«Geld schiesst keine Tore», sagte einst der deutsche Fussballtrainer und -gelehrte Otto Rehagel, langjähriger Trainer in der Bundesliga und mit Griechenland 2004 Überraschungs-Europameister. Er wollte damit ausdrücken, wie wichtig all die anderen Dinge im Fussball sind, wie etwa Leidenschaft, Taktik, Charakter und auch Glück.
Wie falsch er doch lag, mag man denken, wenn heute Abend um 21 Uhr der Anpfiff zum diesjährigen Champions League-Final in Porto ertönt. Dort kämpfen dann die Fussball-Millionäre des FC Chelsea gegen die von Manchester City. Es geht um die renommierteste Trophäe des europäischen Clubfussballs, wahrscheinlich ist es sogar weltweit der bedeutendste Club-Pokal.
Im Sold zweier Milliardäre
In ihren kurzen Hosen stehen die Spieler im Sold von zwei Milliardären: City Eigentümer Scheich Mansour aus Abu Dhabi ist rund 20 Milliarden Franken schwer und weltweit der reichste Clubbesitzer, das Vermögen von Russen-Oligarch Roman Abramowitsch wird auf etwa 12 Milliarden Franken geschätzt, damit ist er die Nr. 5 der weltweiten Fussball-Club-Eigentümer.
Nur Dietrich Mateschitz (RB Leipzig/Nr.2), die Agnelli Familie (Juventus Turin/Nr. 3) und Dietmar Hopp (Hoffenheim/4.) stehen im Ranking vor ihm.
Der Vorreiter: Abramowitsch
Abramowitsch war für viele Milliardäre ein Vorreiter im Fussballbusiness. Er übernahm den FC Chelsea bereits 2003 für rund 210 Millionen Euro und steckte mittlerweile etwa 1 Milliarde Franken in den Verein, hauptsächlich über Ablösesummen und Gehälter.
Allerdings wird der Wert des Clubs inzwischen auf über 2 Milliarden Franken geschätzt. Durchaus kein schlechtes Investment des Russen, der im Öl-Handel das grosse Geld verdient hat.
Der 53-jährige Milliardär ist heute zudem der grösste Aktionär von Evraz, Russlands zweitgrösstem Stahlhersteller, und besitzt laut Bloomberg auch Anteile am weltweit grössten Produzenten von raffiniertem Nickel.
«Neben dem FC Chelsea gönnt sich Abramowitsch auch die ein oder andere Annehmlichkeit. Anwesen rund um die Welt, Luxusautos, Flugzeuge, Kunstwerke und mehrere Megayachten.»
Stammgast auf der Tribüne
Beim FC Chelsea scheint Abramowitsch echte Leidenschaft für den Club – er ist Stammgast auf der Tribüne – mit seinem Geschäftssinn zu verbinden. Wenn man ihn im Stadion bei Heimspielen seines Clubs beobachtet, meint man zu spüren, dass er ein wahrer Chelsea-Fan ist.
Gleichzeitig hat er eine der besten Fussballmanagerinnen als Sportdirektorin installiert: Marina Granovskaia. Sie gilt weltweit als mächtigste Frau im Fussball, arbeitet seit 23 Jahren für den Chelsea-Besitzer und gilt als dessen engste Vertraute.
Ihre berufliche Laufbahn startete Granovskaia in Abramowitschs Ölkonzern, seit 2013 ist sie offiziell Direktorin des FC Chelsea. Andere Clubs fürchten ihre harten Verhandlungen bei Spielertransfers.
Sie sorgt dafür, dass bei Chelsea trotz der Millionenausgaben die Zahlen stimmen. Im vergangenen Geschäftsjahr (2019/2020) betrug der Gewinn des FC Chelsea knapp 42 Millionen Franken.
«The Roman Empire»
Neben dem FC Chelsea gönnt sich Abramowitsch auch die ein oder andere Annehmlichkeit. Anwesen rund um die Welt, Luxusautos, Flugzeuge, Kunstwerke und mehrere Megayachten. Das Wall Street Journal nannte seine eindrucksvolle Sammlung von Besitztümern in Anspielung auf seinen Vornamen «The Roman Empire».
Sein neustes Spielzeug soll in wenigen Wochen bereit sein. Für rund eine halbe Milliarde Franken hat er sich eine weitere Super-Jacht anfertigen lassen: «Solaris» ist rund 140 Meter lang und hat unter anderem 48 Kabinen, Pool, Helikopter-Landeplatz und ein Spa. Der Sommer kann kommen.
Politiker und Manager
Mit Roman Abramowitsch teilt sich der noch reichere Scheich Mansour die Vorliebe für Luxusautos, Privat-Jets und überdimensionale Yachten. Seine Yacht «Topaz» ist mit 147 Metern sogar 7 Meter länger als das neue Boot von Abramowitsch.
Allein die Unterhaltskosten inklusive der 79 Personen starken Besatzung für die «Topaz» betragen rund 50 Millionen Dollar – jährlich.
Ein Scheich setzt auf Fussball
Imposant sind auch die sportlichen Besitztümer von Sheikh Mansour bin Zayed Al Nahyan, der nicht nur Geschäftsmann, sondern als Politiker auch stellvertretender Premierminister der Vereinten Arabischen Emirate ist.
Nach seinem Einstieg bei Manchester City im Jahre 2008 erwarb Scheich Mansour weitere Sport-Assets: Die City Football Group von Scheich Mansour besitzt den Melbourne City FC und den 2015 gegründeten New York City FC.
Ausserdem besitzt er einen Anteil am chinesischen Zweitligisten Sichuan Jiuniu FC und plant Berichten zufolge, in ein indonesisches Team zu investieren. Die Investments muss man sich leisten können, allein in Manchester City investierte er rund 1,6 Millionen Franken.
Vielfältige Geschäftsinteressen
Das Business-Portfolio von Scheich Mansour, der aus der Königsfamilie von Abu Dhabi stammt, ist vielfältig: Über seine Investmentgesellschaften besitzt er einen 32-prozentigen Anteil an Virgin Galactic, dem kommerziellen Weltraumtourismus-Unternehmen des britischen Tycoons Richard Branson, er hält rund 9 Prozent Aktien am deutschen Automobilkonzern Daimler sowie Anteile der Barclays Bank.
Zu Hause leitet er die Abu Dhabi Media Investment Corporation (ADMIC), ein Medienimperium, das in Partnerschaft mit dem britischen Sky Broadcasting den Sender Sky News Arabia betreibt.
Mansour ist ausserdem Vorsitzender der International Petroleum Investment Company (IPIC), einer Einrichtung, die 1984 von der Regierung Abu Dhabis gegründet wurde, um durch Investitionen ausserhalb der Ölindustrie die Zukunft des Landes und seiner Bürgerinnen und Bürger zu sichern.
Imagekampagne für Abu Dhabi
Während bei Abramowitsch Leidenschaft für den Fussball ein wesentlicher Antrieb für sein Engagement bei Chelsea zu sein scheint, stehen bei Scheich Mansour wohl eher politische und wirtschaftliche Motive im Vordergrund.
Der englische Guardian vermutet, dass der Scheich Manchester City als Sprungbrett nutzt, um den Fussball am Golf zu verbessern und das internationale Ansehen der Vereinigten Arabischen Emirate zu steigern sowie sein Netzwerk auszubauen. Im Stadium wird der Scheich so gut wie nie gesehen.
Professionelles und weitsichtiges Management
In England beherrschen City und Chelsea trotz grosser, traditioneller Clubs wie Manchester United, Liverpool und Arsenal die letzten zehn Jahre der englischen Liga. Zusammen haben sie sieben der letzten zehn Premier-League-Titel gewonnen und liegen in Bezug auf die Anzahl der gewonnenen Trophäen in diesem Zeitraum mit deutlichem Abstand an der Spitze.
Zweifellos haben die beiden Milliardäre ihre finanziellen Möglichkeiten genutzt, um einige der besten Spieler der Welt an die Stamford Bridge (Chelsea) beziehungsweise ins Etihad Stadium (Manchester) zu locken, aber auch andere Vereine haben vergleichsweise viel Geld für Spieler ausgegeben und konnten nicht mit den Erfolgen von Chelsea und City mithalten.
Bei beiden Vereinen wurden die Investitionen auf dem Spielfeld durch hohe Ausgaben hinter den Kulissen ergänzt - wie beispielsweise die Rekrutierung der besten Trainer.
Viel Geld für den Fussballer-Nachwuchs
Aktuell sind es Josep Guardiola bei City und Thomas Tuchel bei Chelsea. Darüber hinaus verfügen die Clubs über zahlreiche Experten für Ernährung, Gesundheit und Organisation sowie ideale Trainingseinrichtungen und Infrastruktur, alles, um die Leistungen der Spieler zu optimieren.
Viel Geld wird auch in die Jugendarbeit investiert, um Talente aus aller Welt frühzeitig an den Club zu binden und schrittweise an das Profiteam heranzuführen.
Nach einer Analyse des Sport-TV-Riesen ESPN sind Chelsea und Manchester City in ihrer Jugendarbeit Lichtjahre von anderen Premierclubs entfernt. Beide Clubs verfügen über so viele Talente, dass sie diese an Tochter- und Partner-Clubs verleihen, damit die jungen Spieler Spielpraxis in anderen Ligen bekommen. In 2020 waren bei City 32 Jugendspieler verliehen, bei Chelsea 24.
Viel Geld gegen noch mehr Geld
Wenn Geld doch Tore schiesst, so wie die beiden Clubs es in den letzten Jahren bewiesen haben, schiesst dann noch mehr Geld noch mehr Tore und Manchester City gewinnt zum ersten Mal die lange ersehte Champions League?
Denn das hat der «ärmere» Abramowitsch dem Scheich voraus. Der FC Chelsea gewann bereits 2012 den Final gegen Bayern München, mit dem in Schaffhausen geborenen Trainer Roberto di Matteo.
Das Ende scheint wirklich offen zu sein, auch wenn Manchester City nach der glänzenden Season als Favorit ins Match geht. Zuletzt standen sich beide Clubs Mitte April im Halbfinale des FA Cups in England gegenüber. Damals siegte Chelsea 1:0. Es wird spannend.