Wie geht der Schweizer Private Equity Verband (SECA) mit den aktuellen Reputationsproblemen um? Stichwort «Jobkiller» und «Heuschrecken».

Massimo Lattmann: Die öffentliche Perzeption ist zurzeit stark von einigen Mega-transaktionen mit sehr bekannten Unternehmen geprägt. Dies sind zwar im klassischen Sinne auch Private-Equity-Geschäfte, aber sie betreffen nur eine Minderheit der gesamten Transaktionen. Letztes Jahr gab es in Europa im Private-Equity-Bereich 8000 Transaktionen, und 97% davon betrafen Firmen mit weniger als 500 Mitarbeitenden.

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Diesen Transaktionen fallen aber Traditionsunternehmen und viele Arbeitsplätze zum Opfer.

Lattmann: Sicher gibt es immer wieder die eine oder andere Transaktion, die problematisch verläuft, aber das ist ein kleiner Teil der Branche. Damit müssen wir leben. Fakt ist, dass Private Equity kein Jobkiller ist, ganz im Gegenteil. Es gibt Studien, die zeigen, dass in den Jahren 2000 bis 2005 die Firmen, die durch Venture Capital und Private Equity finanziert wurden, netto zirka 1 Mio neue Stellen in Europa geschaffen haben. Davon rund 600000 bei Venture-Finanzierungen und 400000 bei Buyouts. Auch bei Buyouts gibt es also netto einen Beschäftigungsgewinn.

Wodurch unterscheidet sich ein Private- Equity-Investor vom Financier?

Lattmann: Ein Private-Equity-Unternehmen kauft eine Firma, wenn es meint, dass diese unterbewertet ist und man mehr daraus machen kann. Anschliessend wird diese Firma dekotiert, denn das kurzfristig orientierte Umfeld an den Börsen zwingt häufig zu kurzfristigem Agieren – und das will der Eigentümer einer Firma eigentlich nicht. Er will in Ruhe und langfristig agieren können.

Und dann restrukturieren?

Lattmann: Natürlich kann eine Private-Equity-Übernahme auch bedeuten, dass sich die Firma zunächst einmal eine gewisse Restrukturierung gefallen lassen muss. Denn es scheint dort ja irgendwas nicht optimal gelaufen zu sein, was auch zu der Unterbewertung der Firma geführt hat. Aber die Zielsetzung einer klassischen Private-Equity-Transaktion ist es, aus dieser Firma in einigen Jahren etwas zu kreieren, das erheblich mehr Wert und üblicherweise auch mehr Jobs hat. Das ist Private Equity.

Was ist dann nicht Private Equity?

Lattmann: Vieles, was die Gemüter in letzter Zeit erregt hat, waren keine Private-Equity-Transaktion, sondern reine Arbitrage- und Hedge-Fonds-Geschäfte. Beispielsweise wenn Laxey ein 20%-Paket an Implenia kauft und dann damit hausieren geht. Das sind Arbitrage-Geschäfte – ich will mich dazu gar nicht wertend äussern, wir leben ja schliesslich in einem freien kapitalistischen System –, aber solche Geschäfte haben mit Private Equity nichts zu tun.

Also differenzieren Sie sich auch von Investoren wie Ronny Pecik oder Victor Vekselberg und deren Beteiligungen an den divsersen Schweizer Firmen?

Lattmann: Ich möchte diese Geschäfte nicht bewerten, aber auf jeden Fall sind das keine klassischen Private-Equity-Transaktionen.

Wobei Pecik ja bei OC Oerlikon genau das gemacht hat, was Sie beschrieben haben: Er hat eine seiner Meinung nach unterbewertete Firma gekauft,Einfluss auf das Management und die Strategie genommen, mit dem Ziel, Mehrwert für sich und seine Investoren zu schaffen.

Lattmann: Es gibt immer wieder Grauzonen, und es ist richtig, dass vor allem im Falle von OC Oerlikon diese Investoren ein Engagement ähnlich wie im Private Equity gemacht haben, nämlich Mehrwert zu schaffen und nicht einfach so eine kurzfristige Transaktion wie im Falle ABN Amro oder wie im Fall der Deutschen Börse. Aber es ist insofern eine etwas atypische Situation, als die Firma an der Börse verblieben ist. Da kann man sich jetzt streiten, ob das noch oder schon eine PE-Transaktion ist.

Stichwort Venture Capital: Sie sagen, diese Early-Stage-Finanzierung wird in

Europa stiefmütterlich behandelt. Warum?

Lattmann: Venture Capital ist in Europa relativ spät aufgekommen, weil sich auch die ganze Private-Equity-Branche hier erst relativ spät etabliert hat. Europa hat eine lange Tradition von kreditfinanzierten Unternehmen. Erst als in der letzten grossen Rezession Anfang der 90er Jahre so viele faule Kredite aufgeflogen sind, hat sich das gewandelt und Private-Equity-Finanzierungen haben zunächst Auftrieb bekommen.

Die Frühfinanzierung von jungen Unternehmen gilt als sehr riskante Investition.

Lattmann: Dem muss ich widersprechen. Der erste richtige Venture-Capital-Boom, den Europa erlebt hat – der Technologie-Boom –, ist ziemlich schief gelaufen. Weltweit haben die Investoren kurzfristig Geld verloren, aber in anderen Ländern, die in diesem Bereich professioneller vorgehen, wie beispielsweise die USA, und wissen, dass Venture Capital langfristige Anlagen sind und dass man laufend investieren und ein gewisses Mass «Averaging» machen muss, ist der Netto-Effekt heute schon positiv. Bei uns sind die meisten Investoren erst 1999 oder 2000 eingestiegen, und 2001 brach dann die grosse Panik aus und alle sind wieder ausgestiegen. Das hat natürlich erheblich ins Fleisch geschnitten und das Vertrauen zerstört. Und prompt gilt Venture Capital als extrem risikoreich.

Spüren Sie angesichts der sich ändernden Rahmenbedingungen für die Kreditfinanzierungen eine höhere Nachfrage nach privatem Risikokapital?

Lattmann: Die Nachfrage nach Private-Equity-Kapital ist gross und steigt – aber sie wird eben nicht durch ein entsprechendes Angebot seitens der Investoren befriedigt. Die Schweizer Pensionskassen investieren im Schnitt nur 1 bis 2% ihrer Assets in Private Equity! In Europa sind es im Schnitt etwas über 3%, in den USA aber 6 bis 7%. Und das sind nur die Pensionskassen, die grossen Stiftungen der US-Universitäten investieren bis zu 20% in Private Equity.

Sollte die AHV die Vorsorgegelder in Private Equity investieren?

Lattmann: Es ist unverständlich, dass staatliche Kassen wie die AHV keinerlei Gelder im Venture-Bereich investieren. Wenn der Leithammel der Vorsorgeeinrichtungen keinen Rappen in diese Asset Class investiert, dann ist das ein ganz schlechtes Zeichen für die Innovationsförderung. Und wenn man zudem bedenkt, dass die AHV den Jüngeren das Geld entzieht, dieses an ältere Leute ausbezahlt und damit eigentlich nur den kurzfristigen Konsum belebt, aber keine langfristigen Investitionen fördert, dann muss man sich wirklich fragen, ob es volkswirtschaftlich gesehen keine intelligenteren Anlageformen gibt.

Sie sprachen von VC-Zyklen. In welcher Phase des Zyklus sind wir jetzt?

Lattmann: Der Buyout-Zyklus ist sehr stark, und wer weiss, ob dieser Bereich nicht schon ein wenig überhitzt ist. Im VentureBereich sind wir hingegen noch in der Talsohle. Es hat sich in den letzten zwei Jahren zwar ein wenig gebessert, aber da ist eindeutig noch ein Aufholbedarf und es bieten sich viele Möglichkeiten.

Wie weit sind die Vorbereitungen zum Listing einer ersten Swiss Limited Partnership (SLP)?

Lattmann: Wir sind zufrieden mit der SLP, so wie sie im Gesetz verankert ist. Womit wir noch erheblich Bauchweh haben, ist die bestehende Rechtsunsicherheit bezüglich der Besteuerung der General Partners.

Was hielten Sie für angemessen?

Lattmann: In vielen anderen Ländern werden die Kapitalgewinne des General Manager zum tiefstmöglichen Steuersatz, beispielsweise 10%, versteuert. Das ist ein akzeptabler und vernünftiger Satz. Aber in der Schweiz hat sich in den letzten Jahren diese unheilvolle Entwicklung mit der sogenannten Definition des gewerbsmässigen Wertschriftenhändlers in der Steuergesetzgebung eingeschlichen.

Das heisst?

Lattmann: Jetzt besteht die Gefahr, dass die Kapitalgewinne des General Partner auch als gewerbsmässig eingestuft werden und das Ganze dann als Einkommen versteuert wird. Und das wär die schlechteste aller Welten. Dann würden Kapitalgewinne bei uns so hoch besteuert wie nirgends auf der Welt! Das ist eine grosse Problematik, die gelöst werden muss, sonst ist die Attraktivität der Schweiz für Private Equity gefährdet und man hat das ganze Gesetz für die Katz gemacht!

Wann ist mit einer Entscheidung in dieser Frage zu rechnen?

Lattmann: Wir hoffen so schnell wie möglich, aber leider stellen wir immer wieder fest, dass diese Mühlen extrem langsam mahlen. Aber ich hoffe, dass sich eine gewisse intelligente Sichtweise durchsetzen wird und wir eine grosszügige Lösung finden. Man muss das wirklich als eine Chance ansehen. Es geht ja nicht nur um eine starke Private-Equity- und Finanzbranche – aber wenn diese stark sind, strömen auch Investoren und junge Unternehmer heran. Es gibt zurzeit sehr erfolgreiche Schweizer Unternehmer, die sind in Silicon Valley und nicht in Zürich oder Zug. Wie Kyte tv, von Daniel Graf gegründet: Ein Schweizer, der in Silicon Valley sitzt! Und das wird vielleicht der nächste Google!

Ist noch in diesem Jahr mit einer Lösung des Besteuerungsproblems zu rechnen?

Lattmann: Es wäre katastrophal, wenn das nicht der Fall wäre.

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Steckbrief

Name: Dr. Massimo S. Lattmann

Funktion: Präsident der SECA und Chairman Venture Partners AG

Alter: 64

Wohnort: Rüschlikon

Familie: Verheiratet, zwei Töchter

Ausbildung: Dr. Ing. ETH.

Karriere

- Über 20-jährige Management-Erfahrung im Hightech-Geschäft. Mehrere Jahre unabhängiger Investor und Venture Capitalist.

- 1996 Gründung der Venture Partners AG, Zürich.

- Seit 1996 Dozent an der ETH.

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SECA

Verband

Die Swiss Private Equity & Corporate Finance Association (SECA), Zug, repräsentiert die schweizerischen Private-Equity-, Venture-Capital- und Corporate-Finance-Gebiete.

Ziel

Die SECA vertritt die Private-Equity- und Corporate-Finance-Aktivitäten gegenüber den massgebenden Zielgruppen und in der Öffentlichkeit. Zudem werden der Austausch von Ideen und die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedern und deren Kundschaft gefördert. Die Förderung der beruflichen Fortbildung sowie die Entwicklung von ethischen Verhaltensregeln sind weitere Aufgabengebiete.