Heinz Hermann Thiele ist tot. Der deutsche Unternehmer starb am Dienstag in München, wie das Unternehmen Knorr-Bremse mitteilt. Er wurde 79 Jahre alt.
Bei Knorr-Bremse arbeitete er sich vom Sachbearbeiter zum grössten Aktionär – und zum Multimilliardär – empor und formte den Münchner Konzern zum weltgrössten Bremsenlieferanten für Züge und Lastwagen. Mit einer Bieterschlacht um den schwedischen Knorr-Rivalen Haldex verhinderte der Unternehmer in den vergangenen Jahren dessen Übernahme durch den Autozulieferer ZF Friedrichshafen.
Den Bahntechnikhersteller Vossloh übernahm Thiele 2019 gegen alle Widerstände. Dass es bei der Durchsetzung seiner Pläne gelegentlich zum Streit kommt, ist der 79-Jährige gewohnt. «Er hat seinen eigenen Kopf», sagt ein früherer Weggefährte.
Zuletzt wurde er zu einer politischen Kraft. Thiele, den das Magazin «Forbes» mit einem Vermögen von 15 Milliarden Dollar auf Platz 91 der reichsten Menschen der Welt führt, entpuppte sich mitten in der Lockdown-Krise als neuer Grossaktionär der Lufthansa. Mitten in der Coronakrise kaufte er knapp 15 Prozent an der angeschlagenen Airline zusammen.
Dann liess er deutsche Regierung und das Lufthansa-Management Mitte Juni 2020 per Interview mit der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» wissen, was bei der Firmenrettung anders laufen soll. Damit brachte er einen bereits beschlossenen Plan zur Rettung der Lufthansa ins Wanken.
Karrierestart bei Knorr-Bremse
Der geborene Mainzer studierte in München Rechtswissenschaften und begann seine Karriere 1969 als Sachbearbeiter in der Patentabteilung des Traditionsunternehmens Knorr-Bremse. Bald stieg er ins mittlere Management und später zum Vorstandschef auf. Als sich die damaligen Gesellschafter zerstritten, übernahm Thiele ab Ende 1985 sukzessive das kriselnde Unternehmen und brachte es mit einem globalen Expansionskurs wieder in die Spur. Im Jahr 2018 folgte der Börsengang, bei der Patriarch mit gut 70 Prozent der Anteile seine Macht behielt. 2019 schrieb der Konzern mit 29'000 Mitarbeitern bei einem Umsatz von 6,9 Milliarden Euro 632 Millionen Euro Gewinn.
Den Knorr-Bremse-Konzern prägte Thiele nicht nur in den vergangenen Jahrzehnten als Eigentümer, Vorstandschef und Aufsichtsratschef, der auch nach seinem Rückzug vom Chefposten im Jahr 2007 weiter kräftig mitregierte. Thiele sei «ein sehr aktiver Aufsichtsratsvorsitzender der Knorr-Bremse AG, der neben strategischen Fragen gelegentlich auch operative Schwerpunktthemen aufgreift», schrieb das Unternehmen einst zu seinem 70. Geburtstag.
Anfang Mai 2020 kündigte er sogar an, von seinem Beraterposten als Ehrenvorsitzender des Aufsichtsrats als aktives Mitglied in das Gremium zurückzukehren.
Mit Gewerkschaften über Kreuz
Thieles Vorstellungen und seine enge Begleitung des Unternehmens führten wiederholt dazu, dass Spitzenmanager den Konzern verliessen. Nach dem erfolgreichen Börsengang verabschiedete sich Vorstandschef Klaus Deller Knall auf Fall. Als Grund nannte das Unternehmen «unterschiedliche Auffassungen von Führung und Zusammenarbeit», lobte aber zugleich Dellers Strategie. Bald darauf kündigte auch Finanzvorstand Ralph Heuwing seinen Rückzug an, nachdem der frühere Linde-Vorstand Bernd Eulitz zum neuen Chef gekürt worden war.
Auch mit Gewerkschaften lag Thiele über Kreuz. Knorr-Bremse verliess vor Jahren den Arbeitgeberverband. Der Haustarifvertrag sieht gegenüber dem Flächentarif sieben Stunden Mehrarbeit in der Woche vor. Die Bedingungen in seinen Unternehmen seien hart für die Arbeitnehmer, so ein Kenner. Dank Thieles Erfolgs als Unternehmer sei es aber selten zu Entlassungen gekommen.
(reuters/mlo)