Seit Wochen kämpft das Management von Schmolz + Bickenbach (S + B) gegen die rückläufigen Aufträge im Stahlgeschäft. Gewinnwarnung hier, Kurzarbeit da. Das Jahr 2019 war bisher zum Vergessen. Neuer Ärger kommt aus dem Aktionariat, wo sich zwei Investorenschwergewichte zunehmend feindlich gegenüberstehen. «Da herrscht dicke Luft», berichtet ein Banker. Auf der einen Seite wirkt Martin Haefner, Milliardär und Besitzer des Autoimporteurs Amag. Auf der anderen Seite die Gesellschaft Liwet, bei welcher der russische Investor Viktor Vekselberg namhaft beteiligt ist.

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Lange funktionierte die Konstellation. Doch seit kurzem geht zwischen den beiden Parteien überhaupt nichts mehr. Im Gegenteil: Um den Stahlproduzenten ist ein Machtkampf ausgebrochen.

Auslöser sind bisher nicht bekannte Pläne von Martin Haefner, ein öffentliches Übernahmeangebot für S + B zu lancieren und daraufhin eine Kapitalerhöhung zu stemmen. Damit würde er konkurrenzlos zum starken Mann beim Stahlproduzenten. Haefner lässt sich nicht lumpen. Bis zu gut 300 Millionen Franken würde er auf den Tisch legen. Es soll bereits ein ausformulierter Entwurf zum Angebot vorliegen.

Ergebnislose Diskussionen

Doch vorerst scheitert der Plan, denn die Vekselberg-Seite verweigert Haefner offenbar die Gefolgschaft. Das berichten Kreise aus dem Bankenumfeld. Seither ist Feuer unterm Dach: Die Übernahmekommission ist involviert, Anwälte sowieso. Wie es weitergeht, ist offen.

Martin Haefner teilt mit, er sei «grundsätzlich bereit, sich unter angemessenen Bedingungen an einer Verbesserung der Kapitalausstattung von S + B zu beteiligen». Entsprechende Pläne und Diskussionen seien aber bisher ergebnislos verlaufen. Bezüglich Übernahmeangebot heisst es bei Liwet: «Kein Kommentar.» S + B verzichtet auf eine Stellungnahme.

Die Kontrolle ist das Ziel

Angefangen hat alles im August. Damals liessen Martin Haefner und seine Entourage die bereits im Detail ausgearbeiteten Pläne kursieren. Sie sehen in einem ersten Schritt ein öffentliches Übernahmeangebot zu einem höheren Kurs vor, als wie heute die S + B-Aktie an der Börse gehandelt wird. Die bisherigen Aktionäre stehen dann vor der Wahl, ihre Aktien Haefner anzudienen oder nicht.

Haefner macht eine Bedingung, damit das Angebot als zustande gekommen gilt: Er muss danach über die Mehrheit der Aktien verfügen, derzeit hält er 17 Prozent.

In einem zweiten Schritt soll dann an einer ausserordentlichen Generalversammlung eine Kapitalerhöhung beschlossen werden. Auch hier steht den Aktionären eine Wahl offen: Sie können mitziehen, frisches Geld einschiessen und die Kapitalerhöhung mitzeichnen. Dann bleiben sie im bisherigen prozentualen Umfang weiterhin S + B-Aktionär. Oder sie können darauf verzichten und werden verwässert. Maximal könnten die Übernahme und die Kapitalerhöhung zusammen für Haefner Kosten von mehr als 300 Millionen Franken verursachen. Falls alles wie geplant über die Bühne geht.

Sicher ist das nicht. Denn Haefners August-Kaufofferte soll nicht für die grösste Aktionärin Liwet gelten, welche 26,9 Prozent der Aktien hält. Die Begründung: Personen und Gesellschaften sollen vom Angebot ausgeschlossen werden, wenn sie unter US-Sanktionen stehen. Gemeint ist damit Vekselberg respektive die Liwet.

Offenbar ist Haefner der Ansicht, die Liwet falle unter die US-Sanktionsbestimmungen. Die Beteiligungsgesellschaft dürfe ihm demnach ihre Aktien nicht andienen. Gleichzeitig will er verhindern, dass Liwet an der Kapitalerhöhung teilnimmt. Die Folgen wären eine deutliche Schwächung der bisher grössten Aktionärin. Daran dürfte die Liwet kaum Freude haben. Das würde die Spannungen im Aktionariat erklären.

Die Sanktionsfrage

Wie bei anderen Übernahmeangeboten setzt sich die Übernahmekommission (UeK) mit der juristischen Sachlage auseinander – auch unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung der Aktionäre. Ob die US-Sanktionen dabei überhaupt eine Rolle spielen, ist offen. Die Sanktionen besagen jedenfalls: Kein US-Bürger und kein US-Unternehmen darf mit einer Firma geschäften, die zu mindestens 50 Prozent einer sanktionierten Person – wie etwa Vekselberg – gehört. Um nicht Probleme mit den USA zu riskieren, halten sich inzwischen selbst Nicht-USA-Firmen an die Weisung.

50 Prozent ist also die magische Grenze. Aus diesem Grund senkte Vekselberg 2018 seinen Anteil etwa bei Sulzer von 63 Prozent notfallmässig auf knapp 49 Prozent. Damit konnte Sulzer weiterhin in den USA aktiv sein. Bei der Liwet hält Vekselberg mit 44,4 Prozent schon längere Zeit deutlich weniger als 50 Prozent, wie aus Meldungen der SIX hervorgeht. Auf Anfrage teilt Liwet mit, dass «Liwet nicht auf der Sanktionsliste steht und voll handlungsfähig ist».

Verbündete suchen

Ob Haefner sein Unterfangen ohne die Unterstützung der Liwet durchbringt, ist schwer abzuschätzen. Wahrscheinlich müsste er die ursprünglichen S + B-Besitzer aus Deutschland – die im Familienbesitz befindliche Schmolz + Bickenbach GmbH – auf seine Seite ziehen oder auszahlen. Da geht es um 10 Prozent der Aktienstimmen. Oder aber er müsste den Grossteil der kleinen Aktionäre überzeugen, die 45 Prozent der Aktien auf sich zu vereinen.

Und die Gesellschaft selber? Trotz aller Misere im Stahlgeschäft brennt es nicht lichterloh. Laut Halbjahresbericht verfügte das Unternehmen im Sommer über 395 Millionen Euro an Liquidität und ungenutzten Krediten. Chef Clemens Iller sagte kürzlich in der «Finanz und Wirtschaft», es gebe kein Problem mit den Banken und man konzentriere sich darauf, «die Kosten anzupassen». Zu einer allfälligen Kapitalerhöhung äusserte er sich nicht.

Die Rolle von Jens Alder

Eine wichtige Rolle in der aktuell verworrenen Lage dürfte Jens Alder spielen. Der frühere Swisscom-Chef ist erst im April an der S + B-Generalversammlung zum Verwaltungsratspräsidenten gewählt worden, unterstützt von Haefner. Die beiden Abgänger des Internats Zuoz kennen sich schon lange: Alder sass jahrelang im Verwaltungsrat des milliardenschweren US-Softwarekonzerns CA Technologies, der von Haefner und seiner Familie bis 2018 zu einem Viertel kontrolliert wurde.

Nun also S + B. Als Verwaltungsratspräsident ist Alder allen Aktionären verpflichtet. Das dürfte bei dieser Konstellation für Kontroversen sorgen.