Karl Lagerfeld und Chanel, das war eine Symbiose der besonderen Art. Bis zum Schluss wirkte der legendäre Designer als Kreativchef für das Traditionshaus, er prägte es seit 1983. Wie stark Lagerfeld zuletzt noch in die Umsetzung der Kollektionen involviert war, ist schwer einzuschätzen. Mit seinem Stil und seiner Persönlichkeit stand Karl Lagerfeld aber unverrückbar für die DNA des Modeimperiums. Der legendäre Designer ist im Alter von 85 Jahren gestorben.
Eine Nachfolge zu etablieren wird für Chanel – mit Louis Vuitton und Gucci eines der drei weltgrössten Luxuslabels – eine beachtliche Aufgabe werden. Es geht dabei nicht nur darum, wer seine Nachfolge als Kreativchef antritt. Dieser Name steht bereits heute Nachmittag fest: Seine langjährige enge Mitarbeiterin Virginie Viard wird künftig die Kollektionen für Chanel entwerfen. Chanel-Miteigentümer Alain Wertheimer habe «die engste Mitarbeiterin von Karl Lagerfeld seit 30 Jahren» mit dem Entwurf der künftigen Chanel-Mode betraut, teilte das Unternehmen am Dienstag in Paris mit. Dadurch solle das «Erbe» von Coco Chanel und Karl Lagerfeld lebendig bleiben.
Die Zukunft von Chanel
Mit dieser Lösung setzt Chanel zunächst auf Kontinuität und steht zugleich doch vor der Frage, wie sich das Modehaus in Zukunft ausrichtet, ob eine Erneuerung sich abzeichnet. Denn auch die Besitzer von Chanel atmen Tradition. Hinter Modezar Lagerfeld standen seit mehr als drei Jahrzehnten die Eigentümer Alain (69) und Gérard Wertheimer (68); sie teilen sich je zur Hälfte die Aktien von Chanel. Ihr Vermögen schätzt die BILANZ auf 18,5 Milliarden Franken. Alain lebt in New York, Gérard seit Langem in Genf. Sie sind die Enkel von Pierre Wertheimer (1888–1965), dem einstigen Geschäftspartner von Firmengründerin Gabrielle «Coco» Chanel (1883–1971).
Sie gelten als äusserst diskret. Auftritte in der Öffentlichkeit sind selten, bei Modeschauen von Chanel erspäht man sie fast unbemerkt in vierter oder fünfter Reihe. Doch nicht nur ihr Privatleben halten sie geheim. Auch beim Luxuskonzern selbst war Diskretion stets das oberste Credo. Umso erstaunlicher war es, als Chanel 2018 erstmals überhaupt einen Einblick in seine Ertragszahlen gewährte – nach einem guten Jahrhundert des Schweigens.
Überraschend hohe Erträge
Überraschend war dabei, dass die Erträge deutlich höher lagen, als dies die Luxusgüter-Experten geschätzt hatten. Bei einem Umsatz von 9,6 Milliarden Dollar wurden ein Betriebsgewinn von 2,7 Milliarden und ein Reingewinn von 1,8 Milliarden Dollar ausgewiesen. Auch sonst zeigte sich die Marke mit dem verschlungenen Doppel-C finanzstark. Den Schleier zusätzlich etwas gelüftet hat Finanzchef Philippe Blondiaux: «Wir haben keine Schulden, und wir verfügen über 1,6 Milliarden Dollar in bar. All das ist wichtig. Sie liefert uns die Munition, um zu bleiben, wer wir sind: privat und unabhängig.» Alleine die Marke Chanel repräsentiert laut «Forbes» einen Wert von 8 Milliarden Dollar.
Die Publikation der Zahlen löste im vergangenen Jahr erneut Fragen aus, ob die Wertheimers den Verkauf des Unternehmens vorbereiten würden. «Absolut nicht», betonte der Manager. Spekulationen darüber, dass Chanel verkauft werden könnte, gibt es seit Langem. Klar ist: Das Interesse an Chanel bei den Rivalen Kering und LVMH, aber auch beim Genfer Konzern Richemont und der Mode-Holding Mayhoola aus Qatar wäre riesig. Insbesondere den Qatari wird nachgesagt, sie wären bereit, jeden Preis für Chanel zu bezahlen. Mayhoola kontrolliert heute das Couture-Label Valentino sowie die Marke Balmain.
Nicht nur der Tod von Karl Lagerfeld kann die Gerüchte um einen Verkauf erneut befeuern, schliesslich gehen auch die Wertheimer-Brüder beide auf die 70 zu. Im Klartext: Bei Chanel kann nicht ewig alles gleichbleiben.