Schlaf ist für Menschen und Tiere so überlebensnotwendig wie Luft und Wasser. Trotzdem gilt es in der westlichen Gesellschaft geradezu als chic, möglichst wenig zu schlafen. Durchschnittlich ruhen wir heute rund zwei Stunden weniger als noch vor 100 Jahren; nämlich noch rund 7 Stunden. Realisierbar wurde dieses Verkürzen der Schlafzeit durch die Erfindung des elektrischen Lichts. Die Glühlampen haben es möglich gemacht, den Arbeitstag künstlich zu verlängern.
Doch damit nicht genug: Immer öfter brüsten sich Politiker und Manager damit, sogar mit weniger als 5 Stunden Schlaf auszukommen, etwa Bundesrat Chris-toph Blocher oder der Schweizer Uno-Botschafter in New York, Peter Maurer. Teils wird aktiv dem natürlichen Schlafbedürfnis entgegengesteuert. Mit Hilfe eines Psychologen hat beispielsweise UBS-Verwaltungsrätin Gabrielle Kaufmann-Kohler ihre Schlafzeit um 2 bis 3 Stunden reduziert.
Volkswirtschaftliches Problem
Das Bewusstsein für Schlafmangel ist besonders bei Managern klein, denn Time ist Money. So hat sich etwa die Schweizerische Managementgesellschaft gemäss Geschäftsführer Luc Estapé noch nicht mit dem Thema auseinander gesetzt. Dabei gäbe es genug Gründe, sich mit dem grassierenden Schlafmanko zu befassen.
«Tendenziell schläft unsere Gesellschaft zu wenig. Das ist nicht zuletzt ein volkswirtschaftliches Problem, weil die Leistungsfähigkeit bei Schlafmangel absinkt», stellt Christian Cajochen fest. Er ist Schlafforscher und Leiter des Zentrums für Chronobiologie an der Universität Basel.
Laborversuche zeigen, dass bereits ein Schlafmanko von einer halben Stunde täglich die Reaktionsfähigkeit einschränkt, und zwar massiv. «Bereits nach zwei Wochen sind die Probanden so unaufmerksam wie nach einer Freinacht», sagt Christian Cajochen.
Konkret: Der Schlafmangel ist vergleichbar mit 0,8‰ Alkohol im Blut. Besonders verheerend: Die Versuchspersonen realisierten ihre Einschränkungen nicht. Sie fühlten sich subjektiv fit.
Wenig Schlaf macht dick
Ein längerfristiges Schlafmanko wirkt sich nicht nur auf die Aufmerksamkeit aus. Es verringert auch die Gedächtnisleistung, da das Hirn im Schlaf Wissen speichert. Ausserdem wird chronischer Schlafmangel mit einem vierfach erhöhten Risiko für Depressivität assoziiert. Schliesslich steigt das Risiko für Übergewicht:
Experten vermuten, dass Schlafmangel den Grundumsatz senkt, indem er den Glukose- und Hormon stoffwechsel durcheinander bringt. In direktem Zusammenhang steht deshalb auch ein erhöhtes Risiko,
Diabetes zu entwickeln. «Letztlich erhöht permanenter Schlafmangel auch den Stress, sodass weitere organische Schäden eintreten können wie beispielsweise eine verminderte Immunabwehr», sagt Cajochen. Im Extremfall führen Schlafentzug beziehungsweise Schlafstörungen sogar zum Tod – so etwa bei der letalen familiären Insomnie. Bei dieser erblichen Erkrankung können Betroffene gar nicht mehr schlafen.
Ohne Wecker aufwachen
Bis heute existieren nur Hypothesen, warum Lebewesen überhaupt ruhen müssen. Als mögliche Funktionen des Schlafes führt die Wissenschaft etwa die Erholung von Organen oder das Verarbeiten von Erlebnissen der Wachphase an. Erwiesen ist, dass das Schlafbedürfnis individuell verschieden ist und stark von Person zu Person schwankt: Es gibt also keine absolut richtige Schlafdauer. Ebenso gibt es Menschen, die eher am Morgen aktiv sind, und solche, die in der Nacht leistungsstark sind.
Allen Menschen gemeinsam ist, dass in der Ruhezeit Puls, Atemfrequenz und Blutdruck absinken sowie viele motorische und sensorische Nervenzellen für höhere Hirnfunktionen blockiert sind. Während des Schlafens wechseln sich ruhige Phasen des Tiefschlafs und unruhige mit starken Augenbewegungen sowie häufigem
Träumen ab. Diese Zyklen wiederholen sich fünf- bis sechsmal pro Nacht.
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«Dass man genug geschlafen hat, merkt man, wenn man ohne Wecker aufwacht und nicht unter Tagesmüdigkeit leidet», sagt Cajochen.
Nicht immer ist es allerdings möglich, ausreichend zu schlafen. Das ist keine Katastrophe, solange daraus keine Gewohnheit wird. Gelegentlicher Schlafmangel ist gut nachholbar. «Es ist nicht so, dass das kumulierte Manko nachgeschlafen werden muss. Um wieder fit zu werden, genügt es, am Wochenende zwei bis drei Nächte etwas mehr zu schlafen», so Cajochen. Und grundsätzlich gilt: Mit solchen Nachschlafaktionen kann der Körper einzelne sporadisch durchgearbeitete Nächte besser verarbeiten als den Mangel, der entsteht, wenn jede Nacht eine Stunde Schlaf gefehlt hat.
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«Als meine drei Kinder klein waren, wurde die Zeit für alles einfach zu knapp. Ich wollte Zeit für die Familie haben, und gleichzeitig konnte ich mir nicht vorstellen, meine Karriere aufzugeben. Ich wusste nicht, wie ich beides schaffen könnte. Deshalb habe ich mein Schlafpensum mit Hilfe eines Psychologen von acht auf fünf bis sechs Stunden reduziert. Am Anfang stand hinter diesem Schritt pure Notwendigkeit. Heute ist es für mich normal geworden, wenig zu schlafen. Allerdings: Am Wochenende schlafe ich jeweils aus.»
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«Mir ist es sehr wichtig, ausreichend zu schlafen. Ich schlafe wirklich gerne genug. Das sind pro Nacht zwischen sechs und sieben Stunden. Wenn ich genug geschlafen habe, bin ich viel belastbarer. Auch fühle ich mich dann deutlich entspannter. Manchmal werde aber auch ich von einem Müdigkeitsschub eingeholt oder kann zu wenig schlafen. In solchen Augenblicken hilft es mir jeweils, ein Red Bull zu trinken. Ebenfalls wirkt bei mir ein sogenanntes Power Nap, also ein kurzes Nickerchen von ungefähr zehn Minuten Dauer.»
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«Ich sage: Ein guter Schlaf macht gute Laune. Darum ist mir Schlaf sehr wichtig. Ich schlafe sieben Stunden täglich tief. Danach gibt es eine halbe Stunde ‹inspiratives› Aufwachen. Wenn mich Müdigkeit trotz ausreichendem Schlaf übermannt, hilft mir Bewegung wie Stretching, Mini Soccer oder Pingpong. Ausserdem kriege ich mich durch stehendes Arbeiten am Computer wieder wach. Dafür habe ich einen Stehtisch. Stehend Sitzungen abzuhalten, ist ebenfalls nützlich. Präventiv wirkt ein viertelstündiges Nickerchen über Mittag.»
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«Ich achte sehr darauf, genug zu schlafen, weil mir das sehr wichtig ist. Wenn ich längere Zeit zu wenig Schlaf gehabt habe, bemerke ich, dass ich weniger leistungsfähig bin. Darum schlafe ich unter der Wo-
che rund sechs Stunden. An den Wochenenden schlafe ich pro
Tag je etwa neun Stunden. Natürlich kommt es ab und zu vor, dass ich müde bin. In solchen Momenten hilft mir Sporttreiben. Ansonsten lässt sich die Müdigkeit natürlich beheben, indem der notwendige Schlaf nachgeholt wird.»