Ob an der Bahnhofstrasse in Zürich, an der Rue du Rhône in Genf oder an irgendeiner anderen edlen Einkaufsmeile: Wer eine Rolex kaufen will, trifft auf die immer gleich aussehenden Läden oder Shop-in-Shops.
Wie sie daherkommen, bestimmt die Marke aus Genf. Der Uhrenhändler selbst, egal, ob er Bucherer oder Watches of Switzerland oder Wempe heisst, hat sich anzupassen. Entweder er will Rolex verkaufen und passt den eigenen Laden den Vorgaben der Marke an. Oder er muss auf das Zugpferd unter den Schweizer Uhrenmarken verzichten. Ähnliches gilt auch für andere Top-Brands wie Patek Philippe.
Nun ist es allerdings so, dass Uhrenmarken in der Regel konservativ sind. Jedenfalls wäre es vermessen, sie in Sachen Retail - oder gar punkto E-Commerce - als avantgardistisch oder auch nur schon zeitgenössisch zu bezeichnen. Und so sehen denn die Läden auch aus, die sie sich als angemessene Umgebung für den Verkauf ihrer Zeitmesser vorstellen. Wie ein Luxushotel aus dem vorletzten Jahrhundert, ein Museum voller Vitrinen mit eingeschlossenen Kostbarkeiten.
Im Wohnzimmer von vermögenden Freunden
Für die Retailer ist das ein Problem. Denn sie wissen: Die Kundinnen und Kunden von heute wollen sich beim Uhrenkauf nicht vorkommen wie bei einem förmlichen Empfang, sondern wie an einem coolen Event. Für sie ist ein Laden kein Ort der Transaktion, sondern ein Ort der Inspiration und des Austauschs; ein Lokal, das man nicht bloss zum Kaufen aufsucht, sondern um sich mit Leuten zu treffen, welche die gleiche Passion teilen.
Und was hat all das mit dem neuen Flaggschiff von Bucherer in Manhattan zu tun, der jetzt eröffnet wurde, nach 18 Monaten Umbau und gut zweieinhalb Jahre nach der Übernahme des amerikanischen Uhrenhändlers Tourneau? Ziemlich viel!
Denn der neue Bucherer-Laden ist im Uhren-Detailhandel eine kleine Revolution. Erstmals überhaupt haben Rolex und Patek Philippe einem Retailer praktisch freie Hand in der Gestaltung der Verkaufsräume gelassen. Bucherer durfte, mit dem Segen seiner langjährigen Markenpartner, den Laden so konzipieren, wie sich Bucherer-Chef Guido Zumbühl das vorstellt - und eben nicht so, wie es Rolex-Chef Jean-Frédéric Dufour oder Patek-Präsident Thierry Stern vorschwebt. Das ist ein veritabler Paradigmenwechsel.
Und das Resultat kann sich sehen lassen: Die Bucherer Time Maschine - so der Spitzname des 1700 Quadratmeter grossen Ladens im Herzen von Manhattan - wirkt modern und einladend, wie das Wohnzimmer im Penthouse eines vermögenden Freundes.
Ebenfalls in New York, hat Bucherer bereits vor ein paar Wochen einen Laden eröffnet, der neue Massstäbe gesetzt hat. Wenn auch aus anderen Gründen als im Flaggschiff. Im trendigen Meatpacking District steht seit Ende Juli ein von Bucherer betriebener, kombinierter Laden für Rolex und Tudor. Eine Weltpremiere.
Noch vor wenigen Jahren wäre so etwas undenkbar gewesen. Rolex achtete jeweils peinlich genau darauf, der preisgünstigeren Tochter Tudor nicht zu nah zu sein. Obwohl man aus dem gleichen Haus kommt, betonte Rolex stets die Unterschiede statt die Gemeinsamkeiten. Man wollte mit der Arbeiter-Rolex, eben Tudor, nur das Nötigste zu tun haben. Und jetzt bezieht man gemeinsam einen Laden!
Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Selbst in der Uhren-Branche.