Schon bei der Lehrlings-Auswahl beginnt der Kampf um die Talente. Dies, obschon die Unternehmen immer weniger Lehrstellen zu besetzen haben und die Auswahl an potenziellen Lehrlingen zurzeit sehr hoch ist (siehe Kasten). «Alle wollen die Gleichen», begründet Alfred Breu, Sekretär der Zürcher Lehrlingsvereinigung Informatik (ZLI): Nämlich leistungsstarke Schulabgänger, die aufgeweckt sind, wissen, was sie wollen, und dies überzeugt und mit Charme rüberbringen können.

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Entsprechend schonungslos wird rekrutiert: Ein seit über zehn Jahren geltendes Gentleman's-Agreement zwischen Unternehmen und Berufsberatungszentren, mit der Selektion erst jeweils anfangs November vor Lehrbeginn zu starten, wird von manchen Firmen unterlaufen. «Sie haben Angst, ein paar Monate später seien nur noch die schlechten Schulabgänger zu haben», so Breu obwohl im Frühling jeweils Gymnasiasten auf Lehrstellensuche gehen, die sich gegen die Maturität entscheiden (müssen). Auf diese zu warten, können oder wollen sich die Lehrlingsausbildner aber offenbar nicht leisten:Oft werden die Wunschkandidaten unter Druck gesetzt, den Anstellungsvertrag rasch nach der Stellenzusage zu unterschreiben, wie Hansruedi Küttel, Leiter von «Beruf Zug», einem Lehrlingsausbildungszentrum, sagt.

Ab zum Einheitstest

Neben diesen unredlichen Tricks versuchen die Unternehmen auch mit fairen Mitteln, ihre Suche nach den 16-jährigen «High Potentials» schneller und besser zu gestalten.

Unternehmen wie UBS, ABB, IBM oder Siemens verlangen zur Vorselektion zusätzlich zu den üblichen Bewerbungsunterlagen wie Lebenslauf, Schulzeugnissen- und heften den so genannten Basic- oder den Multi-Check. Das sind einheitliche Eignungstests, in denen die Schulabgänger über ihr schulisches Wissen geprüft werden; gecheckt wird der Lehrstoff der Oberstufe. Die kostenpflichtigen Tests, die bei privaten Firmen abgelegt werden, sind unabdingbar, argumentiert die Mehrheit der Lehrlingsausbildner. «Dank ihnen können wir die unterschiedlichen Zeugnisse verschiedener Kantone und Schulsysteme vergleichen», sagt Küttel. Nicht nur das: Die Selektion, welche Bewerber in die zweite Runde kommen, kann dank den Tests im Schnellzugstempo durchgeführt werden. Den Rekrutierern bleibt somit zwar mehr Zeit, sich mit der Sozialkompetenz der Jugendlichen auseinander zu setzen. Doch Kritiker der Einheitstests machen geltend, dass die Tests wegen ihrer Auswertung in Prozentzahlen und Kurven schwierig zu interpretieren sind. Schwächeren Schülern schmälern sie zudem die Chance auf eine Lehrstelle, sagt Bert Höhn, Leiter des Laufbahnzentrums der Stadt Zürich.

Unternehmen, die sich bei der ersten Selektionsrunde nicht auf die Einheitstests abstützen, sind dennoch selten. Roche und Aprentas, ein Lehrlingsausbildungszentrum, das unter anderen Lehrlinge für Novartis rekrutiert und ausbildet, führen die Schultests erst in der zweiten Runde durch.

Zürich Schweiz lässt diese Tests ganz aus. «Uns sind die schulischen Leistungen nicht wichtig», behauptet Pressesprecher Peter Sommer, «wir legen mehr Wert auf Sozialkompetenz.» Schulabgänger, die die erste Hürde im Bewerbungsprozedere bei Zürich geschafft haben, müssen deshalb wie die 30-jährigen Anwärter für Kaderstellen ins Assessment-Center.

Auch andere Grossfirmen durchleuchten ihre potenziellen Lehrlinge in Gruppenabklärungen: Wer etwa bei Siemens, ABB oder IBM einen Ausbildungsplatz will, baut während zwei Stunden Murmelbahnen, plant in einer Gruppe eine Mondlandung, führt Zaubertricks nach Anleitung vor oder hält einen Kurzvortrag über ein vorgegebenes aktuelles Thema. Mit den Gruppenabklärungen gewinnen die Firmen erneut Zeit: «Assessments sind weniger aufwendig als Einzelgespräche», sagt denn auch IBM-Ausbildnerin Gabi Krummenacher. Daneben sei es aber auch die einzige Weise, seriös abzuchecken, wie sozialkompetent die Bewerber wirklich sind, betonen die Lehrlingsverantwortlichen der drei Firmen unisono. Hier könnten diese sich nicht, wie in den Vorstellungsgesprächen, verstellen, «denn auch 16-Jährige wissen schon genau, was die Ausbildner von ihnen hören wollen und schwätzen einfach daher», sagt Hansruedi Küttel. Der Leiter des Lehrlingsausbildungszentrums Beruf Zug, das auch für Siemens ausbildet, trifft oft auf solche «hervorragenden Rhetoriker».

Einige Firmen haben das Vorstellungsgespräch gar abgeschafft. Beim Technologiekonzern ABB beispielsweise, dessen Lehrlinge von den Lernzentren ausgewählt werden, laden die Rekrutierer die Bewerber nur noch im Zweifelsfall zum Interview.

Lieber schnuppern

Nicht so bei UBS, Novartis oder Roche. Die Grossbank und die Pharmafirmen sind bei der Suche nach den Besten altmodisch geblieben: UBS stützt sich nur auf Interviews ab, bei Roche und Novartis müssen zusätzlich Schnupper-Einsätze absolviert werden. Bei Roche etwa muss jeder Schulabgänger im Konzern geschnuppert haben, bevor er sich überhaupt für eine Lehrstelle bewerben kann. «Assessments sind nicht nötig», sagt Lehrlingsverantwortlicher Ueli Grossenbacher, «Praxiseinsätze, bei denen der Jugendliche live erleben kann, was auf ihn zukommt, sind viel wertvoller für den Jugendlichen und für uns.» Denn irgendwelche Gruppenarbeiten liessen keine verlässlichen Aussagen über den zukünftigen Lernerfolg zu.

Die einwöchige Schnupperlehre ist bei Roche nicht anstellungsrelevant. Potenzielle Novartis-Lehrlinge dagegen haben in ihrem Praxis-Einsatz eine Prüfung zu machen: Ein angehender Laborant etwa muss die Futtermenge für eine Maus berechnen. «Es ist zu anspruchsvoll, das Verhalten der Jugendlichen bei fiktiven Aufgabestellungen in Gruppen richtig zu interpretieren», begründet Jakob Zogg, Verantwortlicher für Berufsinformation des Ausbildungsverbundes Aprentas. Zumal die Bewerber mit ihren 16 Jahren in einem intensiven Entwicklungsprozess stecken und ihre Persönlichkeit sich weiter verändert. Deshalb haben die Aprentas-Verantwortlichen vor ein paar Jahren die Idee verworfen, Assessments einzuführen.

Zahlen und Fakten: Weniger Lehrstellen

Die Situation auf dem Lehrstellenmarkt wird sich in Zukunft weiter verschärfen, warnen Experten. Konkrete Notmassnahmen sind zwar noch keine geplant, einzelne Laufbahnberatungszentren, wie jenes der Stadt Zürich, bereiten aber schon Aktionen vor, mit denen sie Firmen motivieren wollen, mehr Lehrstellen anzubieten.

Gemäss Hochrechnungen suchen60000 Jugendliche eine Lehrstelle für den Sommer 2003. Dazu kommen 19 500 Jugendliche, die letztes Jahr mit einer Übergangslösung, wie das 10. Schuljahr oder eine Anlehre, überbrückt haben und heuer eine Lehre beginnen wollen. Auf der anderen Seite ist das Angebot an offenen Lehrstellen weiter rückläufig. Rezessionsbedingt streichen viele Firmen ihr Lehrstellenangebot zusammen. Die UBS etwa bietet dieses Jahr 20 und die CS Group 15 Stellen weniger an. Bei den meisten Firmen wie Siemens oder Novartis liegt die Reduktion im einstelligenBereich.

Gemäss Peter Sigerist, Bildungs-Verantwortlicher beim Schweizerischen Gewerkschaftsbund werden in den Städten Zürich, Basel und Bern im Vergleich zum Vorjahr 10% weniger Stellen angeboten.

Tipps für Lehrlinge: Diese Wege führen zur Lehrstelle

Lehrlingsausbildner und Lehrer geben folgende Ratschläge:

- Gezielt bewerben: Fähigkeiten und Berufsanforderungen vergleichen. Berufswünsche auch mit dem regionalen Arbeitsmarkt abgleichen (Infos zu freien Lehrstellen, regional gegliedert, gibt es im Lehrstellennachweis www. lena.ch)

- Bewerbungsdossier: Für jede Bewerbung einen neuen Begleitbrief entwerfen und auf die einzelne Lehrstelle eingehen. Standardbriefe, in denen nur die Adresse, sogar noch handschriftlich geändert wird, machen keinen guten Eindruck bei den Lehrlingsverantwortlichen. Bei den Berufsberatungen gibt es Informationen, welche Dokumente in eine Bewerbung gehören. Meist geben aber auch die Firmen an, was sie erwarten.

- Referenzen: Als Referenz geeignet sind nicht nur Lehrer, sondern auch Personen aus einem Verein, Pfadi usw. Firmen suchen Lehrlinge, die sich in irgendeiner Art (sozial) engagieren und sich für etwas interessieren.

- Vorbereitung auf das Gespräch: Wie bei jedem Bewerbungsgespräch sollte man sich überlegen, was gefragt werden könnte. Z. B. welches sind meine Stärken und Schwächen, wie bin ich mit negativen Erlebnissen umgegangen, was dokumentiert meinen Durchhaltewillen oder Flexibilität, welche interessanten Fragen könnte ich stellen. Es lohnt sich, ein Gespräch mit jemandem zu üben oder sich wenigsten die einzelnen Punkte laut vorzusagen.

- Eignungstest: Informationen und Daten zu Basic- oder Multi-Check: www.basic-check.ch www.multicheck.ch