BILANZ: Michel Gabriel, warum gehören nun auch reine B2B-Firmen wie ABB oder Sulzer zu den wertvollsten Marken der Schweiz?
Michel Gabriel*: Ein Ranking muss sich der Lebenswirklichkeit anpassen. Wir haben die B2B-Marken berücksichtigt, weil viele Unternehmen im globalen Wettbewerb die Marke inzwischen als zentralen Stellhebel für eine Differenzierung nutzen. Langfristig wird alles immer ähnlicher, die Marke ist die einzig nachhaltige Möglichkeit, aus der Masse herauszustechen.
Wenn der Einkaufsleiter bei einem Industrieunternehmen eine neue Fertigungsstrasse evaluiert, hat er klare Kriterien: Fehleranfälligkeit, Produktionskapazität, Kosten. Er entscheidet sich doch nicht für ABB und gegen Siemens, weil ihm der eine Brand besser gefällt als der andere!
Aber er nimmt ABB und Siemens erst mal auf die Liste der Anbieter, die er überhaupt evaluiert. Weil er die Marken kennt, ihnen Kompetenz zutraut und Vertrauen entgegenbringt. Auch für das Employer Branding ist die Marke zentral.
Was heisst das?
Zum einen kämpfen auch Firmen wie Holcim oder Syngenta bei der Rekrutierung um die hellsten Köpfe. Da ist eine starke Marke hilfreich. Zum anderen braucht es ein klares Markenbild, um die Kontaktpunkte der Mitarbeiter mit den Kunden zu definieren: Wie genau verhält sich der Liftingenieur beim Kunden, wie erbringt er den Service? Schliesslich vermittelt er dort das Markenerlebnis. Dieses Brand Engagement ist ein
grosser Trend in der Markenführung.
Welche anderen Trends sehen Sie derzeit?
Viele Firmen managen den Wert ihrer Marke explizit. Der Markenwert ist also nicht nur eine Zahl, sondern das Ergebnis einer Aktivität. Und ein wesentlicher Trend ist das, was wir Markenmanagement 3.0 nennen: Der Konsument gestaltet die Marke mit, wie das etwa bei Migros auf der Internetplattform Migipedia möglich ist. Früher hat die Firma darüber gewacht, dass die Markennormen eingehalten wurden. Jetzt moderiert sie die Beiträge der Kunden zum Markenbild. Sie wird vom Polizisten zum DJ.
Wie werden sich die Markenwerte in der Schweiz in nächster Zeit entwickeln?
Sie dürften weiter leicht steigen. Dabei werden die Starken immer stärker. Wer nur Durchschnitt ist, verliert den Anschluss.
Wo sehen Sie das grösste Potenzial?
In der Pharmaindustrie, da besonders bei Roche, und in der Uhrenindustrie, da besonders bei Rolex. Beiden räume ich sehr grosse Chancen ein, eines Tages auf Platz eins der Liste der wertvollsten Schweizer Marken zu kommen.
*Michel Gabriel ist Managing Director von Interbrand Zürich.