Apple sitzt auf Bargeldreserven von 202.8 Milliarden Dollar. Also egal wie die Analysten und der Markt über den letzten Quartalsbericht der Firma denken (nicht gut, nimmt man den Aktienkursverlust als Indikator), das Unternehmen ist nach wie vor ein Gigant, der jeden vorstellbaren Schock zu absorbieren vermag. Doch gleichzeitig ist der Techriese auch geschwächt, in einer Art und Weise wie es unter Steve Jobs nicht der Fall war.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

CEO Tim Cook hatte erklärt, warum das Unternehmen die Verkaufszahlen der Apple Watch – das erste neue Produkt seit dem Tod von Jobs 2011 – im ersten Quartal nach Markteinführung nicht öffentlich gemacht hat: «Es war kein Fall von fehlender Transparenz, sondern es ging darum, unserer Konkurrenz keine Einsicht zu geben in ein Produkt, an dem wir sehr hart gearbeitet haben.»

Verschleierungstaktik war früher nicht nötig

Diese Ausrede ist offensichtlich schwach. Unter Jobs hat Apple die Verkaufszahlen des ersten iPhones – 270'000 Stück – im Bericht zum Quartalsende am 30. Juni 2007 angegeben, obwohl das revolutionäre Handy am 29. Juni in den Verkauf kam. Und das iPhone hatte starke Konkurrenz: Apple war ein Neuling im Mobiltelefonmarkt und hätte mit der gleichen Verschleierungstaktik die iPhone-Verkaufszahlen in der «Übriges»-Kategorie verstecken können. Doch Apple hat es vorgezogen, so auffällig wie nur möglich über die Nachfrage für ihr knopfloses Gadget zu berichten.

Ebenso hat Jobs' Apple über die Stückverkaufszahlen der iPads für das erste Quartal auf dem Markt berichtet: 3.27 Millionen. Dieses Gerät begründete eine neue Gerätekategorie, guter Grund die Konkurrenten im Dunkeln zu lassen, und doch hat sich das Unternehmen dagegen entschieden.

Vergleich mit iPhone- und iPad-Verkaufsstart

Tim Cook behauptet, dass «der Apple-Watch-Durchverkauf höher war als in der vergleichbaren Lancierungsperiode das erste iPhone oder iPad.» Das erste iPhone ist nicht wirklich schwer zu schlagen: Apple, vor acht Jahren noch ein viel kleineres Unternehmen, hat im ersten ganzen Quartal 1.19 Millionen Stück verkauft - und das nur in den USA (die internationale Lancierung, im heutigen Vergleich sehr beschränkt, begann erst Monate später).

Dass die Apple Watch häufiger verkauft wurde als das iPad, ist schwieriger zu glauben. Das iPad kam am 3. April 2010 in den Verkauf, zu Beginn des ersten Unternehmensquartals. Die Apple Watch hatte ihr Debüt Ende April und damit vier Wochen später. Das heisst, wenn die Watch in den ersten zwei Monaten ihres Debüts mehr verkauft worden wäre als das iPad, dann hätte Apple mehr als 2.18 Millionen Uhren absetzen müssen. Denn unter der Annahme, dass das iPad in jedem Monat gleich viel verkauft worden wäre, entspräche das zwei Drittel der iPad-Verkäufe im ersten Quartal.

«Andere Produkte» und was dahintersteckt

Cooks Verkaufs-Behauptung kann nun noch gegen weitere Informationshäppchen von Apple geprüft werden. Im letzten Quartal stieg der Verkauf von «Andere Produkte» bei Apple auf 2.6 Milliarden, von 1.7 Milliarden im vorhergehenden Quartal. Cook aber sagte, dass die Uhrenverkäufe höher seien als diese Steigerung: «Der Gesamtsaldo dieser Kategorie schrumpft, sequentiell und auch im Jahr-zu-Jahr-Vergleich. Natürlich ist das iPad ein Teil davon, aber es gibt darin auch andere Dinge, wie Accessoires, die sinken.»

Angenommen der «andere» Ertrag, minus derjenige der Uhr, ist mit der gleichen Rate geschrumpft wie im Vergleichsquartal des Vorjahres – also um ungefähr sieben Prozent – würde der Uhrenertrag ungefähr 1.1 Milliarden Dollar betragen. Wenn dann der Durchschnittpreis vorsichtig geschätzt bei 400 Dollar liegt, dann macht das 2.75 Millionen verkaufte Stück für die ersten beiden Verkaufsmonate.

Hohe Markterwartungen

Das Problem mit dem Veröffentlichen solcher Zahlen ist nicht, dass es der Konkurrenz helfen würde. Zusammengezählt verkauften alle Konkurrenten 2014 nur 6.8 Millionen Smartwatches. Apple hat die Produktkategorie ohne Zweifel für sich erobert. Aber hat sie die Erwartungen des Markts erfüllt? Nicht einmal annähernd.

Das Magazin «Fortune» hat kürzlich eine Liste mit Analystenschätzungen zum Verkauf der Apple Watch für das Quartal bis 27. Juni zusammengestellt. Am 19. Juli lag die Durchschnittsschätzung bei 4.07 Millionen Stück. Nur einer der Analysten, Turley Muller vom Blog «Financial Alchemist», hat Verkaufszahlen von unter 3 Millionen Stück vorausgesagt. Die Deutsche Bank schätzte 3.9 Millionen.

Cook kann nie genug tun

Apple wird die Stückverkaufszahlen nicht veröffentlich, weil sie befürchten, damit unter den Erwartungen zu liegen. In der Jobs-Ära musste das Unternehmen bloss die Konkurrenz schlagen und die Kunden zufriedenstellen. Heute, unter den gegebenen Erwartungen, weiss Cook, er kann nie genug tun.

Er mag auch wissen, dass die Apple Watch für keines der Topprodukte des Unternehmens ein glaubwürdiger Ersatz sein kann, nicht so wie das iPhone den iPod ersetzt hat. Der Einbruch der iPad-Verkäufe im letzten Quartal verglichen mit dem gleichen Quartal des Vorjahres – 1.3 Milliarden Dollar oder minus 23 Prozent – war grösser als das Einkommen, das die Uhr generiert hat.

Das iPhone bleibt Zugpferd

Apple, trotz all seiner Macht und scheinbarer Diversität, hängt für 63.2 Prozent der Verkäufe vom iPhone ab, höher als die 52.8 Prozent vom letzten Jahr. Der kalifornische Konzern ist zwar kein One-Hit-Wonder, aber es wäre ein sehr viel kleineres Unternehmen, wenn sein Aushängeschild anfangen würde zu straucheln.

Im Moment wird es aufgefangen vom starken Wachstum in China, wo die Stückverkaufszahlen vom iPhone im letzten Quartal um 87 Prozent gestiegen sind. Doch der Markt ist unvorhersehbar – erst recht so lange Präsident Xi Jinpings seine Anti-Korruptions Kampagne weiter vorantreibt. Diese Erfahrung mussten zuletzt viele Luxusgüterhersteller machen - auch Schweizer Uhrenmacher. Zudem bevorzugen zwar einige chinesische Konsumenten überteuerte Gadgets, Taschen und Kleider - doch sind diese Prestige-Käufer nicht die zuverlässlichsten Kunden.

Ein neues Topprodukt wäre gefragt

Seit Steve Jobs Tod ist es Apple noch nicht gelungen, ein weltbewegendes neues Produkt zu lancieren. Das Unternehmen wird beachtenswert gut geführt, ist erfolgreich und in der Lage komplett neue Teile vom Techmarkt zu erschliessen. Aber sein Wachstum gründet noch immer auf der Hinterlassenschaft von Jobs. Und das ist unbequem, so wie wenn man eine Nummer zu grosse Schuhe trägt.

(bloomberg/jfr)