Konrad Fischli traf die Kündigung wie aus heiterem Himmel. Der 48-jährige Verkaufsleiter hätte nie damit gerechnet, seine Stelle zu verlieren, als sein Chef ihn ins Büro zitierte. Bleich kehrte er nach dem Gespräch an seinen Arbeitsplatz zurück und wagte nicht, seinen Kolleginnen in die Augen zu schauen. Er fragte sich, wie er die kommenden Wochen überstehen sollte. Fischli ist ein fiktives Beispiel, doch so wie ihm ergeht es vielen Betroffenen, die plötzlich ihre berufliche Situation neu überdenken müssen.

Während die einen beim Kündigungsgespräch körperlich reagieren und bleich werden, schwitzen oder gar in Tränen ausbrechen, bleiben andere beherrscht und scheinbar gelassen. Eine dritte Gruppe bringt die Überraschung und Enttäuschung spontan in emotionalen Worten zum Ausdruck.

Arbeitspsychologin Catherine Müller warnt jedoch vor Überreaktionen: «Die eigenen Emotionen dürfen Platz haben, sie sollten aber nicht überhand nehmen. Es ist ratsam, «Extremreaktionen» möglichst in der Privatsphäre auszuleben - auch zum Selbstschutz, um das Gesicht nicht zu verlieren.»

*Jeder reagiert anders*

Menschen mit grossem Sicherheitsbedürfnis kann eine Kündigung den Boden unter den Füssen wegziehen. Andere lieben eher die Unabhängigkeit und sind flexibler. Für sie ist eine Kündigung weniger existenzbedrohend.

Die unterschiedliche Reaktion kann gemäss Catherine Müller von der Identifikation mit dem Arbeitgeber abhängen: «Wer sich vor allem als Berufsmensch definiert und sein Selbstverständnis und seine gesellschaftliche Stellung sehr stark auf die Funktion als Mitarbeiterin oder Mitarbeiter eben dieser Firma baut, wird mit einer erfolgten Kündigung eher Mühe haben als eine diesbezüglich unabhängigere Person. Auch die Dauer einer Anstellung spielt dabei eine Rolle.»

Ein wichtiger Aspekt für die Verarbeitung der Kündigung ist gemäss Catherine Müller der Grund für die Entlassung: «Wird beispielsweise ein ganzer Bereich einer Firma geschlossen (etwa wegen Restrukturierungsmassnahmen) und trifft es mehrere Mitarbeitende, verarbeiten die Betroffenen die Kündigung anders, als wenn einer einzelnen Person gekündigt wird, z.B. wegen unlösbaren Konflikten oder Unzufriedenheit mit ihrer Leistung.»

*C?est le ton ?*

Ebenso entscheidend ist die Art und Weise, wie der Arbeitgeber die schlechte Nachricht mitteilt. Eine Kündigung kann leichter verdaut werden, wenn die Gefühle der Betroffenen ernst genommen werden, wenn gemeinsam nach Lösungen gesucht wird, wenn die Kündigung mit Achtung der Integrität der betroffenen Person erfolgt oder - bei Entlassungen im grösseren Rahmen - ein Sozialplan besteht.

*Vier Phasen der Trauer*

Falls die betroffene Person die Kündigung als Schock erlebt, verläuft die Verarbeitung ähnlich einem Trauerprozess in vier Phasen. Denn auch bei einem Verlust der Arbeitsstelle gilt es Abschied zu nehmen.

1. Der oder die Mitarbeitende nimmt die Kündigung gar nicht wirklich wahr. In dieser Phase kommt er oder sie beispielsweise immer zur Arbeit, wie wenn nichts wäre.

2. Es stellen sich Unverständnis, Wut oder Trauer ein. Dies kann sich nach innen oder nach aussen richten, etwa in selbstzerstörerischen Reaktionen (z.B. viel oder wenig essen, zu viel Alkohol trinken, anderes Suchtverhalten) oder in aggressivem Verhalten nach aussen (verbale Angriffe oder gar physische Tätlichkeit).

3. In der Phase der Differenzierung wird nach Gründen für die Kündigung gesucht, und es erfolgt eine Auseinandersetzung mit der neuen Situation.

4. Die Phase der Neuorientierung schliesslich ermöglicht es, einen neuen Bezug zu sich selbst und zum Leben zu entwickeln.

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Irgendwann ist es so weit: Das Gastspiel beim alten Arbeitgeber neigt sich dem Ende zu, die Tage sind gezählt. Oft ist es schwierig, jetzt die Motivation noch beizubehalten - viele fühlen sich jetzt wie auf dem Abstellgleis. «Eine wirklich hohe Leistung dürfte in dieser Situation niemand mehr erwarten, weder der Arbeitgeber noch die gekündigte Person von sich selber. Ein Ziel könnte sein, das Begonnene gut abzuschliessen, ohne noch? Bäume auszureissen», so die Psychologin.

Denn viele Arbeitnehmer plagt bereits die Sorge, eine neue Arbeitsstelle finden zu müssen. Darin steckt auch eine Chance, da eine aktive Stellensuche die Verarbeitung erleichtern kann. Erfolgen dann jedoch Absagen, schlägt die erste Aufbruchstimmung möglicherweise schnell in Frustrationsgefühle und Ängste um.

*Souverän bleiben*

Aus Sicht der Arbeitspsychologin ist es das Wichtigste, am Arbeitsplatz trotz schlechter Gefühle souverän, möglichst loyal oder zumindest neutral zu bleiben: «Intrigen anzetteln oder der Versuch, Koalitionen zu bilden, ist längerfristig keine echte Bewältigungsmöglichkeit, schon gar nicht mit Kunden der betreffenden Firma.» Hegt man dem Arbeitgeber gegenüber negative Gefühle, bringt es auch nichts, «mit der Faust im Sack» einen Abschiedsapéro zu organisieren.

Aber, gibt Catherine Müller zu bedenken: «Eines gilt es zu beachten. Man sollte den ehemaligen Kolleginnen und Kollegen und Vorgesetzten auch nach Wochen, Monaten und Jahren wieder begegnen und ihnen in die Augen schauen können.»