Der Umbau des grössten Autohauses der Schweiz beginnt in einer abgelegenen Messehalle in Hannover. Rund 3000 Kleinaktionäre pilgern im Juni 2016 zur Generalversammlung des Volkswagen-Konzerns. Bestimmendes Thema ist die Abgasaffäre. Die Stimmung ist vergiftet. Die Aktionäre sprechen von krimineller Energie und einer Vollkasko-Mentalität. Es werde gelogen und betrogen, ohne rot zu werden, heisst es.
Am Zürcher Utoquai werden die Wortmeldungen mit Besorgnis registriert. Amag-Präsident Martin Haefner realisiert, dass der Dieselskandal sein Autohaus erschüttern könnte. Gerät der Volkswagen-Konzern in Schieflage, ist die Zukunft seines Unternehmens bedroht. Haefner erlässt deshalb die Order, den Konzern neu aufzustellen. Schliesslich geht es um das Vermächtnis seines Vaters Walter Haefner – und um die Sicherung des Familienvermögens. Die «Bilanz» beziffert es auf über 7 Milliarden Franken.
Seit dem Sommer 2016 ist viel passiert. Der Konzern hat sich eine neue Struktur verpasst. Martin Haefner hat zusammen mit seinem Topmanagement das Liegenschaftsportfolio neu geordnet, Milliarden in neue Konzerngesellschaften verschoben und sein Privatvermögen vom benzingetränkten Business getrennt. Das Autogeschäft ist nun selbstständig und nicht mehr Teil der Familienholding Careal. «Die Auto-Gruppe steht jetzt auf eigenen Füssen», sagt Amag-Chef Morten Hannesbo.
Der Umbau gehört zu den wichtigsten Wegmarken der zweiten Haefner-Generation, die erst spät in den Familienbetrieb eingestiegen ist. Martin Haefner ist ein an der ETH Zürich ausgebildeter Mathematiker. Bevor er sich voll auf die Arbeit als Amag-Präsident konzentrierte, hatte er an diversen Gymnasien in Luzern unterrichtet. Vize-Präsidentin des Verwaltungsrats ist seine jüngere Schwester Eva-Maria Bucher-Haefner. Die beiden sind die einzigen Kinder des legendären Amag-Gründers.
Markantester Einschnitt der zweiten Generation ist die Trennung der Retailaktivitäten vom Importgeschäft. Das Business mit den Endkunden ist in eine eigenständige Gesellschaft ausgelagert. Unterlagen zeigen: Es ist die Kernaktivität von Amag. Rund 4000 Personen kümmern sich darum. Sie wechseln Reifen, ölen Getriebe, verkaufen Neuwagen. Es ist das Geschäft, von dem Amag-Chef Hannesbo sagt, dass man «wie ein Tier» um Marge und Volumen kämpfen müsse.
Früher war dieser Zweig unter einem Dach mit den anderen Gruppenaktivitäten. Das hat vor einigen Jahren auch die Wettbewerbskommission auf den Plan gerufen. Sie witterte einen Missbrauch der Marktmacht und eine Diskriminierung der unabhängigen Händler. Jetzt hat das Retailgeschäft eine eigene juristische Form erhalten.
Haefner schlägt damit zwei Fliegen auf einen Streich. Die von den Wettbewerbshütern bemängelten Fehler in der Organisationsstruktur sind behoben. Und die über Jahrzehnte zum Milliardenreich gewachsene Firma ist entrümpelt. Die Amag-Gruppe hat mehr Flexibilität in der Planung des Geschäfts. Das Händler- und Garagennetz ist gerüstet für die Umwälzungen, die der Online-Handel, die Elektrifizierung und neue Konkurrenten mit sich bringen.
Im Portfolio der Amag-Gruppe sind nur noch jene Liegenschaften, die für das Kerngeschäft nötig sind. Alles andere wurde rausgelöst und vom Autogeschäft separiert. Martin Haefner hat den Gemischtwarenladen aufgeräumt und einen fokussierten Konzern geschaffen. Vor der grossen «Bilanz-Putzete» waren Wohnungen in Oerlikon, Stockwerkeigentum in Davos oder das Zürcher Vier-Sterne-Hotel Bellerive au Lac mit im Portfolio. Nun sind es nur noch Grundstücke von strategischer Bedeutung.
«Das sind die grossen Liegenschaften, wo oft 200 bis 300 Mitarbeiter sind», sagt Hannesbo. Diese brauche die Gruppe, um die Position im Markt abzusichern. Heute gibt es rund 4,5 Millionen Autos in der Schweiz, davon 1,1 Millionen von den VW-Konzern-Marken. «Die Zahl wird in den nächsten sechs Jahren auf 1,4 Millionen steigen», so Hannesbo.
Im letzten Jahr erzielte Amag einen Gruppenumsatz von 4,6 Milliarden Franken. Ihr Marktanteil im Neuwagengeschäft lag bei fast 30 Prozent. 90'000 der 314'000 neu zugelassenen PKW stammen aus dem Markenuniversum VW, Audi, Škoda, Seat und Porsche. Mit dem Dieselskandal beschäftigt sich das Unternehmen seit über zwei Jahren. 99 Prozent der von der Abgasaffäre betroffenen Autos sind hierzulande bereits umgerüstet. In der Schweiz sind nur noch knapp 1600 Fahrzeuge mit Schummelsoftware unterwegs. Bei den meisten noch nicht umgerüsteten Modellen handelt es sich um Škoda-Autos.
Der Amag-Chef rechnet mit einem erhöhten Aufwand in den Werkstätten. Viele Garagen sind aber nicht mehr im Portfolio des Konzerns, sondern ausgelagert zum Privatvermögen der Familie. «Wir brauchen die Nutzungsrechte, nicht die Steine», erklärt der Manager.
Berater im Prime Tower
Die Aufteilung des Immobilienportfolios sei von langer Hand geplant und minutiös vorbereitet gewesen, sagt der Amag-Chef. Kaum war die Order zur Ausarbeitung einer neuen Struktur von Haefner erlassen, machte sich die Geschäftsleitung ans Werk und skizzierte eine neue Organisation. Der Verwaltungsrat hat den Umbau im Januar 2017 abgesegnet. Seither beschäftigen sich Experten des Autokonzerns und der Anwaltskanzlei Homburger mit den Details.
Was jetzt noch im Konzern ist, soll auch in Zukunft beim Autohaus bleiben. Obschon ein Gruppieren der Vermögenswerte ein Filetieren erlauben würde, sagt Hannesbo: «Wir wollen nichts veräussern. Die Gruppe wächst.» Auch einem Börsengang erteilt der Amag-Chef eine Absage. «Ein IPO steht für uns nicht zur Diskussion.»
Tatsächlich hat Martin Haefner andere Pläne für das Unternehmen. Gegenüber dem Kader des Autohauses verkündete der 64-Jährige, er wolle noch einige Jahre an der Spitze bleiben. Damit steht er in bester Familientradition. Sein Vater führte die Firma bis weit über das Pensionsalter hinaus. Als Walter Haefner dem Sohn die Macht übergab, war der Gründer Mitte 90. Er starb im Alter von 101 Jahren. Die Mutter von Martin Haefner wurde 99.
Eine Stabsübergabe an die dritte Generation steht aktuell auch nicht zur Diskussion. Martin Haefner hat keine Kinder. Und der Nachwuchs der Schwester ist noch zu jung. Tochter Chiara ist 24 Jahre alt, Sohn Mischa wird im August 23. Nicht zu jung sind die beiden aber für ein Engagement in der Stiftung, die von Walter Haefner gegründet wurde und jedes Jahr einen Millionenbetrag verschenkt. Seit Januar sind die Geschwister zusammen mit der Mutter im Stiftungsrat vertreten. Martin Haefner hat sich derweil vom karitativen Familienarm zurückgezogen.