Siemens-Chef Joe Kaeser will sich offenbar nicht mit einer Fusion der Schweizer Sulzer mit dem US-Unternehmen Dresser-Rand abfinden. Insidern zufolge hadern die Spitzengremien der Münchner mit dem geplanten Zusammenschluss des lange umhegten US-Spezialisten für Öl- und Gastechnik mit den Eidgenossen. Nach Berichten von «Manager Magazin» und «Financial Times» erwägt Siemens mit einem Angebot von über sechs Milliarden Dollar der Schweizer Konkurrenz in die Quere zu kommen. Siemens selbst wollte sich dazu nicht äussern. Am Mittwoch tagt der Aufsichtsrat des Konzerns.
Wie «Manager Magazin» und «Financial Times» unter Berufung auf Verhandlungskreise weiter berichteten, würde Kaeser je Dresser-Aktie über 80 Dollar auf den Tisch legen. Siemens hatte Kennern zufolge immer wieder mit den Amerikanern verhandelt, war vor einer Übernahme angesichts des hohen Preises bisher aber zurückgeschreckt. Börsianer nahmen eine mögliche Übernahmeschlacht zum Anlass, sich mit Dresser-Papieren einzudecken, die Titel legten um gut elf Prozent zu. Die Sulzer-Anteile verloren indes fünf Prozent.
Eine Sulzer-Sprecherin bekräftigte, ihr Haus führe keine exklusiven Verhandlungen mit den Amerikanern. «Für beide Seiten sind damit keine Optionen ausgeschlossen», sagte sie. Sulzer - mit dem ehemaligen Siemens-Chef Peter Löscher an der Spitze des Verwaltungsrats - hatte am Donnerstag Fusionsverhandlungen mit dem US-Konzern verkündet und für das Vorhaben viel Lob erhalten. Dresser-Rand und Sulzer zählen beide die Öl- und Gasbranche zu ihren wichtigsten Kunden. Während die Amerikaner Turbinen und Kompressoren herstellen, sind Pumpen das Hauptgeschäft des Unternehmens aus Winterthur.
«Es ist eine verzwickte Situation»
Analysten sprachen von einer «perfekten Ehe», sollten sich die beiden in etwa gleich grossen Firmen im Zuge eines Aktientauschs zusammenschliessen. Siemens-Chef Kaeser hatte Dresser-Rand als eine von mehreren interessanten Firmen in Übersee genannt. Der Manager will sein Haus stärker als Lieferant der boomenden Öl- und Gasindustrie in Nordamerika etablieren und hat dafür auch Zukäufe in Aussicht gestellt. Um dort zu reüssieren, verlegt er eigens die Zentrale seiner Energiesparte in die USA.
Abgesehen vom Preis sei Dresser-Rand schon seit längerem ein Traum-Übernahmeziel, hiess es aus dem Siemens-Umfeld. «Es ist eine verzwickte Situation», sagte ein Kenner der Situation. Im Kapitalmarkt wird gemutmasst, bei den Übernahmespekulationen könnte es sich um ein letztes Signal der Dresser-Rand-Spitze an Siemens handeln, jetzt im letzten Moment zuzuschlagen oder für immer zu schweigen.
Sollte sich Sulzer gegen Kaeser durchsetzen, würde Löscher über seinen langjährigen Finanzchef und internen Rivalen bei Siemens zumindest in einer Schlacht triumphieren. Und der Österreicher hat einen Startvorteil: Die vom russischen Milliardär Wiktor Wekselberg dominierte Sulzer-Mutter Renova hat sich bereits knapp fünf Prozent der Dresser-Anteile gesichert, wie die Holding am Freitag mitteilte.
(reuters/ccr)