Es war eine Sternstunde der Wissenschaft, als Novartis im August 2017 als erstes Unternehmen überhaupt die US-Zulassung für eine Zelltherapie bekam: Kymriah, gentherapeutisches Verfahren zur Behandlung von leukämiekranken Kindern und jungen Erwachsenen, bei denen die etablierten Therapien nicht greifen.

Nun kommt die Innovation auch in die Schweiz, wie das Unternehmen mitteilt. Das schweizerische Heilmittelinstitut Swissmedic hat das Verfahren für die Behandlung von Kindern und jungen Erwachsenen bis zu 25 Jahren zulassen, die unter akuter lymphoblastischer B-Zell-Leukämie (ALL) leiden und bei denen etablierte Therapien wie Chemotherapien und Knochenmarktransplantationen nicht wirken. Es handelt sich dabei um schwerstkranke Kinder mit sehr schlechter Prognose. Zudem wird die Therapie für Erwachsene mit grosszelligem B-Zell-Lymphom verfügbar sein.

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Vollständig individualisiert

Bei Kymriah handelt es sich um ein vollständig individualisiertes zelltherapeutisches Verfahren. Den leukämiekranken Patienten werden Blutzellen entnommen und derart gentechnisch modifiziert, dass sie in der Lage sind, die Krebszellen zu töten. Danach werden die «Kampf»-Zellen wieder in den Blutkreislauf des Patienten zurückgegeben.

Für den Schweizer und den europäischen Markt arbeitet das Unternehmen für die Herstellung zunächst mit dem Fraunhofer Institut in Leipzig und mit der französischen Cell for Core zusammen. Das Unternehmen in der Nähe von Paris verfüge über sehr viel Erfahrung mit gentechnischen Verfahren, sagte Kay Moeller-Heske, General Manager für Onkologie von Novartis Pharma Schweiz, jüngst an einer Konferenz. Ab 2020 soll die Produktion im aargauischen Stein erfolgen. An welchen Spitälern die Behandlung verfügbar sein soll, ist ebenfalls noch offen. Klar ist, dass es Institutionen sein müssen, die über eine Zertifizierung für Stammzellentherapien verfügen. 

Preis gegen 400'000 Franken

Das Preisschild dürfte im Rahmen dessen liegen, was die Therapie im europäischen Ausland kostet. In Deutschland wird das Verfahren 320'000 Euro kosten. Die Verhandlungen mit dem Bundesamt für Gesundheit und den Krankenversicherern seien allerdings noch in Gang, heisst es von Novartis. Der ex-Factory-Preis liegt bei 370'000 Franken.

Deutlich höher sind die Vergütungen in den USA, wo Kymriah für die Behandlung von leukämiekranken Kindern mit 475'000 Dollar gelistet ist. Allerdings wird die Behandlung in den USA zumindest teilweise nur vergütet, wenn sich der Erfolg bestätigt. Darum dürfte das Unternehmen in der Realität weniger für die Behandlungen lösen. Novartis rechnet mit jährlich fünf Behandlungen bei Kindern in der Schweiz, bei den Erwachsenen ist die Zahl der Fälle noch unsicher.

Hoffnung für Patienten mit sehr schlechter Prognose

Die Therapie bringt Hoffnung für leukämiekranke Kinder und Erwachsene, für die sonst wenige Überlebenschancen bestehen. Von den 75 Kindern, die in der klinischen Studie einer Behandlung mit Kymriah unterzogen wurden, zeigten 81 Prozent eine vollständige Heilung innerhalb dreier Monate. Die Gesamtüberlebenswahrscheinlichkeit nach sechs und zwölf Monaten lag bei 90 Prozent, beziehungsweise 76 Prozent. Bei der Gruppe der erwachsenen Leukämiekranken lag die Gesamtansprechsrate bei 52 Prozent in den ersten drei Monaten. 40 Prozent der Patienten wurden wieder ganz gesund.

Novartis setzt grosse Hoffnungen auf CAR-T, das gentherapeutische Verfahren, das Kymriah zu Grunde liegt. Das Unternehmen hat mehrere Studien im Köcher und hofft, dass das Verfahren nicht bei Leukämie, sondern auch bei festen Tumoren wirken wird. Novartis zählt zu den wenigen Unternehmen, die auf die Karte CAR-T setzen. Andere Unternehmen glauben, dass sich mit sogenannten Checkpoint-Inhibitoren – also Molekülen, welche dafür sorgen, dass der Krebs das körpereigene Immunsystem nicht lahmlegen kann – gleich gute Erfolge erzielen lassen.