Nun muss Germania Flug AG schnell durchstarten: Der Schweizer Ableger der insolventen deutschen Fluggesellschaft Germania hat heftige Turbulenzen hinter sich. Kunden, Mitarbeiter und Reiseveranstalter sind verunsichert, ob und wie es weitergeht.
Immerhin erklärte die Airline am vergangenen Dienstag, nun zu 100 Prozent in Schweizer Händen zu sein. Zuvor hatten die Deutschen 40 Prozent, 60 Prozent waren bei unbekannten Schweizer Investoren. Alle Welt fragte sich: Wer hat jetzt bei Germania Flug das Sagen?
Viele Airlines mussten Betrieb einstellen
Am Freitag machte die «Handelszeitung» publik, dass die Schweizer Unternehmerin Leyla Ibrahimi-Salahi zugeschlagen hat und neue Besitzerin von Germania-Flug ist.
Germania Flug meint es also ernst mit der Eigenständigkeit und will sich nicht runterreissen lassen von der Germania-Insolvenz in Deutschland. Das ist ein starkes, aber auch mutiges Signal in Zeiten, in denen in Europas Luftfahrtbranche ein brutaler Wettbewerbsdruck herrscht und viele Airlines zuletzt ihren Betrieb einstellen mussten.
Wer ist Frau Ibrahimi-Salahi? Und was bedeutet ihr 100-Prozent-Einstieg für Germania Flug und die Schweizer Luftfahrtbranche?
60 Millionen Jahresumsatz
Sicher ist: Leyla Ibrahimi-Salahi kennt sich sehr gut aus im Fluggeschäft, sie führt die Air Prishtina. Das ist, anders als der Name vermuten lässt, zwar keine Fluggesellschaft mit eigenen Fliegern, sondern ein führender europäischer Anbieter von Reisen Richtung Kosovo und Mazedonien – vor allem aus der Schweiz und Deutschland, aber auch von Italien.
Ihr Vater, der in den 1970er Jahren aus dem Kosovo in die Schweiz kam, baute das so genannte ethnische Reisegeschäft auf. Nach seinem Tod im Jahr 2005 wurde seine Tochter Chefin des Unternehmens. Und heute macht es rund 60 Millionen Franken Jahresumsatz.
Germania Flug und Air Prishtina sind schon seit mehreren Jahren gemeinsam im Geschäft. Man kennt und schätzt sich. Wären Germania-Flug-Maschinen plötzlich am Boden geblieben, hätte auch Air Prishtina ein Problem. So erklärt sich, dass Leyla Ibrahimi-Salahi ein Interesse am Fortbestand der Airline hat.
Schon am Dienstag vergangener Woche hiess es, dass Germania Flug als Vollcharter die Flüge von Air Prishtina von Basel in die Hauptstadt des Kosovo durchführt.
Stabiler Flugplan
Germania Flug bediente schon früher neben Zielen wie Kosovo beispielsweise Beirut, ferner sind typische Warmwasserziele wie Gran Canaria, Palma de Mallorca und Kreta im Programm. Germania-Flug verspricht nun einen stabilen Flugbetrieb und will sogar an seinen Wachstumsplänen festhalten.
Bevor die finanzielle Schieflage bei der deutschen Germania bekannt wurde, hiess es bei Germania-Flug, statt wie bisher drei Flieger in der Schweiz bald sogar bis zu fünf Maschinen einsetzen zu wollen. Mal sehen, was daraus wird.
Das Fortbestehen von Germania-Flug bedeutet jedenfalls vorerst mehr Auswahlmöglichkeiten für Kunden. So bleibt ein gewisser Preiswettbewerb erhalten. Auch die Reiseveranstalter schätzen es, wenn sie nicht nur auf die omnipräsente Lufthansa-Gruppe angewiesen sind.
Allerdings sind die Kräfteverhältnisse vor allem am Flughafen Zürich eindeutig: Die Lufthansa-Gruppe – mit Airlines wie Swiss, Edelweiss und Eurowings – dominiert mit rund 70 Prozent Marktanteil. Dagegen ist Germania-Flug ein Winzling. Wie Edelweiss-Air-Chef Bauer die Situation in Zürich einschätzt, hatte er kürzlich in einem ausführlichen «Handelszeitung»-Interview erläutert.
Der Flughafen Zürich ist lukrativ, gerade was die Ferienfliegerei angeht. Wäre Germania-Flug verschwunden, hätten andere Anbieter die frei gewordenen Start- und Landerechte gerne genommen.
Es braucht schnell einen neuen Namen
Für Germania-Flug bleiben enorme Herausforderungen: Dazu zählt, schnell einen neuen Namen zu finden. Der bisherige ist pleitebelastet und hat nichts mit der Schweiz zu tun.
Das andere Problem – und bedeutsamer als lediglich ein neuer Name – ist das langfristige Geschäftsmodell: Viele europäische Fluggesellschaften, die weniger als zehn Flugzeuge im Dienst haben, konnten den Beweis nicht erbringen, profitabel zu fliegen.
Germania Flug wird daher mit der neuen Besitzerin zeigen müssen, dass sich Air Prishtina nicht nur in der Ethno-Nische gut positionieren kann, sondern das Unternehmen auch in der Lage ist, weitere Strecken gewinnbringend zu bedienen. Viel Zeit bleibt der Mini-Airline dafür allerdings nicht.