Mit jeder Stunde rückt der Showdown beim Stahlhersteller Schmolz + Bickenbach (S + B) näher. Am Montag findet die Generalversammlung statt, an der die Aktionäre über die Zukunft entscheiden. Politiker mischen sich ein, die Finanzmarktaufsicht Finma muss sich dazu äussern. Eigentlich dreht sich alles um eine Kernfrage: Geht es hier um die Rettung eines angeschlagenen Stahlkonzerns? Oder geht es mindestens teilweise darum, dass ein Aktionär das Unternehmen übernehmen möchte?

Brisanz erhält der Fall nun durch ein Email, das in der Branche kursiert und HZ vorliegt. Es zeigt, welche Gedankenspiele die beiden grossen Aktionäre in letzter Zeit durchgegangen sind – hier Martin Haefner aus der Amag-Dynastie, dort Liwet mit Investor Viktor Vekselberg im Rücken. Das Email legt nahe, dass möglicherweise Geldfragen bei Aktionären für die aktuell verworrene Situation ausschlaggebend waren – und weniger die finanziell desolate Situation des Unternehmens. 

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Empfängerliste geschwärzt

Das Mail wurde offenbar von Jens Alder vor sechs Wochen verfasst. Alder ist Verwaltungsratspräsident von S + B und in dieser Funktion auf dem Papier verpflichtet, allen Aktionären zu dienen. An wen das Email gerichtet ist, bleibt offen, da die Empfängerliste geschwärzt ist. In der Sache geht es um die Vorschläge von Martin Haefner respektive seiner Investmentgesellschaft Bigpoint, wie nun weiter vorgegangen werden soll.

Schmolzmail
Quelle: HZ

Offenbar gab es im Poker um Schmolz + Bickenbach eine erste Phase und eine zweite Phase. In der ersten Phase wurde ein öffentliches Übernahmeangebot diskutiert. In diesem Kontext scheint Liwet möglicherweise bereit gewesen zu sein, ihre Anteile an Haefner zu verkaufen. Jedenfalls existierte laut Alders Worten ein Entwurf von Liwet über eine «aufgeschobene Verkaufsübereinkunft».

Doch Bigpoint schlug einen anderen Zugang vor, jenen über eine Kapitalerhöhung. Alder referiert die Pläne von Haefners Team mit den Worten: «Bigpoint bevorzugt es, eine öffentliche Übernahme zu vermeiden und stattdessen die Mehrheit direkt im Kontext einer Kapitalerhöhung zu erreichen.» Konkret wollte sich Bigpoint demnach in einem ersten Schritt mit Liwet vertraglich darauf einigen, deren Aktien an S + B zu einem späteren Zeitpunkt abzukaufen und gleichzeitig eine Garantie zu erhalten, dass Liwet nicht an der Kapitalerhöhung teilnehmen würde. Über die Kapitalerhöhung würde Bigpoint so zum stärksten Aktionär.

Entweder – oder

Im Raum stand also eine Wahl: ein öffentliches Übernahmeangebot oder eine Kapitalerhöhung. Alder schreibt in seinem von seinem Alpiq-Account verschickten Mail, warum die Haefner-Seite die Variante Kapitalerhöhung bevorzugt: «Durch das Vermeiden einer öffentlichen Übernahme reduziert Bigpoint substanziell die Geldmittel, die nötig sind, um die Kontrolle zu erlangen.» Es ging also möglicherweise um den Preis für Haefner und nicht schwergewichtig um den Mittelbedarf der Gesellschaft. Zumindest legt dies das Email vom 14.10.2019 nahe. Seither hat sich die finanzielle Lage von S + B zwar eher verschlechtert, aber grundsätzlich neue Entwicklungen gab es nicht, die nicht schon Mitte Oktober absehbar gewesen wären. 

Klar ist aber ebenso, dass Firmenübernahmen via öffentliches Angebot meist teurer sind als via Kapitalerhöhungen ohne Angebotspflicht. Das akzentuiert sich im Fall S + B. Hier fiel der Aktienkurs stark, und Haefner müsste den Aktionären wegen der Best-Price-Rule einen höheren Kurs anbieten als jener, zu dem die Aktie heute an der Börse gehandelt wird.

Aus Alders Mail geht auch hervor, dass Bigpoint glaubte, von regulatorischer Seite, also von der Übernahmekommission, drohe kein Einspruch: «Bigpoint ist der Meinung, dass das Takeover Board dieser Lösung zustimmen würde», fasst Alder Bigpoints Position zusammen. Für die Gesellschaft Liwet sollte sich materiell nichts ändern im Vergleich zur Variante einer öffentliche Übernahme (public take-over). Alder schliesst das Email mit der Bitte an die Emfänger, ihm bitte mitzuteilen, was sie vom Vorschlag halten.

Was die Finma davon hält, werden wohl die nächsten Tage zeigen. Sie prüft derzeit den Fall.