Schweizer KMU haben Geldsorgen: Jeder zehnte KMU-Chef nennt die Kapitalbeschaffung in einer Erhebung des Staatssekretariats für Wirtschaft (vgl. Fussnote) als seine Hauptschwierigkeit. Die grössten Finanzierungssorgen machen sich Kleinstunternehmer. Die düsteren Einschätzungen kommen nicht von ungefähr: Das typische Schweizer KMU ist heute chronisch unterfinanziert. Seine Eigenkapitalquote liegt bei 10 bis 30%. Bei jedem dritten KMU macht sie sogar weniger als 20% des Gesamtkapitals aus, wie eine Prognos-Studie aus dem Jahr 1998 zeigt. Seither haben sich die Verhältnisse kaum verändert. Doch in der Regel gilt ein Unternehmen erst mit 30 bis 60% Eigenmittel als gesund.

Dass solche Eigenkapitalverhältnisse heute aber rar geworden sind, hat mehrere Gründe: So sind manche Firmen historisch bedingt stark fremdfinanziert. Denn Betriebskredite waren bis vor gut zehn Jahren noch günstig zu haben. Zudem hat eine grosse Anzahl von KMU wegen den neuen Technologien einen erhöhten Kapitalbedarf.

*Nicht rentabel*

Bei vielen Betrieben kommen aber auch Rentabilitätsprobleme dazu: Aus der Seco-Studie geht hervor, dass die Wachstumsrate von KMU in der Schweiz viermal kleiner ist als jene von Grossunternehmen. Das liegt an der tieferen Wertschöpfung und an den höheren Arbeitskosten der KMU. Doch ohne Rendite können die Unternehmer auch keine Kapitalpolster bilden.

«Vielen KMU-Chefs geht es nicht in erster Linie um Gewinn und Rentabilität, sondern um das Unternehmer-Dasein, um den Betrieb und um die Mitarbeiter», sagt Walter Weber, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Schweizerischen Institut für gewerbliche Wirtschaft der Uni St.Gallen. Deshalb komme es auch immer wieder vor, dass die Firmen von ihrer Substanz zehren müssen, um magere Jahre zu überstehen.

Für Heinz Nater, Geschäftsführer der KMU-Rating-Agentur in Zug, hingegen hat die dünne Eigenkapitalbasis weder mit der Wertehaltung der Unternehmer noch mit dem negativen konjunkturellen Einfluss zu tun: «Die Gründe sind bei den Unternehmern selbst, genauer gesagt beim Management zu suchen.» Dieses hätte es in den vergangenen Strategie- und Marktkrisen verpasst, Strukturen und Prozesse rechtzeitig und konsequent anzupassen. Finanzielle und betriebswirtschaftliche Messinstrumente und etwa die Einführung einer professionellen Debitoren- und Lagerbewirtschaftung seien vernachlässigt worden. «Wegen den fehlenden Instrumenten sind die Unternehmer auch oft nicht fähig, ihre aktuelle finanzielle Situation abzuschätzen», sagt Nater weiter. So hat der KMU-Experte, der den Firmen Unternehmensratings anbietet, schon erlebt, dass sich ein Garagist mit einem freien Cashflow von 2% zufrieden gab. Dabei hätte er frei verfügbare Mittel von 6% benötigt, um nicht vom Eigenkapital zehren zu müssen.

Aus der Eigenkapitalknappheit führt laut Nater deshalb nur ein Weg: «Die Unternehmer müssen damit beginnen, ihre Finanzen systematisch zu planen und diese Planung auch umzusetzen sowie regelmässig zu kontrollieren.» Dabei sollte der Kapitalbedarf auf mindestens zwei bis drei Jahre hinaus bekannt sein.

Franz Beeler, Geschäftsführer der Beratungsfirma KMU-Innovation, empfiehlt Unternehmern mit kargen Eigenmitteln, sich auf die Suche nach Privatinvestoren zu machen, zum Beispiel in Deutschland.

Weniger Handlungsbedarf macht hingegen Maurice Pedergnana aus. Der Forschungsleiter des Zuger Instituts für Finanzdienstleistungen ist überzeugt, dass sich die Eigenmittelsituation bei vielen KMU in den letzten fünf Jahren sogar verbessert habe: «Manche Unternehmer arbeiten schon mit Privatinvestoren aus dem Familien- oder Freundeskreis zusammen.» Andere hätten sich privat verschuldet, um genügend Eigenmittel für das Geschäft zu generieren. Denn Hypotheken auf Wohneigentum sind weit billiger als Betriebskredite.

Eine weitere Variante, sich zumindest kurzfristig Mittel zu beschaffen, sieht der Bankenexperte in Lieferantenkrediten, Konsignationsgeschäften oder Kundenanzahlungen. Diese Instrumente sind besonders im Autogewerbe verbreitet, das punkto Finanzierung als kritische Branche gilt.

Optimismus ist aber nicht nur wegen der vielfältigen Finanzierungspalette angesagt: Denn «die internen Bilanzstrukturen der KMU sehen in Tat und Wahrheit meist viel besser aus, als sie in der Finanzbuchhaltung erscheinen», so Pedergnana. Der tatsächliche Wert der Eigenkapitalquote ist oft höher als angegeben, weil die meisten KMU hohe stille Reserven gebildet haben.

Das Bild der Bilanzstruktur wird aber nicht durch die Reservebildung verzerrt. Bei kleinen Aktiengesellschaften und GmbH sind es oft auch steuertechnische Gründe: «Das Schweizer Steuersystem verleitet die Klein-Unternehmer, das Kapital aus der Firma abzuziehen», erklärt Hermann Wichert, Treuhänder in Lachen. Anstatt einen hohen Gewinn zu erzielen, der mit bis zu 30% versteuert werden muss, und Dividenden auszuschütten, die nochmals 20% Steuerkosten generieren, versuchen die Unternehmer, möglichst viel Aufwand an Lohn, Spesen usw. zu Lasten der Firma zu buchen.

*Kapital-Nachschub*

Trotzdem wird sich die Eigenmittel-Situation in Zukunft verbessern, ist Pedergnana sicher. Dies nur schon wegen der Verschiebung von jährlich 25 Mrd Fr. Erbschaftsgeldern, die an 45- bis 65-Jährige fliessen. «Diese setzen das Kapital teilweise unternehmerisch ein, weil die Eigenmittel gegeünber der Kreditfinanzierung relativ an Attraktivität gewonnen

haben.»

Für die KMU und ihre Beziehungen zu den Banken kann dies nur positiv sein: Ein hoher Eigenkapitalanteil verhilft ihnen zu einem besseren Kredit-Rating und tieferen Zinsen. «Die KMU in der Schweiz und in Europa»

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