Trisa ist Triengen – und Triengen ist Trisa: Selten sind ein Dorf und ein Unternehmen so eng verknüpft wie im Fall der Zahnbürstenherstellerin Trisa aus dem Luzerner Suhrental. Der Firmenname leitet sich aus den ersten drei Buchstaben von Triengen und SA (französisch für AG) ab. Am Anfang der Firmenhistorie stand 1887 die ikonische Figur des Bürstenferdi, der 1887 als erster Firmen-Werkmeister begann. Heute leitet Adrian Pfenniger die Firma in vierter Generation.
Herr Pfenniger, wie putzt der Trisa-Chef seine Zähne?
Adrian Pfenniger: Von Rot nach Weiss, also vom Zahnfleisch zur Zahnkrone.
Tun Sie das händisch oder elektrisch?
Mal so, mal so. In meinem Badezimmer gibt es einen Blumenstrauss von Zahnbürsten, darunter immer auch einige Prototypen. Manchmal sind es so viele Gerätschaften, dass meine Frau mich darum bitten muss, etwas aufzuräumen.
Bitte ein Chef-Wort zum grossen Borsten-Mythos: Besser zu weich als zu hart – korrekt?
Das ist kein Mythos. Studien belegen tatsächlich, dass weiche Borsten weniger verletzen und ebenso gut reinigen.
Schweizer Hersteller von Commodity-Produkten wie Regenschirmen oder Schuhen wurden in der Vergangenheit entweder ganz vom Markt gespült, sie produzieren nur noch im Ausland oder fokussieren sich auf eine Marktnische. Trisa stellt immer noch jede Zahnbürste in der Schweiz her. Wie haben Sie das geschafft?
Wenn Sie in der Schweiz im Massenkonsumgütermarkt erfolgreich sein wollen, müssen Sie qualitativ hochstehende Produkte produzieren. Unser Anspruch ist es, die weltweit besten Zahnbürsten herzustellen. Gleichzeitig müssen wir zu Weltmarktpreisen produzieren können. Klar, mit Innovationen können wir vielleicht etwas mehr lösen, weil der Konsument die Neuerung schätzt. Aber grundsätzlich stehen wir im internationalen Wettbewerb. Auch mit Billiglohnländern wie China oder Indien.
Trisa hat einen Wettbewerbsvorteil. Immerhin gilt in der Firma der Leitsatz «Wir vertrauen in die Kraft über uns».
Das ist einer von zehn Trisa-Leitsätzen. Unsere Unternehmenskultur ist in der Tat ein handfester Wettbewerbsvorteil. Ich bin der Meinung, dass eine gemeinsame Wertebasis für den Erfolg sehr wichtig ist. Schon mein Vater pflegte zu sagen: «Persönlich glaube ich an Gott und das Gute im Menschen und es ist die Aufgabe des Unternehmers, Freude an der Arbeit zu vermitteln.»
Muss man gläubig sein, um für Trisa arbeiten zu dürfen?
Nein. Natürlich haben wir viele Christen im Betrieb. Aber wir sind offen für Vertreter aller Religionen und auch für Nichtgläubige. Bei uns arbeiten auch exzellente Atheisten.
Trisa ist bekannt für kooperativen Umgang mit den Angestellten. Ein Drittel der Aktien ist im Besitz der Belegschaft, der Verwaltungsrat ist paritätisch besetzt mit Vertretern von Familie und Mitarbeitern. Der Stichentscheid bei strittigen Fragen liegt aber immer bei der Familie, oder?
Der Stichentscheid liegt beim Präsidenten. Und das ist ein Vertreter der Familie Pfenniger. Aber ich kann Ihnen versichern, dass der Stichentscheid seit Einführung der Paritätsregel im Jahr 1973 noch nie gebraucht wurde. Das weiss ich von meinem Vater und deshalb, weil ich selbst seit den 90er Jahren im Trisa-VR bin. Wir pflegen ein gutes Miteinander hier in Triengen. Dazu gehört auch die von Ihnen angesprochene Mitarbeiterbeteiligung. Sie ist ein wichtiger Teil unserer Kultur. Ich glaube daran, dass dort, wo Partnerschaften real gelebt werden, mehr Begeisterung und Freude existiert und so bessere Resultate erzielt werden.
Mit einer Minderheitsbeteiligung von 30 Prozent bleibt der Einfluss der Mitarbeiter aber relativ bescheiden. Alles mehr Schein als Sein?
Wir nehmen das Aktienpaket der Mitarbeitenden sehr ernst. Es kam schon oft vor, dass Inputs von Mitarbeitern an der Generalversammlung oder im Verwaltungsrat dazu geführt haben, dass wir uns als Firma bewegt haben.
Sind Ihre Mitarbeiter in Bulgarien auch an Trisa beteiligt? Haben diese Angestellten auch einen Vertreter im Verwaltungsrat?
Nein, die Mitarbeiterbeteiligung gilt nur für das Stammhaus.
Gab es im Schweizer Stammhaus nie Widerstand von den Arbeitnehmern gegen den vermehrten Einsatz von Robotern in der Produktion? Wenn das die Angestellten befürworten, schaffen sie ja quasi ihre eigenen Jobs ab.
Das ist ein wichtiges Thema. Wir haben heute autonome Transportsysteme, selbstfahrende Gabelstapler und auch kollaborative Roboter im Einsatz. In Zahlen ausgedrückt heisst das: Auf zwei Produktionsmitarbeitende kommt ein Roboter. Die Vergangenheit hat gezeigt: Der technologische Fortschritt hat nie dazu geführt, dass wir hier bei Trisa Stellen gestrichen haben. Im Gegenteil. Wir haben Hunderte neuer Jobs geschaffen.
Sieht man das an der Basis auch so?
Wir haben uns im letzten Jahr intensiv mit dem Thema Digitalisierung beschäftigt und zahlreiche Schulungen dazu durchgeführt. Ja, es gibt ein breites Verständnis für die Chancen von neuen Technologien. Würden wir wie einst Bürstenferdi und sein Team alle Borsten noch von Hand einziehen, könnten wir allerhöchstens für ein paar wenige Nostalgiker produzieren. Wahrscheinlich noch für die Queen of England. Die Automatisierung hat dazu geführt, dass wir trotz Produktion in der Schweiz wettbewerbsfähig sind und unser Geschäft stark ausgebaut haben.
Wer Zahnbürsten herstellt, macht sich als ökologischer Schmutzfink verdächtig. Nach wenigen Monaten wird das ganze Gerät weggeworfen. Warum hat noch nie jemand mobile Borsten entwickelt, die man auf den Zeigefinger schnallen kann?
Tatsächlich gab es Innovationen, die als eine Art Fingerhut funktionierten. Aber das erwies sich als unpraktisch; der Markt hat das nie akzeptiert. Den Schmutzfinken habe ich wohl gehört, aber ich teile Ihre Meinung nicht. Schauen Sie mal in Ihren Hausmüll: Da nehmen ausgediente Zahnbürsten wohl den allerkleinsten Teil ein.
Ab 1903 werden in Triengen Zahnbürsten hergestellt. 1989 übernahmen die Luzerner die St. Galler Bürstenfabrik Ebnat-Kappel. Heute werden Trisa-Produkte in über achtzig Ländern vertrieben. Die Gruppe erzielt mit 1100 Mitarbeitenden einen Umsatz von 221 Millionen Franken (2016). Zahnbürsten-Output in der 4500-Seelen-Gemeinde Triengen: 1 Million Stück pro Tag. Seit 1973 gilt: Jeder Mitarbeiter des Trisa-Stammhauses ist auch Aktionär. Der sechsköpfige Verwaltungsrat besteht ist paritätisch besetzt mit Vertretern der Mitarbeiter und des Mehrheitsaktionärs, der Familie Pfenniger.
Kaum ein anderes Produkt wird so ganzteilig entsorgt wie die Zahnbürste.
Wir waren bei den Allerersten, die Zahnbürsten mit Wechselkopf im Angebot hatten, und entwickeln das System auch weiter. Für die Kunden ist aber neben dem ökologischen auch der hygienische Aspekt und die Reinigungsleistung bei Zahnbürsten zentral.
Ist es also ein Naturgesetz, dass der Griff im Müll landen muss?
Nein, natürlich nicht.
Was wäre die Alternative?
Man kann für den Griff anderes Material einsetzen, das nach der Lebensdauer der Zahnbürste wiederverwendet wird.
Wofür?
Darüber denken wir zurzeit in unseren Innovationszirkeln sehr intensiv nach. Trisa wird nächstes Jahr mit einem Produkt auf den Markt kommen. Mehr darf ich noch nicht sagen.
Die Marke Trisa ist sehr breit aufgestellt. Neben Zahnbürsten vermarkten Sie unter dem Brand Trisa Electronics Racletteöfen, Haartrockner, Bügeleisen und Staubsauger und unter Trisa Accessoires Haarschmuck. Trisa: eine markentechnische Schrotflinte.
Das ist Ihre Meinung. Aus marketingtheoretischer Sicht mag das vielleicht erstaunen...
... oder ist es Teil einer internen Zirkularwirtschaft? Mit Trisa-Racletteöfen kann man die Zähne verunreinigen – und sie danach mit der Zahnbürste reinigen.
Sie sagen, Trisa sei unglaublich breit aufgestellt. Ich sage, wir sind unglaublich lange am Markt. Auf allen Feldern wird uns gemäss unserer Marktforschung hohe Qualität und Glaubwürdigkeit attestiert. Trisa steht nun mal seit 130 Jahren für Mund-, Schönheits- und Raumpflege.
Wird Trisa künftig breiter oder schmaler? Trisa-Lautsprecher, Trisa-Smartphones?
Ich denke, dass wir unseren Kompetenzbereichen treu bleiben werden. Zum Teil reduzieren wir das Sortiment unter der Marke auch. Haushaltbürsten etwa laufen heute unter dem Brand Ebnat, hergestellt von unserer gleichnamigen Tochterfirma in Ebnat-Kappel. Auf der anderen Seite hat uns der Handel vor Jahren ermuntert, einen Blick in die Sparte Haarschmuck zu werfen. Weil das sehr gut zu unseren Haarbürsten passt – heute sind wir in diesem Bereich marktführend.
Berater würden Ihnen sagen: Lassen Sie Racletteöfen und Staubsauger sein, stellen Sie den Zahn in den Mittelpunkt und werden Sie zum Dentaltech-Unternehmen.
Mit unserer 130-jährigen Markterfahrung schauen wir einiges anders an, als es in Lehrbüchern steht. Im Mundpflege- und Elektromarkt zum Beispiel spielt eben eine eigene Logik: Beiden Bereichen ist gemeinsam, dass sich die Konsumenten Sicherheit und Qualität wünschen. In neuen Exportmärkten starten wir aber nicht mit allen unseren Produkten gleichzeitig. Die Mundpflege ist unsere Speerspitze und wir ziehen die Schönheitspflege als zweiten Bereich nach.
Der Gemischtwarenladen ist nur für die Schweiz.
Ich würde das anders sagen. In der Schweiz haben wir ein Sortiment, das zu unserer Marke passt, das von unseren Konsumenten auch so bestätigt wird und das sich erfolgreich entwickelt.
Viel näher als Racletteöfen und Haarschmuck liegt der Zahnpflege-Kaugummi. Den stellen Sie aber nicht her – weil es der natürliche Feind der Zahnbürste ist?
Ganz im Gegenteil. Der Zahnputzkaugummi ist eine gute Ergänzung.
Aber es gibt ihn nicht in Triengen.
Noch nicht.
Will heissen?
Wir sind im Endstadium der Entwicklung eines Zahnpflege-Kaugummis. Die Lancierung ist für das zweite Halbjahr 2018 geplant.
Damit kommen Sie Jahrzehnte später als die gesamte Konkurrenz.
Bisher waren das meistens Produkte, die etwas erfrischen, aber kaum zur Mundpflege beitragen. Unser Produkt soll mehr leisten.
Macht Trisa das Zähneputzen obsolet?
Das geht nicht. Es ist bewiesen, dass selbst die ausgereifteste Form des Kaugummis nicht annähernd an die Reinigungsleistung einer Zahnbürste herankommt. Trotzdem glauben wir, dass es eine sinnvolle Ergänzung sein kann, um zu einer besseren Mundhygiene zu führen. Wie auch der Zungenreiniger, den wir als eine der ersten Firmen im Westen einführten.
Eher ein Exot in Schweizer Mundhöhlen.
Er verkauft sich prächtig. Als ich das Produkt vor vielen Jahren meinem Vater präsentierte, war er skeptisch. Mittlerweile produzieren wir die vierte Generation der Zungenreiniger. Das Produktsegment wächst stark.
Im Silicon Valley träumt man von smarten Zahnbürsten, die im Mund Krankheitsherde aufspüren und diese dem Arzt melden. Realität oder Digitalbesoffenheit?
Da passiert tatsächlich vieles. Aber man sollte unterscheiden zwischen lustigen, eher nutzlosen Gadgets und Entwicklungen, die uns wirklich weiterbringen. Es ist nicht ganz einfach, sinnvolle Aussagen zu generieren, die dem Konsumenten wirklich nützen. Die Mundhöhle ist nun mal eine sehr komplexe Zone mit Hunderten von Bakterienstämmen. Aber ich bin überzeugt, dass sich die Technologie in Richtung interaktive Zahnbürste weiterentwickelt.
Ein Badezimmer im Jahr 2025: Was wird die smarte Zahnbürste bieten?
Es dürfte in Richtung interaktive Geräte mit mehreren Funktionen gehen. Wobei diese Geräte vielleicht nicht mehr wie heutige Zahnbürsten aussehen. Vorstellbar wäre eine Art Boxer-Mundschutz, den man in den Mund einsetzt, wo es die Zahnreinigung per Ultraschall selber übernimmt.
Das wäre dann eher ungünstig für eine Firma, die Zahnbürsten verkaufen will.
Aber nicht für eine Firma, die am Puls der Zeit ist, vorausdenkt und diese Boxergebisse, oder was es dann auch immer sein wird, selber anbietet.
Wird das Boxergebiss Informationen aufspüren und weiterleiten?
Ideen dazu haben wir viele. Zumal es so ist, dass Krankheitszustände in der Mundhöhle auch zu weiteren Problemen im menschlichen Körper führen können. Da tut sich ein weiteres Feld auf: Ist es möglich, Zusatzinformationen zu erheben, die auch für die Gesundheit ausserhalb der Mundhöhle von Relevanz sind? Immerhin könnten per Zahnbürste zwei- bis dreimal täglich Daten erhoben werden.
Ist es möglich?
Da ist vieles denkbar. Der Trend geht ganz bestimmt in diese Richtung, aber mit heutigen Technologien ist es noch schwierig, relevante und gesicherte Informationen zu erheben.
Adrian Pfenniger: Der Saubermann.
- Funktion: Chef von Trisa
- Alter: 53
- Familie: verheiratet, zwei Söhne
- Ausbildung: Wirtschaftsstudium Universität Lausanne, danach zwei Auslandjahre in Argentinien und den USA
- Karriere: Seit 1989 bei Trisa engagiert, zunächst als Exportmanager, seit 1995 Chef
Welche gesicherten Informationen gibt es zur nächsten Trisa-Generation?
Meine Schwester, mein Bruder und ich haben insgesamt sieben Jungs. Es gab kein einziges Mädchen in der fünften Generation. Die Jungs sind alle zwischen 13 und 19 und in Ausbildung. Es besteht also durchaus die Chance, dass der eine oder andere dereinst die Tradition weiterführen und unternehmerisch tätig werden möchte.
Sie sind jetzt 53 – ist die Nachfolgeplanung schon angelaufen?
Es ist so, dass wir uns aktiv über die nächste Generation Gedanken machen und ihr Schritt für Schritt Möglichkeiten aufzeigen. Es ist jetzt aber zu früh für konkrete Pläne. Dies dürfte innerhalb der nächsten zehn Jahre geschehen.
Trisas grosses Kapital war stets der Singsang «Mit de Trisa, de Trisa, de Trisa». Warum nur entsorgten Sie dieses Nugget?
Der Song stammt aus den 60er und 70er Jahren. Im Original war er im typischen Cha-Cha-Cha-Rhythmus. Er war erfolgreich, aber Musik, Bilder und die damalige Gefühlswelt sind mittlerweile etwas angestaubt. Wir unternahmen verschiedene Versuche, den Slogan zu modernisieren. Letztlich bleibt er Vergangenheit, aber ein Stück unserer Historie, auf die wir sehr gerne zurückblicken. Die Spots aus der damaligen Zeit sind ja auch noch auf unserem Youtube-Kanal zu sehen.
Ebenfalls unvergessen: Das Trisa-Päärli, das in Werbespots innigst miteinander Zähne putzte. Wo ist es bloss geblieben?
Darauf setzten wir über zwei Jahrzehnte lang. Es begann in den 90er Jahren und endete 2015. Heute betonen wir mit den Schneebergen Schweizer Ursprung, Sauberkeit und Frische in unserem Auftritt.
Wurde das Päärli verbannt, weil die Schweiz zu einem Single-Land wurde und die Paar-Situation nicht mehr passt?
Überhaupt nicht. Der neue Auftritt steht im Zusammenhang mit unserer Internationalisierung und unserem Reinigungsversprechen.
Ein Revival des Trisa-Paars ist definitiv ausgeschlossen?
Aktuell schon. Aber: Sag niemals nie.
Könnten auch zwei Männer oder zwei Frauen, in eingetragener Partnerschaft selbstverständlich, miteinander Zähne schrubben? Oder würde das nicht passen zur bibelfesten Trisa?
Schrubben ist nie gut. Zu viel Druck kann zu Verletzungen führen. Zum anderen Thema: Mit einem homosexuellen Paar hätte ich persönlich kein Problem.