Der Erfolg des chinesischen Onlinehändlers Shein lässt Risikokaptialgeber hellhörig werden. Sie sind auf der Suche nach dem nächsten «big thing» im Bereich Ultra-Fast-Fashion. Genauso wie die Generation Z.
Der bekannte Risikokapitalgeber Andreessen Horowitz aus dem Silcon Valley pumpte gemeinsam mit dem Private-Equity-Unternehmen DST Global aus Hongkong vor einigen Tagen 22 Millionen Dollar in Cider, wie das Fachblatt «Business of Fashion» berichtet. Cider ist ebenfalls ein chinesischer Onlinehändler, der wie Shein mit 14 Dollar teuren Tops oder Hosen für 12 Dollar aufwartet und die Styles der Gen Z gut zu kennen glaubt.
Die chinesische Vision Knight Capital, gegründet vom ehemaligen Alibaba-Chef Wei Zhe, wiederum hat kürzlich 15 Millionen Dollar in Cupshe gesteckt. Das Label stammt ebenfalls aus China und ist auf Bademode spezialisiert.
Shein, Cupshe, Cider: Alle diese Labels sind darauf ausgelegt, Kleider für westliche Konsumenten noch schneller und billiger zu produzieren als westliche Fast-Fashion-Giganten wie H&M oder Inditex.
Shein ist die Fashion-Concorde
Das Vorzeigeunternehmen dieser Entwicklung ist Shein. Es macht dem Vernehmen nach so viel Umsatz wie Zalando und hat 2020 eine Umsatzverdoppelung hingelegt. Shein hat es geschafft, schnelle Produktionsprozesse mit lokalen Fabriken vor Ort in China zu entwickeln und damit den ohnehin schon schnellen Trendzyklus noch mehr zu beschleunigen. Seit amerikanische Teenager Shein vor ungefähr zwei Jahren entdeckt haben, sind die Zahlen nach oben geschossen. Der Erfolg ist aber nicht nur durch die ultraschnell produzierte Mode zu erklären, sondern auch mit geschickten Werbekampagnen auf Tiktok.
In China schaue derzeit jeder auf Shein und wolle das Geschäftsmodell kopieren, sagt Tech-Experte Matthew Brennan. Gegenüber «Business of Fashion» sagte er über den chinesischen Onlinehändler: «Alle Puzzlestücke des Geschäftsmodells waren schon da, aber niemand hat sie so gut zusammengeführt und ausgeführt wie Shein.»
Alexandra Scherrer, Chefin der E-Commerce-Beratung Carpathia, über den Erfolg des Onlinehändlers Shein - sowie Fast Fashion versus Ethical Fashion.
Trial and Error in Endlosschlaufe
Wie Shein wirft auch Cider im Wochentakt Hunderte von neuen Fashionteilen auf seine Plattform – zunächst in kleinen Stückzahlen. Wenn sich ein Style durchsetzt, dann wird sofort viel mehr produziert. Wenn das Teil allerdings nicht läuft, ist es wenigen Tagen wieder weg.
Cider steht im ständigen Austausch mit seinen Produktionspartnern und schraubt immer wieder an der Optimierung der Lieferkette. Das Ziel: Cider will noch schneller sein als die ebenfalls schnellen Konkurrenten.
Trotzdem würde sich Shine und Cider unterscheiden, wie Connie Chan von Andreessen Horowitz gegenüber «Business of Fashion» erläutert: «Cider kommt wie eine Direct-to-Consumer-Marke daher.» Das Geheimnis der Plattformen liege nicht in erster Linie in der Auswahl der Kleider, sondern in der Technologie.
Trends in Echtzeit verarbeiten
Die Plattformen wachsen schnell, die Nachfrage nach Billigmode ist weltweit ungebrochen. Neben westlichen Märkten wie Europa oder USA findet Shein mittlerweile auch in Indien Millionen von Käufern. Es sind Kids der dort wachsenden Mittelschicht, die sich ebenfalls mit den neusten Styles eindecken wollen, die sie auf Social Media entdecken. Derzeit allerdings hat Shein wegen politischen Komplikationen die Lieferungen nach Indien ausgesetzt.
Klon vom Klon
Je mehr solcher Anbieter aufpoppen, desto dünner werden die Margen. Das war schon im stationären Handel der Fall und verstärkt sich online noch mehr. Modegiganten wie Zara und H&M haben ihre Online-Verkäufe in der Corona-Zeit aber auch gesteigert. Andere Klone von Shine, etwa Zaful oder StyleWe, die Mode ebenfalls zu sehr günstigen Preisen anbieten, locken die Kunden zusätzlich mit Rabatten.
«Wir können nicht davon ausgehen, dass die Macht einer einzelnen Plattform unangefochten bleiben wird. Shein wird Konkurrenten erhalten, die von der Plattform selbst gelernt haben», sagt Allison Malmsten, Marketingdirektorin beim E-Commerce-Beratungsunternehmen Daxue Consulting in Shanghai.
Beim Preis lässt der Fast-Fashion-Anbieter Shein H&M und Zara alt aussehen – und überholt mit der App sogar Amazon. Jetzt will Shein an die Börse.
Jeden Tag ist eine neue Saison
Heute geht es bei Fast Fashion darum, die neusten Trends vom Laufsteg oder den Influencern als erster und zum günstigsten Preis anzubieten. Das hatte die spanische Inditex mit ihrer Hauptmarke Zara bereits vor Jahrzehnten so gemacht. Der schnelle Durchlauf machte Zara neben H&M zu einem europäischen Mode-Giganten, der weltweit Tausende von Läden eröffnete.
Dann kam das Internet, Mode wurde vermehrt online gekauft. Mit Corona hat diese Entwicklung nochmals Schub erhalten.
Follower bestimmen
Einer der Mitgründer von Cider, Michael Wang, sagt gegenüber «Business of Fashion», die Zukunft der Mode präsentiere sich so wie bei Shein. Styles werden innert Stunden kopiert, die Vorlieben des Kunden durch Algorithmen erfasst und sofort in neuen Kollektionen eingearbeitet.
«Wir platzieren eine kleine Stückzahl von Kleidungsstücken und lassen unsere Follower die Vorbestellungen machen. Wir nehmen ihr Feedback schnell auf, und passen die Produkte an», sagt Wang. «Innerhalb weniger Tage können wir Kleider mit weiteren Farben oder Grössen aktualisieren. Wir treffen Entscheidungen in Echtzeit und zusammen mit unseren Kunden.»
Wang glaubt, dass Cider mit Shein konkurrieren könne, indem es Kleidung aus besseren Stoffen herstelle und sie zu einem leicht höheren Preis verkaufe. «In Bezug auf Qualität sind wir näher an Zara als an Shein», so Wang.
«Die Gen-Z kauft gerne ein, ihre Meinung ändert sich sehr oft. Deshalb es wichtig, dass es täglich neue Artikel gibt», sagt Chan von Andreessen Horowitz. «Man weiss nicht, was das Gen-Z-Publikum in fünf Wochen wollen wird, also braucht man einen kürzeren Zeitrahmen, um sie zu erreichen», so das Fazit.
Digital von A bis Z
Alison Malmsten von Daxue Consulting sagt, dass es bei dieser Strategie nicht nur um den Verkauf gehe. Die konsequente und tägliche Erneuerung des Shops helfe mit, die Käufer bei der Stange zu halten. «Was Shein bietet und was eben andere Plattform nicht tun, ist Unterhaltung.» Das koste Geld und könne nur durch grosse Mengen finanziert werden.
«Einfach online zu verkaufen reicht heute nicht mehr für ein digitales Unternehmen», sagt Cider-Mitgründer Michael Wang. «Um die Fabriken dazu zu bringen, mit uns zusammenzuarbeiten und täglich Produkte in grossen Mengen herauszubringen und ständig in Echtzeit zu aktualisieren, brauchen wir einen digitalisierten Prozess von Anfang bis Ende.»
1 Kommentar
Wer braucht hier mehr Fast Fashion? Bestimmt nicht die Gen-Z (Fridays for Future) und eigentlich die ganze Welt. Die Textilindustrie ist eine der grössten CO2 Schleudern weltweit, Verursacher von Umweltverschmutzung durch Färben und Produktion. Die Kleiderschwemme aus der reichen ersten Welt, die immer so tut, als bräuchte sie noch ein T-Shirt für CHF 4.99 und der es egal ist, wie die produziert werden, kommen zurück in die ärmsten Länder wo sie verbrannt werden. Und dann nochmals die Umwelt und Menschen belasten. Nein danke!