Bilanz: Herr Steiner, was macht einen guten Wirtschaftsfilm aus?
Michael Steiner: Ein guter Film erklärt die Wirtschaft anhand von Figuren, die innerhalb eines Systems leben, das eine Wandlung durchmacht, oder die selber verantwortlich sind für die Veränderung. Emotionen stehen im Film über dem Geld als treibender dramaturgischer Kraft. Figuren, welche die ganze Klaviatur von Erfolg und Absturz in sich tragen, sind darum bevorzugte Charaktere.
Welche Schweizer Wirtschaftsfigur könnte Sie für einen Spielfilm reizen?
Aus schweizerischer Sicht wäre Werner K. Rey sicher die interessanteste Figur, da er ein neues Denken umsetzte, indem er die Fehler oder Schlupflöcher im System suchte und sie dann konsequent ausnützte. Dafür wurde er verfolgt und abgestraft. Er war eine treibende Kraft einer neuen Ära und erfüllt somit die eingangs erwähnten Kriterien.
Rey baute ein Imperium auf, das spektakulär zusammenkrachte, er wurde auf den Bahamas verhaftet. Held oder Schurke?
Filmisch interessant ist eine Figur, die es dem Establishment zeigt – und die dann vom Establishment gebodigt wird. Ob sich das bei Werner K. Rey so umsetzen liesse, weiss ich nicht, da ich seine Geschichte nicht im Detail kenne.
Banken-Steuerstreit Schweiz–USA: ein Filmthema für Sie?
Ich verfolge den Fall, aber es fehlt in diesem Konflikt noch eine Galionsfigur. Bei «Grounding» war Mario Corti der tragische Held, seine Geschichte berührte mich. Dass Ex-UBS-Topbanker Raoul Weil in den USA als Schweizer Banker auf «nicht schuldig» plädiert, finde ich eine spannende Entwicklung, seine Argumentation vor Gericht wird zeigen, was seine Beweggründe dafür sind.
Fast in jedem Bankerfilm spielen Drogen eine Rolle. Warum?
Wo Leistungsdruck und Kapital zusammenkommen, sind Drogen nie weit.
Wo ist Koks verbreiteter: beim Film oder in den Banken?
Im Film. Der Realität der Leistungsgesellschaft entsprechen mittlerweile ausgeklügelte pharmazeutische Produkte ohne die ganz bösen Nebenwirkungen. Die Banker der «Wolf of Wall Street»-Generation wollten weg vom spröden Image und einen glamourösen Rockstar-Lifestyle zelebrieren. Das ist heute fast schon anachronistisch, denn wie im Sport entwickelt sich auch das Doping der Leistungsgesellschaft, damit der Marathon noch schneller und effizienter abgespult werden kann. Bis das Herz stillsteht.
Der Schweizer Regisseur Michael Steiner (44) drehte mit «Grounding – Die letzten Tage der Swissair» den erfolgreichsten Schweizer Wirtschaftsfilm und war zuletzt mit «Das Missen Massaker» im Kino. Derzeit schreibt er in Manila an zwei Drehbüchern und hilft, die vom Taifun Haiyan beschädigte Schule seiner Schwiegereltern in Tacloban wieder aufzubauen.