisch. Kurzfristig kann das durchaus Erfolg haben. Ich zweifle aber, dass dies langfristig der richtige Weg ist. Selbstverständlich muss man die gesetzten Ziele und vor allem die Zielgruppen berücksichtigen. Im Umweltschutz etwa sind andere Instrumente und Massnahmen gefragt als im Bereich Behinderung und Krankheit.

Lassen sich Trends erkennen?

Grossglauser: Ja. Eigentliche Trends im Fundraising sind die stärkere und professionellere Ansprache des Spenders sowie die Pflege von Grossspendern, Stiftungen usw. Auch der Einsatz von Events hat stark an Bedeutung zugenommen. Der Fortschritt bei technischen Hilfsmitteln und bei der Informatik lässt eine immer gezieltere Ansprache zu, was im Direktmarketing sehr hilfreich ist. Doch allem technischem Fortschritt zum Trotz, in unserem Geschäft geht es nach wie vor um zwei Dinge: Bitten und danken.