Nächste Woche schlägt der Puls bei Swisscom, Sunrise & Co. höher. Voraussichtlich am Donnerstag stellt der Bundesrat das revidierte Fernmeldegesetz (FMG) vor, wie das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) gegenüber der «Handelszeitung» bestätigt. Davon betroffen sind die meisten Firmen der Telekom-Branche, denn es geht um Netzzugang, Roaming-Gebühren und andere Reizthemen. Und damit um viel Geld.
Die Frage, die alle umtreibt, ist: Muss die Swisscom ihre Konkurrenten künftig auf ihre modernen Glasfaser- und Hybridnetze lassen? Und das zu regulierten Bedingungen? Oder gilt dieser regulierte Zugang weiterhin nur für das veraltete Kupfernetz, über das sich längst keine zeitgemässen Internet- und Fernseh-Angebote mehr vertreiben lassen? «Der Netzzugang wird Kern der Auseinandersetzungen im Parlament sein», sagt Jürg Aschwanden, Lobbyist beim Kabelnetzbetreiber UPC.
Sunrise muss neu mit Swisscom verhandeln
Allen voran macht sich Sunrise für eine Ausdehnung der Regulierung stark. Sie ist stark vom Zugang zu fremden Netzen abhängig, denn sie hat keine eigenen Hausanschlüsse. Sunrise hat daher vor ein paar Jahren einen Deal mit der Swisscom gemacht: Für 74 Millionen Franken hat sie sich in deren Netze eingekauft und darf seither auch schnelle Hybrid-Leitungen zu einem attraktiven Preis mieten. Darüber vertreibt sie dann ihr «Sunrise TV». Das macht sie gut. Swisscom-intern wird gelästert, Sunrise verkaufe ihr TV mittlerweile besser als der Staatskonzern sein eigenes.
Doch der Vertrag läuft bald ab, wie Sunrise gegenüber der «Handelszeitung» bestätigt. Er gilt noch ein paar Jahre, dann muss über die Konditionen der Verlängerung neu verhandelt werden. Und die Gespräche dürften harzig werden. Die Swisscom zeige sich derzeit hart in Verhandlungen, sagt ein Berater aus der Telekom-Branche. «Das führt zum Ruf nach mehr Regulierung.» Eines ist klar: Mit Regulierung kommt Sunrise billiger ins Swisscom-Netz als ohne. Selber möchte der Telekom-Konzern die Konditionen der Verlängerung nicht kommentieren.
Marktbeherrschende Unternehmen regulieren
Vermutlich präsentiert der Bundesrat eine indirekte Regulierung: Eingegriffen wird nur, wenn ein Anbieter eine marktbeherrschende Stellung in einem Teilmarkt hat. Für welche Netze oder Produkte das gilt, soll das Gesetz definieren.
In der Branche sind die Fronten gezogen: Auf der einen Seite steht die Swisscom, die sich dafür stark macht, dass das neue Gesetz gar nicht erst im Parlament beraten, sondern gleich zurückgewiesen wird. Sie weiss: Vermutlich wäre nur sie von einer Regulierung betroffen, nicht aber ihre Konkurrenten. Auf der anderen Seite stehen die anderen Telekomunternehmen – vor allem jene ohne eigene Netze.
Die Swisscom ist bereits heftig am lobbyieren. Sei es im Parlament, sei es bei den Medien. Jede Netzregulierung mindere die Investitionsanreize, lautet die von Swisscom-Lobbyist Stefan Nünlist gepredigte Kernbotschaft. Werden der Swisscom die Schrauben zu stark angezogen, verlegt sie keine neuen Kabel mehr.
Hybridnetze statt Glasfaser im Comcom-Modell
Dabei bremst die Swisscom längst selber. Noch vor ein paar Jahren herrschte landauf, landab Glasfaser-Euphorie: Sowohl lokale Stadtwerke, als auch die Swisscom begannen mit dem Bau von Netzen mit Glasfasern bis in die Wohnungen («fiber to the home», ftth). Auf sanften Druck durch den damaligen Präsidenten der Aufsichtsstelle Comcom, Marc Furrer, entstand so etwas wie ein halb reguliertes Modell, bei dem festgelegt wurde, wie die vier verbauten Glasfasern anderen Anbietern zur Verfügung gestellt werden sollen. So sollte Wettbewerb auf dem Netz entstehen. In einigen Städten wie Zürich oder Basel funktionierte das auch ganz gut.
Doch das Modell ist Vergangenheit. Seit 2013 investiere die Swisscom nicht mehr in Vierfaser-Netze, monieren die Konkurrenten. Auch die Swisscom gibt zu, dass sie auf der Bremse steht, und spricht von «zwei bis drei» Kooperationen, die pro Jahr dazu kämen.
Die Swisscom hat die Lust auf die teuren Glasfaser-Heimanschlüsse verloren und setzt auf billigere Hybridmodelle: Die Glasfasern werden nicht mehr bis in die Wohnungen gezogen, sondern nur noch bis möglichst nahe an die Häuser heran. Die letzten paar Meter bleiben aus Kupfer. Das ist zwar nicht ganz so gut, bringt aber dennoch einen deutlichen Gewinn an Internet-Bandbreite.
Die Swisscom bestimmt den Preis
Das Problem ist: Im Swisscom-Hybridnetz gibt es keine Konkurrenz wie bei der FTTH-Glasfaser. Gleichzeitig sind sie nicht reguliert wie die alten Kupferleitungen aus PTT-Zeiten. Die Swisscom ist frei, einen Preis für den Netzzugang zu definieren.
Auch die Kabelnetzbetreiberin UPC kämpft für einen leichteren Zugang zu fremden Netzen. Die Zeiten, in denen diese sich arrogant und autark gab, sind vorbei. UPC dockt sich heute nicht nur an Kabelnetze, sondern auch an Glasfasernetze an – teilweise sogar über die Swisscom, wie die HZ berichtete. In der Branche wird UPC als «sehr aktiv» beschrieben.
Gleiches gilt für Salt. Längst ist bekannt, dass der Mobilfunkbetreiber ein eigenes Festnetz-Angebot lancieren will. Erste Verträge hat er mit einzelnen Stadtwerken abgeschlossen. Doch für ein landesweites Angebot braucht es mehr. Und so forderte Salt in der Vernehmlassung zum neuen Gesetz offen eine direkte Regulierung des Zugangs auf Glasfaser-Netze ein. Die Absichten sind klar.
Unterstützung vom Land für die Swisscom
Im Parlament könnte es zu interessanten Koalitionen kommen: etwa zwischen Swisscom und den Berggebieten. Auf dem Land hat der Bundesbetrieb eine starke Stellung: Glasfasernetze gibt es meist nicht. Und die teilweise vorhandenen Kabelnetze lassen keine Konkurrenten aufs Netz. Sowohl Kunden als auch Drittanbieter sind stark von der Swisscom abhängig.
Schon lange fordern die Berggebiete auf politischem Weg mehr Leistung von der Swisscom: Das Stichwort heisst «Grundversorgung». So verlangt etwa die Motion des Bündner Nationalrats Martin Candinas (CVP), dass die Mindest-Bandbreite von 2 auf 10 Megabit angehoben wird.
Die Motion Candinas hat den Nationalrat passiert und kommt demnächst in den Ständerat. Ihr werden gute Chancen zugeschrieben. Signalisierte die Swisscom einst Ablehnung gegen die Forderung, gibt sie sich zunehmend konziliant. Gut möglich, dass sie versucht, die Politiker vom Land mit kleinen Geschenken milde zustimmen – und dass diese dafür gegen das neue Gesetz votieren.
Candinas selber dreht den Spiess um. «Die Swisscom hat einen Grundversorgungsauftrag», sagt er. «Wenn sie nicht gewollt ist, in dessen Rahmen auch auf dem Land zeitgemässe Angebote zu machen, gibt es keinen Grund mehr, weshalb sie von einem Schutz vor Wettbewerb profitieren sollte.»
Verbände kritisieren: Vernehmlassung nicht sauber durchgeführt
Unterstützung erhält Swisscom zudem von Verbänden, die sich bei der Vernehmlassung zum neuen Gesetz übergangen fühlen. Ursprünglich wollte der Bund das Gesetz in zwei Phasen revidieren. Er verschickte daher nur den ersten Teil der Vorschläge an Kantone und Interessenvertreter, die sich dazu äussern konnten.
Nach der Befragung, entschied der Bund sich dann aber, das ganze Gesetz aufs Mal zu ändern. Für die zweite Hälfte gab es keine Vernehmlassung mehr. Doch Teil des ursprünglich zweiten Teils ist ausgerechnet die umstrittene Netz-Regulierung.
Einer der nun verärgerten Verbände ist die Schweizerische Arbeitsgruppe für Berggebiete (SAB). Man habe sich bei Bundespräsidentin Doris Leuthard beklagt und eine zweite Vernehmlassung des Gesetzes verlangt, sagt Direktor Thomas Egger. «Die Antwort lautete: Nein.» Nun müsse man sich schwer überlegen, ob man das Gesetz noch unterstützen wolle, sagt er. Entscheide seien noch nicht gefällt worden. Das Bakom lässt auf Anfrage ausrichten, eine zweite Vernehmlassung sei nicht vorgesehen.
In die gleiche Kerbe schlagen auch die IG Glasfasernetz Schweiz und der FTTH-Verband Openaxs, sowie der Wirtschafts-Dachverband Economiesuisse. Auch Glasfasernetz Schweiz signalisiert eine grundsätzliche Ablehnung des Gesetzes. Und so scheitert das neue Fernmeldegsetz am Ende vielleicht schon am Ersten Tag im Parlament wegen eines mutmasslichen Formfehlers