Das Hauptquartier befindet sich unweit des Campus in einer alten Jugendstilvilla, in der auch die St. Galler Stiftung für Internationale Studien ihren Sitz hat. Es ist 7.30 Uhr, die übliche Zeit zum Auftakt für einen langen Tag, der für die meisten der 24 Mitglieder des International Students’ Committee (ISC) erst gegen Mitternacht enden wird.
Erster Eindruck: Die jungen Leute sind nicht nur pünktlich, sondern auch schon hellwach. Dabei haben sie derzeit einiges auf dem Buckel. Das Studium muss «low key» gefahren werden. Später ist im Gespräch zu erfahren, dass es wenigstens eine Gnadenfrist für die Prüfungen gibt: Sie dürfen auf die zweite Jahreshälfte verschoben werden - ansonsten erhalten die ISC-ler keinen Rappen. Dabei hat ihre Arbeit gleich nach Abschluss des letzten St. Gallen Symposium begonnen, also vor gut elf Monaten. Und weil das Studium an der HSG als eines der härtesten gilt, lässt sich leicht vorstellen, welcher Doppelbelastung ausgesetzt ist, wer hier freiwillig mitmacht.
Das «feu sacré» neu entfachen
Die Leitung des Gremiums - ebenfalls nur Studierende - hat, neben unzähligen Führungsaufgaben noch eine speziell schwierige: Mit ganz wenigen Ausnahmen ist die Zusammensetzung des Komitees jedes Jahr komplett neu, sei es, weil das Studium der früheren Mitglieder abgeschlossen oder so weit fortgeschritten ist, dass keine Milizarbeit mehr drin liegt, oder weil ein Stipendium ins Ausland lockt. «Es gilt, das ‹feu sacré› immer wieder neu zu entfachen», sagt Dominic Baumann vom OK.
Der Tag beginnt mit einem Rapport aus den verschiedenen Ressorts. Man stelle sich das einmal vor: Die ISC-ler sind von A wie Abholen der VIP bis Z wie Zusammenräumen verantwortlich. Damit nicht genug: Sie mussten zuvor auch noch alle Kontinente abklappern, um persönlich bei den hohen Tieren für ihre Idee zu werben, ein Symposium zu beehren, das von Studenten organisiert wird.
Unnötig zu sagen, dass sie dabei die unterschiedlichsten Eindrücke mit nach St. Gallen brachten. Einen nicht gerade leichten Stand hatte Can Schnigula: Er musste Regionen im Fernen Osten beackern, wo die HSG kaum bekannt ist. Auch er - wie viele vor ihm - machte die bittere Erfahrung, dass es nicht leicht ist, als Student in das Büro eines CEO oder Ministers vorzudringen. Etwas weniger schwierig war es für Livia Höhener. Ihr wurden die nordischen Länder zugeteilt, wo man die HSG und ihr hohes Ranking bestens kennt. Gleiches gilt für ihre Kollegen, die in den Nachbarländern unterwegs waren.
Eine Hürde blieb für alle gleich: Sie mussten potenzielle Referen-ten darüber orientieren, dass sie um «Gotteslohn» auf den St. Galler Rosenberg kommen müssen. Wahrscheinlich hat ihnen der Satz vom Gründer der Veranstaltung, Wolfgang Schürer, geholfen: «Wenn Sie zu mir nein sagen, dann sagen sie zu einer Idee nein.»Diese Idee begründete das St. Gallen Symposium. Man schrieb das Jahr 1968, Studierende zogen es vor, ihre Argumente auf der Strasse und mit Steinen vorzutragen. An der HSG bildete sich eine kleine Gruppe um Wolfgang Schürer und den legendären Professor Francesco Kneschaurek, der sein Studium seinerzeit als Barpianist verdient hatte. Es wurde beschlossen, den Dialog mit den Leuten aus Wirtschaft und Politik zu suchen. Dabei ist es bis heute geblieben. Die Studenten organisieren, chauffieren und servieren nicht nur, sie disputieren auch mit den Persönlichkeiten aus aller Welt.
Doch so weit ist es noch nicht. An diesem Morgen werden ganz praktische Traktanden diskutiert. Wo werden die Ess- und Trinkvorräte zwischengelagert? Moritz Werner hat eine gute Nachricht: Es konnte ein Vertrag mit den Betreibern der AFG-Arena abgeschlossen werden. Laurent Mager, der sich unter anderem um die Infrastruktur - etwa Zelte, WC, Küchen - befasst, mahnt, das vom Weiterbildungszentrum ausgeliehene Material nach dem Aufräumen ja nicht mit dem hauseigenen zu vermischen. Matthias Bitzer wird gebeten, nochmals einen Effort zu leisten, um Betten für eingeladene ausländische Studenten zu finden. Annika Kienzle hat gerade einen günstigen Vertrag mit der national bekannten Bäckerei Schwyter, die das ISC auch am Symposium als Sponsor unterstützt, abgeschlossen, die Brot und Milch liefert. Aber es gibt noch viel zu tun.
Das lernt man nicht im Hörsaal
Und was lernen die Studenten als ISC-ler? Darin sind sie sich einig: Lauter Dinge, die man nicht im Hörsaal mitbekommt. Sie mussten sich auf Interviews mit «big shots» vorbereiten, allfällige Hemmungen abstreifen und zugleich ihre organisatorischen Aufgaben wahrnehmen. «Wir haben Kontakte zu Menschen gefunden, die wir sonst nie getroffen hätten», sagt etwa Enzo Wälchli. Claudia Rüegg findet es auch wichtig, dass man sich in einem bunt zusammengewürfelten Team zusammenraufen musste. Zum ständigen Wechsel meint sie: «Blutauffrischung tut jeder Organisation gut.» Das sollten sich auch Unternehmen zu Herzen nehmen … Dafür, dass diese Blutauffrischung gleich zu Beginn funktioniert, sorgen Dominic Baumann, Claudia Rüegg und Melanie Raouozeos, die als einzige das zweite Mal mit von der Partie sind.
Alle betonen sie, dass im Rahmen ihrer Arbeit gelernt wird, unter hohem Druck Leistungen zu erbringen. Von den drei Phasen - dem Auswerten der letzten Veranstaltung, dem Akquirieren, das gilt auch für Sponsoren, nicht nur für Referenten - beginnt die heisseste: Alle Aktivitäten überschneiden sich. Doch die Stimmung ist gut und die jungen Leuten fiebern auf den Tag, an dem ihre Gäste über den roten Teppich schreiten.