Der über 400 Jahre alten Schweizer Uhrmachertradition entsprechend umfassen die meisten kunstgeschichtlichen Museen hier zu Lande auch eine Uhrensammlung. Zum Beispiel jene in Genf, Môtier und Neuenburg, im Haus zum Kirschgarten in Basel oder im Landesmuseum Zürich. Auf Uhren und die Uhrmacherei spezialisierte Museen aber finden sich traditionellerweise von Genf längs der Jurakette entlang bis ins Baselbiet. Die Zürich-Schaffhausen-Achse bildet bloss die Regel, welche die Ausnahme bestätigt.

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Genf: Kostbarkeiten bei Patek und bei Vacheron

In der Calvin-Stadt, wo sich erste aus Frankreich geflüchtete Hugenotten Mitte des 16. Jahrhunderts ansiedelten, wurden die ersten tragbaren (meist um den Hals) Kleinuhren von eben diesen Franzosen gefertigt. Bis heute ist Genf das Zentrum für kostbare, hochwertige Luxusuhren geblieben. Das machen Museumsbesuche vor Ort deutlich. Neben dem städtischen Musée de l'horlogerie et de l'émaillerie, das wegen Umbau auf unbestimmte Zeit geschlossen bleibt, lohnt sich vor allem der Besuch des Privatmuseums der Manufaktur Patek Philippe. Allein das Haus Nr. 7 an der Rue des Vieux-Grenadiers im Genfer Plainpalais-Viertel ist nach kompletter Renovation und Einrichtung eine Augenweide.

Das 1920 von Bijoutier Heller für seine Edelsteinschleiferei erbaute Haus konnte Patek Philippe 1975 für ihre Firma Les Ateliers Réunis erwerben. Nach dessen Integration in den neuen Gebäudekomplex der Manufaktur in Plan-les-Ouates war die Bahn frei für den Um- und Ausbau in ein Museum nach den Vorstellungen von Gerdi Stern, der Ehefrau des Manufaktur-Präsidenten Philippe Stern, der im Laufe eines Vier-teljahrhunderts eine berühmte Sammlung zusammengetragen hat.

Diese ist seit der Eröffnung im November 2001 unter der Leitung von Museumsdirektor Arnaud Tellier auch der interessierten Öffentlichkeit zugänglich und bietet über vier Stockwerke eine fantastische Reise durch fünf Jahrhunderte europäischer Uhrmacherei. Neben mehr als 400 originalen Werkzeugen und einem Restaurationsatelier kann eine antike Sammlung mit 500 Uhren vom 16. bis 19. Jahrhundert bestaunt werden. Und ein ganzes Stockwerk ist den Patek-Philippe-Uhren von 1839 bis heute gewidmet. Ein umfangreiches Archiv und eine Bibliothek mit rund 4000 Publikationen sowie ein Auditorium mit filmischer Einführung vervollständigen das eindrückliche Privatmuseum.

Ähnlich attraktiv ist das Museum von Vacheron Constantin, untergebracht im traditionellen Stammhaus am Quai de l'Ile. Eröffnet wurde es im vergangenen Herbst, gerade rechtzeitig auf die 250-Jahr-Jubiläumsaktivitäten der ältesten Uhrenmanufaktur der Welt.

Le Brassus: Audemars und die Komplikationen

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts begann sich das Genfer Uhrenmacher-Know-how auf die angrenzenden Waadtländer und Neuenburger Täler auszudehnen. Insbesondere im Vallée de Joux, im Val de Travers sowie in und um Le Locle herum entstanden viele erfolgreiche Familien-Werkstätten.

Die 1875 von Jules Audemars und Edward Piguet gegründete Manufaktur in Le Brassus fertigte von Anfang an mechanische Uhren mit Komplikationen. Kein Wunder, hält die Manufaktur, die heute in vierter Generation von Jasmine Audemars präsidiert wird, den Rekord an Weltpremieren im Bereich uhrmacherischer Komplikationen. Ihre Sammlung ist mittlerweile auf über 500 Exponate gewachsen, sodass das Privatmuseum Audemars Piguet den Ausbau der früheren, neu renovierten Manufaktur nötig machte. Unter der kundigen Führung von Kurator Martin Wehrli (nur auf Voranmeldung) wird der Rundgang zum Erlebnis.

Die Uhrengeschichte des Vallée de Joux kann im Espace horloger in Le Sentier anhand antiker Standuhren aus dem 16. bis 19. Jahrhundert nachvollzogen werden. Wechselnde Ausstellungen zeigen die Vielfalt der aktuellen Uhrenherstellung.

La Chaux-de-Fonds: Mehr als eine einzige Adresse

In und um dieser auf 991 m Höhe gelegenen Stadt zeugen mehrere Uhrenmuseen von der reichen Vergangenheit und der aktuellen Gegenwart. Das grösste und wichtigste, das Musée international de l'horlogerie, entstand 1902 im Gebäude der damaligen Uhrmacherschule. 1974 konnte die stark gewachsene und über die Landesgrenzen hinaus bekannte Sammlung in das architektonisch avantgardistische Gebäude an der Museumsstrasse 29 umziehen. Über 3000 Ausstellungsexponate erzählen die wissenschaftlichen, wirtschaftlichen, künstlerischen und damit menschlichen Abenteuer der Zeitmessung. Mit jährlich rund 35000 Besucherinnen und Besuchern aus 55 Ländern von allen fünf Kontinenten zählt das Internationale Uhrenmuseum zu den 20 wichtigsten schweizerischen Museumsinstitutionen. Im Restaurierungs-Zentrum antiker Uhren können die Uhrmacher bei ihrer diffi-zilen Arbeit beobachtet werden. Eine Multimediaschau und interaktive Uhren ergänzen den Rundgang.

Das ganz von der Stadt finanzierte Uhrenmuseum verfügt mit seinem Studienzentrum «Institut l'homme et le temps» über eine der grössten Datenbanken der Uhrmacherkunst und Geschichte der Zeitmessung. Die eigene Bibliothek umfasst beinahe 9000 Bücher und Kataloge. Wechselnde Sonderausstellungen, zahlreiche Anlässe und regelmässig durchgeführte Uhrenbörsen tragen ein Weiteres zur Attraktivität bei. Zudem verleiht das Museum seit 1993 den Prix Gaïa an einen oder mehrere Persönlichkeiten rund um die Uhrmacherkunst.

Ebenfalls in La Chaux-de-Fonds domiziliert ist das Museum Villa Maguerite mit der feinen Manufaktursammlung von Girard-Perregaux. 1791 gegründet, verfügt die Manufaktur über eine mehr als 200 Jahre dauernde Tradition in der Kreation und Fertigung von ausserordentlichen Zeitmessern der Haute Horlogerie.

Le Locle: Ein Schloss als passende Umgebung

Hoch über dem Städtchen Le Locle ist das Musée d'horlogerie du Locle angesiedelt. Das Ende des 18. Jahrhunderts errichtete Château des Monts bietet dem Uhrenmuseum seit 1959 den passenden Rahmen für seine schöne Sammlung an Standuhren, Automaten und Pendeluhren mit prunkvollen Ornamenten. Hier ist ebenfalls der Vater der lokalen Uhrenindustrie, Daniel Jean Richard (1665-1741), verewigt. Während seiner Blütezeit beherbergte allein Le Locle 77 Uhrenbetriebe. Heute wird sein Name als Marke von der Sowind Group, zu der auch Girard-Perregaux zählt, vermarktet.

St-Imier: Longines und die Sport-Zeitmessung

Die zur Swatch Group gehörenden Marken Longines und Omega haben ihre eigenen Zeitmesser ebenfalls in Fabrik-Museen ausgestellt, die während der Bürozeiten auf Anmeldung besucht werden können. Das Longines-Museum in St-Imier zeigt die Vielfalt seiner Uhren von 1867 bis heute, während die Ausstellung «Antike Uhren» auf ihre Ursprünge bis 1832 zurückgeht. Ein dritter Teil stellt ihre 125-jährige Sportmessung vor und skizziert ihre Mehrfachbeteiligung an Olympischen Spielen.

Das in Biel domizilierte Omega-Museum präsentiert seine historischen Highlights wie die vom Gründer Louis Brandt 1892 entwickelte erste Armbanduhr mit Minutenrepetition, aber auch Art-déco-Uhren aus den 1920er Jahren, die berühmten Speedmaster-Modelle seit 1965 und vieles mehr inklusive der neuesten Modelle.

Zürich: Um Beyer kommt man nicht herum

Mit Ausnahme der IWC, International Watch Company, die der Amerikaner Florentine Ariosto Jones 1868 in Schaffhausen gründete, hat die Deutschschweiz keine lange Uhrentradition vorzuweisen. Dennoch können die Städte Winterthur und Zürich mit je einem interessanten Uhrenmuseum aufwarten, die aus der Leidenschaft privater Sammler entstanden sind.

In ihrem Gewerbemuseum wartet die ehemalige Industriestadt Winterthur mit der Uhrensammlung Kellenberger auf. Eine Ausstellung von Weltrang, die der Thurgauer Konrad Kellenberger in 44 Jahren zusammentrug und 1969 der Stadt Winterthur verkaufte. Höhepunkte der Sammlung sind neben Eisenuhren des Winterthurer Uhrmachers Andreas Liechti aus dem 16./17. Jahrhundert insbesondere die astronomischen Uhren. Empfehlenswert sind die öffentlichen thematischen Führungen, die Konservatorin Brigitte Vinzens mit Kurzreferaten begleitet.

An der Zürcher Bahnhofstrasse befindet sich im ältesten Uhrenfachgeschäft der Stadt das Uhrenmuseum Beyer. Mit seinen über 500 Zeitmessern aller Art ab 1400 vor Christus bis in die heutigen Tage ist es ein beliebter Treffpunkt von Uhrenliebhabern aus der ganzen Welt. Das Museum ist übersichtlich nach historischen und technischen Gesichtspunkten gegliedert und wird jedes Jahr mit neuen Objekten ergänzt. Allein zwei Uhrmacher sind mit Restauration und Unterhalt der Museumsuhren beschäftigt. Sonderausstellungen wie die kürzliche grosse Breguet-Show sind immer wieder einen Besuch wert.

Schaffhausen: Natürlich gehts um Uhren von IWC

In Schaffhausen selbst wird die IWC-Manufaktur mit Museum auf Anmeldung gerne gezeigt. Der Besuch des denkmalgeschützten Stammhauses der Manufaktur lohnt sich, umfasst die Sammlung doch auch Exponate, die ihre Zeit vor der IWC-Zeit erlebt hatten, darunter auch Kuriositäten. Zudem ist es schlicht überwältigend, einmal die Zeugnisse der Schaffhauser Uhrmacherkunst seit 1868 aneinander gereiht zu bestaunen.