In den Wirtschaftsspalten stehen sie einander gegenüber: Der Spezialist, der mit dem hübschen Bonmot «von immer weniger immer mehr versteht», und der Generalist, bei dem es sich mit der Breite, Höhe und Tiefe seines Sachverstandes irgendwie umgekehrt verhält. Und wenn dieser zweite, ins Extrem gesteigert, von fast allem so gut wie nichts mehr versteht und der erste von so gut wie nichts mehr fast alles, so ist klar, dass der tüchtige Manager irgendwo in der Mitte zwischen den beiden seinen Platz hat.
Die Wortgeschichte des «Generalisten» und des «Spezialisten» ist eine Paargeschichte; sie beginnt im Griechischen, bei Aristoteles. In seiner Klassifizierung der Tiere bezeichnete der grosse Philosoph und Zoologe die übergeordnete Klasse oder Gattung als génos, eigentlich «Geschlecht, Familie», die einzelne Art als eídos, eigentlich «Aussehen, Erscheinung».
Von Aristoteles zu Cicero
Es lag nahe, dass Aristoteles diese systematischen Ordnungsbegriffe sogleich in sein Collegium Logicum übernahm; dort diente das génos entsprechend zur Bezeichnung der übergeordneten Klasse oder Menge, das eídos zur Bezeichnung der darin enthaltenen Gegenstände oder Elemente.
Vor allem über die Aristotelische Logik ist das griechische Begriffspaar in Ciceronischer Zeit ins Lateinische übergegangen, und hier kommt nach dem «Generalisten» erstmals auch der «Spezialist» in den Blick. Für die Übersetzung des griechischen génos im Sinne der übergeordneten «Klasse» bot sich das sprachverwandte, gleichbedeutende lateinische genus mit dem Genitiv generis an; für die Wiedergabe des griechischen eídos wählte Cicero oder wer ihm da zuvorgekommen war die nahezu gleichbedeutende lateinische species, «Aussehen, Erscheinung».
Generäle und Spezialitäten
Das griechische Begriffspaar von génos und eídos war schon bei Theophrast von den Tierklassen und Tierarten zu den Pflanzenklassen und Pflanzenarten übergesprungen. Auch das lateinische Begriffspaar von genus und species hat bald in weiteren systematischen Wissenschaften Bedeutung gewonnen, so zunächst in der Rhetorik: Da halfen die verschiedenen übergeordneten genera und ihre vielfältigen untergeordneten species, eine abgestufte Ordnung in die Wirrnis der juristischen Streitfälle und geradeso in die Vielfalt der rhetorischen Kunstmittel zu bringen.
Die Wörterbücher bezeugen die üppige Fruchtbarkeit dieses praktischen Wörterpaars: Aus den Substantiven genus und species haben sich früh die Adjektive generalis und specialis hervorgebildet, «generell auf die ganze Klasse bezogen, speziell auf ein einzelnes Element bezogen», und aus diesen Adjektiven sind später wieder die Substantive generalitas und specialitas hervorgegangen. Auf der einen Seite hat das Militär seine Generäle und seine Generalität, haben die Unternehmen ihre Generaldirektoren, die Parteien ihre Generalsekretäre; auf der anderen Seite hat die Wissenschaft ihre Spezialgebiete, haben die Kaufhäuser ihre Spezialabteilungen, die Restaurants ihre Spezialitäten, (zoo)logisch verstanden: ihre besonderen «spezifischen» Merkmale.
Zu guter Letzt kommen wir hier, mit dem sozusagen professionalisierenden griechischen «-ist», zu dem «Generalisten», der eine breite Fächerklasse, und zu dem «Spezialisten», der ein schmales Fächlein zu seiner Sache gemacht hat.
Und ganz in der Ferne kommt hier nun auch der scheuklappenbewehrte, auf sein Fach fixierte Extrem-Spezialist in den Blick, den eine köstliche Wortschöpfung zum «Fachidioten» befördert hat, wortwörtlich, so paradox wie punktgenau: zum «Fach-Nichtfachmann».
Zur Serie
In der Rubrik Manager-Latein geht der Kilchberger Altphilologe und Buchautor Klaus Bartels gängigen Ausdrücken aus der Wirtschaftswelt auf den sprachlichen Grund. Dies sowohl wissenschaftlich fundiert als auch mit einem Augenzwinkern. Die Texte stammen aus seinen Wortgeschichtensammlungen «Wie Berenike auf die Vernissage kam» (3., durchgeseheneAuflage, Philipp von Zabern, Mainz 2004), «Wie die Murmeltiere murmeln lernten» (Mainz 2001), «Trüffelschweine im Kartoffelacker» (Mainz 2003).