Noch vor wenigen Wochen wurde zum Coinbase Börsengang über eine Erstbewertung von 100 Milliarden Dollar spekuliert. Mit einer tatsächlichen Erstbewertung von 75 Milliarden-Dollar schaffte es die Kryptobörse aus San Francisco jedoch nicht, die hochgesteckten Erwartungen zu erfüllen.
Dass der Aktienkurs seither nur eine Richtung kennt, hat zwei Gründe. Zum einen liegt es an der gewählten Form des Börsengangs. Anstatt für einen IPO, also ein Initial Public Offering, hat sich das Unternehmen für einen so genannten DPO, ein Direct Public Offering, entschieden.
Im Gegensatz zum IPO werden beim DPO keine neuen Aktien emittiert. Dies hat zur Folge, dass mit dem Börsengang per se kein frisches Kapital eingesammelt wird. Um dies zu erreichen, müssen bestehende Aktionäre eigene Anteile verkaufen.
Gemäss Angaben des Unternehmens wurden am ersten Handelstag rund 13 Millionen Aktien im Wert von 5 Milliarden Dollar von Insidern auf den Markt geworfen, was den Kurssturz am ersten Handelstag von minus 14 Prozent beflügelt hat.
Christos Maloussis ist Market Analyst bei der IG Bank.
Hohe Abhängigkeit vom Kryptomarkt
Zum anderen hat der Bitcoin seit dem Allzeithoch, welches passenderweise am Tag des Börsengangs von Coinbase erreicht wurde, den Rückwärtsgang eingelegt. In der Spitze verlor Bitcoin mehr als 20 Prozent, was auch den restlichen Markt inklusive Coinbase mitgezogen hat.
Um künftig die aktuelle Bewertung von 65 Milliarden Dollar (Stand: 20.04.2021) zu rechtfertigen, ist Coinbase auf steigende Kurse angewiesen, um die Welle der Euphorie weiterzutragen. Wie relevant ein euphorisches Marktumfeld für das Wachstum ist, zeigen die Anfang April von Coinbase präsentierten Ergebnisschätzungen für das erste Quartal des Jahres.
Lagen Umsatz und Gewinn für das gesamte Kalenderjahr 2020 noch bei 1.28 Milliarden Dollar respektive 322 Millionen Dollar, erzielte das Unternehmen allein im ersten Quartal 2021 einen Umsatz von 1.8 Milliarden Dollar und einen Gewinn zwischen 730 und 800 Millionen Dollar.
Sollte Coinbase in der Lage sein, dieses Ergebnis in den weiteren drei Quartalen des Jahres annähernd zu wiederholen, läge das Kurs-Gewinn-Verhältnis auf ähnlichem Niveau wie jenes von Traditionsbörsen wie Nasdaq Inc. oder der Deutsche Börse AG.
Diese weisen ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 28, respektive 25 aus. Ob das jedoch gelingt, ist mehr als fraglich.
Ergebnisse aus erstem Quartal nur schwierig replizierbar
Das hohe Handelsvolumen hat sich in erster Linie aus der stetig steigenden Zahl aktiver Nutzer von zuletzt 6.1 Millionen Tradern sowie aus einer konstant hohen Volatilität ergeben.
Beide Faktoren wurden begünstigt durch den anhaltenden Aufwärtstrend im Kryptomarkt, welcher den Anlegern auch bei Rücksetzern immer wieder die Möglichkeit gab, Positionen gewinnbringend zu schliessen.
Die Angst, den Trend zu verpassen, auf Englisch bekannt als «Fear of Missing Out» hat entsprechend Millionen neue Trader angelockt. Dass dies in der Form nicht dauerhaft weitergehen kann, ist auch den Coinbase-Bossen bewusst.
Im veröffentlichten Jahresausblick basieren zwei von drei Szenarien auf stagnierenden respektive fallenden Märkte mit geringerer Volatilität. Anders ausgedrückt: Wenn der Kryptomarkt bei überdurchschnittlich hoher Volatilität nicht weiter rasant stiegt, geht das Management nicht davon aus, dass das erste Quartalsergebnis wiederholt werden kann.
Hohe Tradingkosten werden zum Boomerang
Zudem ist das Trading über Coinbase aktuell mit 0.5 Prozent Gebühren fünf Mal teurer als der Handel über den Hauptkonkurrenten Binance US. Dies wird zur Folge haben, dass weitere Konkurrenten in den Markt drängen und so ein Preiskampf entstehen dürfte, der die Gebühren langfristig auf ähnlich tiefe Niveaus wie bei Aktienbörsen drücken wird.
Müsste Coinbase die Gebühren noch in diesem Jahr senken, müssten die Umsätze noch stärker steigen, um die geringeren Gebühreneinnahmen zu kompensieren.
Coinbase hat ohne Zweifel den perfekten Zeitpunkt für das DPO gefunden. Mit dem Bitcoin auf Rekordniveau und der Krypto-Euphorie auf ihrem Zenit erzielte das Unternehmen das maximale Ergebnis, als es kurzfristig mit 85 Milliarden Dollar bewertet wurde.
Von hier an wird es für das Unternehmen jedoch deutlich schwieriger werden, die aktuell hohe Bewertung zu rechtfertigen. Die oben aufgezeigten Faktoren lassen sich von Coinbase selbst nur bedingt kontrollieren und dürften die Ertragslage künftig schwieriger gestalten.