Der Rohstoffhändler aller Rohstoffhändler und international tätige Finanzinvestor ist tot. Marc Rich verstarb im luzernischen Meggen nach einem Hirnschlag, wie der Sender Radio 1 aus familiären Kreisen erfuhr. Sein Vermögen wird vom Magazin Bilanz auf rund eine Milliarde Franken geschätzt. Rich wohnte in der Schweiz, seit er von den USA der Steuerhinterziehung angeklagt worden war.
Es war ursprünglich eine Laune des Wetters, die das Schicksal von Marc Rich entschied. An einem Herbstmorgen im Jahre 1987 sollte sein privater Flieger eigentlich in London landen. Doch die Crew musste wegen Nebels umdrehen. Was Rich nicht wusste: Am Flughafen warteten Polizisten schon auf ihn, um ihn festzunehmen. Der Rohstoff-Händler stand damals noch auf der Liste der gesuchten Verbrecher des FBI: 1983 hatten Staatsanwälte in den USA den Amerikaner der Steuerhinterziehung und des illegalen Handels mit dem Iran angeklagt.
Aufstieg im Rohstoffmarkt
Dabei dienten ihm die USA anfänglich als Zufluchtsort. Marc Rich wurde am 18. Dezember 1934 als Sohn deutschsprachiger Juden in Antwerpen geboren. 1941 floh seine Familie mit ihm in die USA, wo der junge Mann aufwuchs und in New York studierte, bevor er als Lehrling im Handelsunternehmen Philipp Brothers anfing. Dort arbeitete er sich bald nach oben und machte sich einen Namen.
Rich wollte schnell sein eigener Herr sein. Im April 1974 gründete er mit seinen Partnern das Rohstoff-Handelsunternehmen Marc Rich + Co. mit Hauptsitz in der Schweiz und revolutionierte den Rohstoffmarkt. Sein einfaches und konsequentes Motto: Geschäft und Gegengeschäft. Die politische Lage war ihm egal. Er geschäftete mit allen.
Der Konflikt eskaliert
So handelte Rich zum Beispiel mit iranischem Öl, obwohl die USA ein Embargo verhängt hatten. Er vermittelte laut der Biografie des Journalisten Daniel Ammann Geschäfte zwischen Ländern, die politisch nichts miteinander zu tun haben wollten. Mit unkonventionellen Methoden brachte Rich seine Firma trotz des Konflikts mit den USA erfolgreich weiter. Dank einem geheimen Joint Venture mit Burundi konnten zum Beispiel seine Mitarbeiter, die sich teilweise als heimische Geschäftsmänner ausgaben, günstige Bedingungen bei Öl-Deals mit dem Iran aushandeln.
Oder er brachte es zustande, geheim sowjetisches Öl an den Apartheid-Staat Südafrika zu verkaufen, obwohl die beiden Länder auf öffentlicher und diplomatischer Ebene nicht kommunizierten. Kritik an diesem Geschäftsmodell kam auch aus der Schweiz: Der grüne Nationalrat und Rich-Kenner Josef Lang kritisierte dessen Gleichgültigkeit gegenüber ungleichen Machtverhältnissen zwischen Multis und Entwicklungsländern. Den Zenit überschritt Rich Anfang der 90er-Jahre nach Verlusten im Zinkgeschäft. Darauf verkaufte er das gesamte Handelsgeschäft an das Management. Dieses führt heute unter dem Namen Glencore den weltweit grössten Rohstoffkonzern.
Am Ende die Begnadigung
Zu einem Prozess in den USA gegen Rich und einer Verurteilung kam es nie. Präsident Bill Clinton begnadigte ihn an seinem letzten Amtstag im Jahr 2001. Rich kehrte Zeit seines Lebens nie in die USA zurück.
Vergangenes Jahr begann Rich seine Nachfolge zu regeln. Freunde berichten schon vor einiger Zeit, dass seine Tagesform schwanke. «Es geht ihm nicht immer wahnsinnig gut», sagte einer. Seit 2009 waren Finanzexperten, Anwälte und Berater deshalb daran, Ordnung in Richs Firmengeflecht zu bringen. «Das Unternehmen musste nach den Wirren und Stürmen der Finanzkrise, die auch Rich substanzielle Verluste gebracht haben, redimensioniert werden», sagt einer, der Einblick in das Unternehmen hat.
Der Rückzug
Im November 2010 erfolgte der bisher grösste Schritt: Rich, der Rohstoffhändler aller Rohstoffhändler, trat als Gesellschafter aus seiner vor Jahrzehnten gegründeten Gruppe aus. Das geht aus Einträgen im Handelsregister hervor.
Seit längerem ist die nächste Generation involviert. In den letzten zwei Jahren haben sich die beiden Ehemänner von Richs Töchtern vermehrt dem Management der Gruppe gewidmet. Der eine ist Kenny Schächter mit Wohnsitz London. Er ist ein bekannter Kunstexperte, dem man auch in den Gloom-Doom-Boom-Reports von Marc Faber begegnet, wenn es um Kunst geht. Der andere ist Richard Kilstock, ein New Yorker Immobilien-Tycoon aus vermögender Familie.