Zertifizierte Umweltmanagementsysteme (UMS) bewirken allgemein eine Stärkung des Themas Umweltschutz im Unternehmen und seiner wirtschaftlichen Potenziale; sie schaffen Aufmerksamkeit für Umweltanliegen und nehmen die Geschäftsleitungen ökologisch in die Pflicht. Damit stärken UMS die Position der Vertreter des Umweltschutzes im Unternehmen. UMS lassen aber auch den wirtschaftlichen Nutzen von Umweltmassnahmen deutlich werden und verhelfen zu geeigneten Methoden, um seine Potenziale auszuschöpfen.

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Diese Wirkungen beruhen einerseits auf den von der Norm ISO 14001 verlangten Selbstkontrollmechanismen, wonach in den bedeutenden Umweltbereichen des Unternehmens Umweltziele zu setzen sind, deren Erreichung aber auch durch geeignete Management- und Überwachungsmassnahmen auf eine nachprüfbare Weise sicherzustellen ist.

Die Wirkungen beruhen andererseits auf der externen Kontrollwirkung der Zertifizierer, welche die Einhaltung der Normvorgaben und das Erreichen einer kontinuierlichen Verbesserung spätestens alle drei Jahre überprüfen. Um herauszufinden, wie die spezifischen ökologischen Wirkungen und der wirtschaftliche Nutzen jenseits dieser allgemeinen Wirkungen beschaffen sind, haben wir eine breite Befragung zertifizierter Unternehmen in der Schweiz durchgeführt (siehe Fussnote).

Durchschnittlich 60% der befragten Unternehmen stellen zumindest einen leichten Rückgang der relativen Stoff- und Energieflüsse fest (bzgl. Materialeinsatz, Energieeinsatz, Abfallaufkommen und Gefahrstoffeinsatz), aber nur 10% von ihnen starke Rückgänge, während 30% keine Veränderung oder sogar eine Verschlechterung in Relation zum Umsatz feststellen.

Diese Ergebnisse sind eher als bescheiden einzustufen, da in den hier abgefragten Öko-Effizienzbereichen typischerweise «Win-Win-Situationen» vorliegen, in denen ökonomische Vorteile mit ökologischen Verbesserungen einhergehen.

Verbesserungen für die Umwelt

Noch bescheidener sind die Ergebnisse bezogen auf absolute Rückgänge der Stoff- und Energieflüsse. Rund 50% der Unternehmen stellen zumindest leichte Rückgänge fest, aber nur 10% von ihnen starke Rückgänge, während 40% keine Veränderung oder sogar eine Verschlechterung feststellen. Hieraus wird deutlich, dass relative Öko-Effizienzgewinne zu einem Teil durch Ausweitungen der Produktion wieder kompensiert werden.

Und bezüglich produktspezifischer Umweltbelastungen nehmen die befragten Umweltmanager seit Einführung der UMS auch nur eine leichte Verringerung der Umweltbelastungen wahr. 48% stellen Produktverbesserungen fest, aber nur 6% von ihnen starke Verbesserungen. 36% vermögen keine produktspezifischen Verbesserungen festzustellen, 17% können nicht einmal eine Antwort geben. Angesichts der Tatsache, dass nicht weniger als 32% der gleichen Umweltmanager die produktspezifischen Umweltbelastungen als «gross», weitere 42% als «mittel» einstufen, ist hier eine deutliche Lücke zwischen Problemwahrnehmung und Massnahmen zur Problemlösung festzustellen.

Die Einrichtung von UMS ist mit Kosten verbunden. Gleichzeitig werden durch ein systematisches Umweltmanagement aber auch unterschiedliche Nutzenpotenziale erschlossen, die sich positiv auf die Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen auswirken.

Die durchschnittlichen Gesamtkosten für Aufbau und Betrieb eines UMS betragen gemäss unserer Befragung 287000 Fr. Es finden sich je nach Unternehmensgrösse bedeutende Kostenunterschiede. Bei Kleinunternehmen (1 bis 49 Mitarbeitende) liegt der Durchschnitt bei 93000 Fr., bei Mittelunternehmen (50 bis 250 Mitarbeitende) bei 154000 Fr. und bei Grossunternehmen (mehr als 250 Mitarbeitende) bei 535000 Fr. Dagegen sinken die Gesamtkosten, bezogen auf die Beschäftigtenzahl, von 5400 Fr. pro Mitarbeiter in Kleinunternehmen auf 500 Fr. bei Grossunternehmen. Der Durchschnittswert über alle Grössenklassen hinweg beträgt 2000 Fr. pro Mitarbeiter. Gliedert man die Gesamtkosten in Kostenblöcke, so wird deutlich, dass die internen Kosten des UMS-Aufbaus rund 50% ausmachen, die Betriebskosten 25%, die Beratungskosten 15% und die Zertifizierungskosten 6%.

Gleichzeitig wird aber auch deutlich, wie schwach fundiert die Kostenangaben sind. Nur 19% der Befragten erfassen ihre internen Kosten, 11% ihre Betriebskosten. Die Angaben beruhen somit im Wesentlichen auf Schätzungen der Befragten. Wie gut diese Schätzungen sind, ist schwierig zu beurteilen.

Und wie sieht es mit dem monetären Nutzen eines UMS aus? Der empirisch ermittelte Mittelwert des jährlichen Nutzens liegt bei 167000 Fr. Auch hier finden sich grosse Unterschiede je nach Unternehmensgrösse: Bei Kleinunternehmen liegt der Nutzen bei 22000 Fr., bei Mittelunternehmen sind es 110000 Fr. und bei Grossunternehmen 343000 Fr. Setzt man die UMS-Investitionskosten (Summe aus internen Kosten, Beratungskosten und Zertifizierungskosten) in Relation zum jährlichen Netto-Nutzen (Nutzen abzüglich Betriebskosten), so lassen sich Amortisationsfristen berechnen. Das Ergebnis überrascht: Im Durchschnitt aller Unternehmen beträgt die Amortisationsfrist eines UMS gerade einmal 2,2 Jahre, woraus deutlich wird, dass UMS offenbar ökonomisch ausgesprochen interessante Investitionen darstellen, die auch im Vergleich mit anderen Investitionen sehr gut abschneiden.

Je nach Unternehmensgrösse ergeben sich jedoch auch hier sehr unterschiedliche Amortisationsfristen. Betragen diese für Gross- und Mittelunternehmen im Schnitt nur 2,0 bzw. 1,6 Jahre, so sind es bei Kleinunternehmen ganze 10,7 Jahre. Hierin kommt eine massive finanzielle Mehrbelastung von Kleinunternehmen zum Ausdruck. Wie unsicher der Grund jedoch ist, auf dem sich diese Angaben bewegen, verdeutlicht die Tatsache, dass nur gerade 6% der Befragten diesen Nutzen begründet beziffern können, 47% nehmen eine Schätzung vor und weitere 47% können oder wollen keine Angaben machen. Eine zentrale Frage bleibt damit offen: Wieso werden der ökonomische Nutzen des UMS, aber auch seine Kosten in der Praxis nur so selten erfasst?

Der Nutzen von UMS geht über den wirtschaftlichen Nutzen im engeren Sinne hinaus. Bei einer differenzierten Bewertung elf verschiedener Nutzenkategorien wird der grösste Nutzen in der Systematisierung bestehender Umweltmassnahmen gesehen. Gut drei Viertel der Befragten (76%) sehen hierin einen grossen Nutzen für die Unternehmung. Auf den Plätzen 2 und 3 folgen die Sicherung der Rechtskonformität (59%) und die Risikovorsorge (58%). Jedes zweite Unternehmen (50%/Platz 5) sieht darüber hinaus einen grossen Nutzen durch die Erschliessung von Kostensenkungspotenzialen, und 41% sehen einen grossen Nutzen durch eine gestiegene Mitarbeitermotivation (Platz 7).

Im Vergleich mit diesen internen Nutzenkategorien wird der externe Nutzen etwas geringer eingeschätzt. Grossen Nutzen für das Unternehmensimage in der Öffentlichkeit nimmt jedes zweite Unternehmen wahr (52%/Platz 4), und für fast ebenso viele (47%/Platz 6) wirkt sich das UMS spürbar positiv auf das Verhältnis zu den Vollzugsbehörden aus. Nur noch in knapp jedem dritten zertifizierten Unternehmen wird ein grosser Nutzen für eine Stärkung der Innovationsfähigkeit festgestellt (32%/Platz 9), und eine Verbesserung der Marktposition können 28% (Platz 10) nach Einführung des UMS feststellen.

Angesichts des geringen Aktivitätsniveaus in den Bereichen Produktökologie und Marktkommunikation sollten die geringen Markteffekte nicht verwundern. Wenn weniger als 20% der Unternehmen Umweltargumente in die Werbung mit einbeziehen oder über ökologische Aspekte von Produkten und Dienstleistungen informieren und nur 3% der Unternehmen Marktanalysen über das ökologische Verhalten von Abnehmern und Konkurrenten durchführen, sind ökologische Marketing- und Differenzierungsstrategien bislang offenbar noch gar nicht ernsthaft verwirklicht worden. Noch schwächer sind die Effekte nur noch hinsichtlich verbesserter Bedingungen bei Banken und Versicherungen. Gerade einmal jedes achte Unternehmen (13%/elfter und letzter Platz) erfährt hier einen grossen Nutzen.

Anwender sind sehr zufrieden

Ein Vergleich des eingetretenen Nutzens mit den Gründen für die Einführung von UMS zeigt, dass der eingetretene Nutzen deutlich höher beurteilt wird als der erwartete Nutzen. Die Durchschnittswerte liegen im ersten Fall bei 45%, im zweiten bei 33%. Offenbar sind die Erwartungen der Anwender an den Nutzen der UMS insgesamt deutlich übertroffen worden. Aus diesen Ergebnissen lässt sich somit eine grosse und deutliche Zufriedenheit der Anwender mit dem neuen Instrument UMS und seinen Wirkungen ablesen.

Betrachtet man die einzelnen Nutzenkategorien etwas genauer, so sind sehr grosse positive Unterschiede im Hinblick auf die Systematisierung bestehender Umweltmassnahmen (34%) und die Sicherung der Rechtskonformität (30%) festzustellen. Immer noch grosse positive Unterschiede finden sich bzgl. des Umgangs mit Behörden (19%), der Risikovorsorge und dem Erkennen von Kostensenkungspotenzialen (beide 18%). Enttäuscht sind die Anwender hingegen, was die Stärkung der Innovationsfähigkeit (0%), den Nutzen der Erlangung des Zertifikats (6%) und die Verbesserung der Marktposition (9%) betrifft. UMS erweisen sich somit im Hinblick auf die Systematisierung und Kontrolle umweltrelevanter Prozesse als sehr enttäuschungssicher, während das Erreichen von Innovationen und Markterfolgen als grosse, bisher aber unerfüllte Herausforderung für den UMS-Einsatz anzusehen ist. Mit Blick auf die primär angestrebten Imagevorteile lässt sich ein paradoxes Fazit festhalten: Man verspricht sich Anerkennung von aussen und findet Systematik und Sicherheit im Innern!

Prof. Dr. Thomas Dyllick ist Pro-Rektor der Universität St. Gallen und Direktor am Institut für Wirtschaft und Ökologie (IWÖ-HSG).

Die kompletten Ergebnisse sind als Buch erschienen: Dyllick, T./ Hamschmidt, J.: Wirksamkeit und Leistung von Umweltmanagementsystemen Eine Untersuchung von ISO-14001-zertifizierten Unternehmen in der Schweiz, VdF-Verlag, Zürich 2000.