Die aktuellsten Inflationsdaten für Europa, die USA und in geringerem Ausmass für die Schweiz geben Anlass zu Bedenken hinsichtlich einer Rückkehr der Inflation. In Amerika erreichte die monatliche Teuerungsrate im September mit 1,2% den höchsten Stand seit 25 Jahren; die Jahresinflation liegt bei 4,3%. In den Ländern der Eurozone beträgt die Inflation 2,5% und liegt damit über dem Schwellenwert von 2%, den die Europäische Zentralbank als wünschenswert erachtet. Ist dieser jüngste Preisauftrieb lediglich ein zeitlich begrenztes Phänomen oder ist darin eine lang anhaltende Entwicklung zu sehen?
Derzeit stehen sich in dieser Frage zwei Meinungen gegenüber. Die erste führt ins Feld, dass die im Zuge der Globalisierung verbreitete Auslagerung von Produktionsprozessen ins kostengünstige Ausland das Preisniveau nach unten drückt und dass dieses Phänomen aller Voraussicht nach anhalten wird, wenn sich in zunehmendem Masse Länder wie Indien und China am Welthandel beteiligen. Die zweite monetaristische Ansicht begründet ihre These mit der lockeren Geldpolitik der Zentralbanken einerseits und der Steuerpolitik von Seiten der Regierungen andererseits. Die ausserordentlich hohe Liquidität als Folge der hohen Haushaltsdefizite und der wachstumsorientierten Geldpolitiken müsste mittelfristig zu einem Anstieg der Preise führen.
Kein perfekter Schutz
Welcher der beiden Ansätze Recht behalten wird, ist letztlich ohne grossen Belang, wenn man als Anleger seine Vermögenswerte gegen die Auswirkungen der Teuerung abgesichert hat. Welche Instrumente aber stehen Anlegern überhaupt zur Verfügung, um gegen einen allfälligen Preisauftrieb immun zu sein? In der Vergangenheit wurden Sachwerte wie Gold, Immobilien und Aktien immer wieder als inflationsresistente Anlagen bezeichnet. Nur leider sind diese Instrumente alles andere als perfekt, da auch sie mit Nachteilen verbunden sind: Gold ist eine Anlage ohne eigentliche Erträge und sein Preis ist in hohem Masse von der Goldpolitik der Zentralbanken abhängig. Immobilien zeichnen sich durch eine geringe Transparenz und eine begrenzte Liquidität aus. Aktien wiederum sind hohen Kursschwankungen unterworfen. Es gibt indessen ein Instrument ohne diese Nachteile, das allerdings noch wenig bekannt ist: Inflationsindexierte Obligationen.
Höhere Risiken, höhere Renditen
Inflationsindexierte Obligationen haben die Besonderheit, dass der Anleger vor einer Erhöhung der Zinssätze infolge steigender Inflationserwartungen geschützt ist. Diese Obligationen haben die gleiche Funktionsweise wie konventionelle Schuldnerpapiere, allerdings mit dem Unterschied, dass der Coupon bzw. der Nominalbetrag der jeweiligen Inflationsentwicklung angepasst wird. Steigen die Preise und damit die Inflationsrate, so steigen auch die Ausschüttungen und entschädigen somit den Anleger für den Kaufkraftverlust. Im Ergebnis hat er somit eine perfekte Absicherung gegen unliebsame Inflationsüberraschungen.
Inflationsindexierte Obligationen haben seit ihrer Auflegung eine im Vergleich mit herkömmlichen Obligationen in den USA höhere Wertentwicklung erzielt. Für die Schweiz liegen leider keine Vergleichswerte vor, und dies ganz einfach deshalb, weil es in der Schweiz noch keinen Markt für Obligationen gibt, die an die Entwicklung des Konsumentenpreisindex gebunden sind. Wie aber ist die Tatsache zu deuten, dass eine Anlage mit geringerem Risiko über einen mehr oder weniger längeren Zeitraum einen höheren Ertrag abwirft? Sollte die Prämie für das Inflationsrisiko gar negativ sein? Hat der bekannte englische Ausspruch «There is no free lunch» seine Gültigkeit verloren?
Zunächst ist es wichtig, die Zahlen mit Vorsicht zu analysieren. Neun Jahre historischer Performance reichen nicht aus, um einen langfristigen Zusammenhang aufzuzeigen. Darüber hinaus verzeichnen traditionelle Obligationen in Grossbritannien, wo teuerungsindexierte Obligationen bereits seit Beginn der 1980er Jahre auf dem Markt sind, eine vergleichsweise höhere Performance. Erwartungsgemäss erhärten die Zahlen für den britischen Markt denn auch die These, dass Anlagen mit höheren Risiken langfristig höhere Renditen abwerfen.
Ein weiterer, sehr interessanter Aspekt eröffnet sich durch die Portfoliobeimischung von teuerungsindexierten Obligationen: Anleihenportfolios herkömmlicher Art sind häufig keineswegs optimal zusammengesetzt. So wurde nämlich empirisch festgestellt, dass durch die Integration von inflationsindexierten Obligationen in ein Portfolio das Risiko grundsätzlich und in wesentlichem Umfang verringert werden kann, ohne dass dafür geringere Erträge in Kauf genommen werden müssen. In der Tat weisen solche Portfolios eine geringere Volatilität auf, da das Inflationsrisiko im Unterschied zu konventionellen Obligationen ausgeschaltet ist.
Als Beimischung
Ganz grundsätzlich gilt, dass ein Obligationenanleger für das Inflationsrisiko, das er mit seinem Portfolio trägt, nur unzureichend entschädigt wird. Es ist daher in jedem Fall lohnenswert, dieses Risiko zugunsten von Anlagen zu eliminieren, deren Risiken sich mehr auszahlen. Vor dem Hintergrund all dieser Überlegungen müsste ein Portfolio, um eine optimale Zusammensetzung aufzuweisen, zwischen 30 bis 50% inflationsgeschützte Obligationen enthalten.
Wie bei jeder Anlage ist auch bei teuerungsindexierten Obligationen auf das richtige Timing zu achten. Gemäss den derzeitigen Markterwartungen, wird die Inflation in Europa in den nächsten zehn Jahren rund 2,05% betragen. Angesichts des inflationstreibenden Umfeldes scheint dieser Wert recht niedrig, zumal die Inflation derzeit 2,5% beträgt und somit über den Prognosen liegt. Entscheidend ist folglich die Frage, ob die Inflationserwartungen von 2,05% für die nächsten zehn Jahre zu hoch oder zu vorsichtig angesetzt sind. Für den Anleger sollten allerdings Überlegungen über den optimalen Zeitpunkt für den Kauf von inflationsgeschützten Obligationen nicht im Vordergrund stehen, er sollte sich vielmehr grundsätzlich für die Beimischung solcher Instrumente zu seinem Portfolio entscheiden.
Alexandre Bouchardy, Fondsmanager, Fonds Credit Suisse Bond Fund Inflation Linked, Credit Suisse Asset Management, Zürich.