Das irische Familienunternehmen Smyths Toys Superstores hat grünes Licht aus den USA bekommen. Ein Konkursgericht im Bundesstaat Virginia, das den Pleite gegangenen US-Spielwaren-Giganten Toys'R'Us abwickelt, hat der Übernahme von Toys'R'Us Central Europe mit Sitz in Köln durch Smyths zugestimmt. Was Ende April angekündigt worden war, wird nun Realität. Konkret: Die 93 Filialen von Toys'R'Us in Deutschland, Österreich und in der Schweiz – hierzulande sind es aktuell zehn Läden, mit Ausnahme von Lausanne alle in der Deutschschweiz – gehören nun den vier irischen Brüdern Tony, Pádraig, Liam und Tom Smyth.
Die Vier haben in den letzten dreissig Jahren ein veritables Wirtschaftswunder vollbracht. Aus einem kleinen Kiosk in der westirischen Kleinstadt Claremorris, der neben den üblichen Kioskartikeln auch ein paar Spielsachen verkauft hat, haben sie einen multinationalen Spielwarenhändler gemacht, der in Irland und Grossbritannien klarer Marktführer ist und nach dem jüngsten Übernahme-Coup auch in Kontinental-Europa zu den Grossen zählt.
Umsatzzahlen publizieren die Smyth-Brüder keine. Sie sind ähnlich öffentlichkeitsscheu wie die deutschen Discount-Dynastien Albrecht (Aldi) und Schwarz (Lidl). Schätzungen zufolge dürfte das irische Toy-Familienimperium nach der Eingliederung der Filialen in Deutschland, Österreich und in der Schweiz umgerechnet plus minus 1,2 Milliarden Franken umsetzen.
Klare Verhältnisse
Im Vergleich zu den rund 12 Milliarden Dollar, welche Toys'R'Us zu seinen besten Zeiten in den früher 2010er-Jahren erwirtschaftete, erscheint das zwar als wenig. Aber: Smyths Toys macht mehr als doppelt so viel Umsatz wie alle Marktteilnehmer im Schweizer Markt zusammen. Und Franz Carl Weber, das Schweizer Traditionshaus für Spielwaren, dessen französische Muttergesellschaft Ludendo Anfang März in Paris unter Gläubigerschutz gestellt wurde, kommt gemäss GfK-Schätzungen auf knapp 60 Millionen Franken Umsatz. Toys'R'Us hat in der Schweiz gemäss den gleichen Schätzungen knapp 90 Millionen Franken in der Schweiz umgesetzt.
Obwohl also die Grössenverhältnisse klarer nicht sein könnten, wird die Eroberung der Schweizer Kinderzimmer für die Smyths-Brothers kein Spaziergang. Das weiss auch Detlef Mutterer, Geschäftsführer von Toys'R'Us Central Europe. Er sagt: «Es wird überhaupt nicht einfach, das ist uns klar. Aber wir wollen eine Wachstumsstory schreiben – im E-Commerce und im Filial-Geschäft.» Demnächst eröffnet Mutterer im Winterthurer Einkaufsquartier Grüze den elften Laden in der Schweiz.
Mutterers Aufgabe wird es sein, Smyths Toys unter anderem in der Schweiz zu etablieren. Drei Dinge werden ihm das erleichtern, zwei allerdings erheblich erschweren.
Irische Expansionsprofis
Mutterer spielt in die Hände, dass sein neuer Arbeitgeber weiss, wie man international expandiert. Nordirland und England jedenfalls haben die Iren schnell erobert und zeitweise fast in monatlichem Rythmus neue Filialen eröffnet. Die deutschsprachigen Märkte kennen sie zwar nicht, zählen aber auf das profunde Marktwissen der übernommenen Toys'R'Us-Leute. Die Amerikaner haben in Deutschland zur gleichen Zeit angefangen wie die Smyths in Irland. Hinzu kommt: Das Gros des Sortiments in einem Spielwarenladen ist in Dublin oder Manchester gleich wie in Hamburg oder Spreitenbach: Barbies, Legos und Carrera-Bahnen sind in all diesen Märkten verkaufsstarke Produkte. Kurz: Smyths muss seine Waren-Welt in der Schweiz nicht neu erfinden, Lieferantenbeziehungen zu den Mattels und Hasbros dieser Welt sind bereits etabliert.
Positiv für die Smyths-Brüder und Matterer ist auch, dass sie zu einem guten Zeitpunkt in die Schweiz kommen. Obige Grafik verdeutlicht es: Der Schweizer Spielwarenmarkt wächst. Gemäss den Daten der Marktforscher von GfK wurden letztes Jahr 470 Millionen Franken mit Puppen, Puzzles und Playmobil umgesetzt – so viel wie seit fast zwanzig Jahren nicht mehr. Im Klartext: Anbietern, die einen vernünftigen Job machen, bietet der Schweizer Markt Chancen. Es ist kein reiner Verdrängungswettbewerb im Gang.
Ein gemachtes Nest
Ausserdem setzen sich Tony, Pádraig, Liam und Tom Smyth in ein gemachtes Nest. Wie aus Unterlagen, die dem US-Konkursgericht im Zuge der Übernahme eingereicht werden mussten, ersichtlich ist, arbeitete Toys'R'Us Central Europe in den letzten Jahren deutlich profitabel. Wie Berichte im deutschen Handelsregister zeigen, setzte das Unternehmen im Geschäftsjahr 2016/17 gut 360 Millionen Euro um und erwirtschaftete 15,5 Millionen Euro Gewinn. Das ergibt eine Reingewinn-Marge von 4,3 Prozent – und eine solche gilt im Detailhandel als ausgezeichnet. Migros und Coop etwa kommen nur auf rund die Hälfte. Kurz: Smyths übernimmt keinen Sanierungsfall, sondern ein performendes Unternehmen.
Mutterer grösstes Problem wird sein, dass Smyths Toys als Unternehmen und Marke in der Schweiz völlig unbekannt ist. Er will die Toys'R'Us-Läden deshalb nicht in einer Hauruck-Aktion in Smyths unbenennen. «Wir werden das diesjährige Weihnachtsgeschäft noch als Toys'R'Us bestreiten», sagt Mutterer. Danach aber werden die Filialen zu Smyths umbenannt. «Als die Brüder Smyth nach England expandierten, wussten die Briten noch nicht einmal, wie sie den Namen aussprechen sollten. Das Unternehmen war genau so unbekannt wie heute in Deutschland und der Schweiz. Acht Jahre später war Smyths in Grossbritannien Marktführer.»
Dennoch: Smyths in der Schweiz als Adresse für Spielwaren zu etablieren, erfordert erhebliche Investitionen. Wie schnell ein im Ausland marktführendes Unternehmen mit einer hierzulande nicht verankerten Marke untergehen kann, zeigt das Beispiel OVS eindrücklich. Kaum hatten die Italiener ihre Läden umgebaut, mussten sie auch schon Insolvenz anmelden.
Spielwaren sind überall
Dass Spielwaren heutzutage sozusagen omnipräsent sind, wird Mutterer den Start mit Smyths ebenfalls erschweren. Die Branche wird ohnehin längst nicht mehr von Fachhändlern wie Franz Carl Weber oder Fachmärkten wie Toys'R'Us dominiert, sondern von Supermärkten und Warenhäusern. Migros, Coop und Manor verkaufen mehr Spielzeug als der Fachhandel. Zudem mischen auch Baumärkte, Kioske und Buchandlungen in dem Geschäft mir. Im E-Commerce ist es ähnlich: Ob Digitec, Brack, Wish oder Weltbild: Fast jeder Online-Shop buhlt heute auch mit Spielwaren um Kunden. Diese davon zu überzeugen, bei einem zu Beginn unbekannten Laden wie Smyths einzukaufen, wird harte Arbeit.
Die Smyth-Brüder haben 79 Millionen Euro, also gut 90 Millionen Franken, für Toys'R'Us Central Europe bezahlt. Gemäss Gerichtsdokumenten entfiel vom Kaufpreis der Löwenanteil von 69 Prozent für das Geschäft in Deutschland an: rund 60 Millionen Franken. Für die Läden in Österreich mussten die Iren 10 Millionen hinlegen, für den Ableger in der Schweiz rund 20 Millionen Franken. Die Übernahme lief unterdem Namen «Project Elf». Weiter zeigen die Gerichtsdokumente, dass die Smyth-Brüder die einzigen Bieter für Toys'R'Us Central Europa waren. Insgesamt hatte die Investmentbank Lazard über 90 potenzielle Interessenten kontaktiert.