Eistee – wer hats erfunden? Mindestens in industrieller Hinsicht führt die Spur in die Schweiz. Genauer gesagt nach Orbe im Kanton Waadt.

Was Getränke-Ingenieure von Nestlé dort in den 1940er Jahren heraustüftelten und in Pulverform isolierten, gilt als Urahn des heute so beliebten Kaltgetränks.

Eistee-Genesis: eine Produkte-Metamorphose

1948 wurde «Nestea» in der Schweiz und in den USA erstmals lanciert. Was anfangs noch als ungesüsstes Heissgetränk ausgelobt wurde, machte in der Folge eine erstaunliche Darreichungs-Metamorphose durch.

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Ab 1956 löste sich das Pulver auch in kaltem Wasser auf, von 1964 an packte Nestlé einen ganzen Mix aus Tee, Zucker und Zitrone in Pulverform.

Ab 1985 dann nahm Nestlé den Konsumenten die Eistee-Arbeit endgültig ab: Das Getränk wurde trinkfertig als Erfrischungsgetränk lanciert. Und kam somit in einer Form im Markt an, wie man sie heute noch kennt: als eiskalte Zuckerbombe.

Eistee-Führungsrolle erhielt Kratzer

Schon 1985 allerdings zeigten sich Anzeichen dafür, dass Nestlés Führungsrolle beim Eistee angekratzt werden könnte – mindestens im Markt Schweiz. Denn 1984 ging hierzulande auch die Migros an den Start.

Was die Migros-Industrietochter Bischofszell Nahrungsmittel (Bina) damals aufgoss, hat sich mittlerweile zum klaren Marktleader in der Schweiz etabliert. Gut zehn Liter der rund 28 Liter Eistee, die jährlich durch die Kehle jedes Durchschnitts-Schweizers rinnen, stammen von der Migros-Eigenmarke.

Auf den Plätzen zwei und drei stehen die Coop-Eigenmarke und Lipton, rund 14 Prozent Marktanteil schaffte Nestea noch bis vor kurzem in der Schweiz.

2017 lief das Joint-Venture mit Coca-Cola aus

Dass Nestea lange Jahre das Mass aller Eistee-Dinge war, hängt auch mit einer Partnerschaft zusammen. In vielen Ländern der Welt hatte sich Nestlé mit dem US-Getränkeriesen Coca-Cola verbündet; 25 Jahre lang kommerzialisierten die beiden Konsumgüter-Riesen Nestea miteinander.

Das waren die guten Zeiten für Nestea. Die guten Zeiten sind vorbei.

Trotziger Relaunch

Per Ende 2017 wurde das Joint-Venture mit Coca-Cola aufgelöst. Die US-Amerikaner gingen ab 2018 nun mit ihrer eigenen Eistee-Marke Fuzetea (in der Schweiz Fusetea) auf die Märkte los.

Nestea selber blieb nicht tatenlos. In einem trotzigen Marken-Relaunch verpassten die Schweizer im Frühling 2018 ihrem Getränk neue Rezepturen und eine neue visuelle Identität.

Angekündigt wurde das von der Firmendivision Nestlé Waters mit Worten, die man so selten findet im Worldspeak der PR-Profis: «Nein, Nestea verschwindet nicht. Auch wenn da und dort das Gegenteil zu lesen war: Auch 70 Jahre nach seiner Lancierung ist weiter mit dem weltweit beliebten Eistee von Nestlé zu rechnen.»

Erodierende Marktanteile für Nestea

Tatsächlich kam es dann aber knüppeldick für die Schweizer. Wie die «Handelszeitung» dieser Tage meldete, stürzten die Nestea-Marktanteile 2018 im Detailhandel in vielen wichtigen europäischen Märkten ab.

Auf der einen Seite konnte Coca-Cola seine geballte Marketingkraft für den eigenen Eistee einsetzen, auf der anderen Seite geriet Nestea vor allem im volumenstarken Markt Deutschland unter die Räder.

Shitstorm in Deutschland

Die Mutter aller Eistee-Marken hatte in Deutschalnd gleich mit zwei Widerwärtigkeiten zu kämpfen. Einerseits litt Nestea (wie auch andere Nestlé-Konzernmarken) unter einem zeitweiligen Boykott von Detailhändlern, welche bessere Preisbedingungen vom Schweizer Multi forderten.

Schlimmer aber: Nachdem die Schweizer dem Brauerei-Unternehmen Krombacher den Vertrieb von Nestea übertragen hatten, brach in den sozialen Medien ein veritabler Shitstorm aus. Krombacher wurde übelst beschimpft, mit Nestlé gemeinsame Sache zu machen.

Krombacher will die Scheidung

Nun hat die deutsche Brauerei, die in ihrer Branche zu den Top Ten in Deutschland gehört, die Reissleine gezogen. Gestützt auf eine Erstmeldung des Portals «Inside Getränke» (Paywall) melden die «Westdeutsche Allgemeine Zeitung» (WAZ) und die «Lebensmittelzeitung» übereinstimmend, dass Krombacher schon ab Sommer 2019 aussteigen wolle aus dem Nestea-Deal – nach nur eineinhalb Jahren.

«Krombacher und Nestea werden zum 1. Juli 2019 die Vertriebspartnerschaft beenden», zitiert die WAZ einen Sprecher der Brauerei und fährt fort: «Die Vertragspartner sind zu dem Entschluss gelangt, dass dies der richtige Schritt ist, um den langfristigen Erfolg für die Marke Nestea sichern zu können.»

Heikles Timing

Deutsche Beobachter gehen davon aus, dass ein Mix aus schlechter Performance und Beulen aus dem Shitstorm den Ausschlag für das schnelle Aus der Ehe von Krombacher und Nestea gegeben hat. Ob Nestea im wichtigen Markt Deutschland bereits einen neuen Vertriebspartner hat, wollten die Schweizer nicht bekannt geben.

Ungünstig ist die aktuelle Entwicklung, die just zu Beginn der Saison einsetzt, auf jeden Fall.

Allzu schnell aber sollte man Nestea wohl nicht abschreiben. Eine Marke mit einer Legacy, die alle Spektren von heiss bis kalt abdeckt, unterstützt vom Marken-Powerhouse Nestlé, müsste eigentlich die Spur zurück zum Erfolg finden.