Aus den Garagen dieses Planeten kam oft schon Weltbewegendes. Beispiel Amazon: Die Firma von Jeff Bezos erblickte das Leben in einer Garage in Bellevue, Seattle. Hewlett Packard: gestartet in einer Auto-Box in Palo Alto. Google: geboren in der Garagengruft in Menlo Park, Kalifornien.
Bis heute gilt die Garage als Metapher für den Ort, wo der Mann noch Mann sein darf. Und wenn er dabei das Beste im Mann erweckt, kann daraus im optimalen Fall etwas entstehen, das die Welt entzückt. Frauen inklusive.
Auch der Mann, den wir am Zürichberg treffen, hat etwas in seiner Garage ausgeheckt. Ganz so jung, wie es Jeff Bezos, William Hewlett und David Packard, Larry Page und Sergey Brin bei ihrer Indoor-Inkubation waren, ist der Schweizer Erfinder allerdings nicht. Der Mann ist Fitnesslegende Werner Kieser. Alter gemäss Ausweis: 78. Alter gefühlt: einige heftige Pushdowns darunter.
Vier Jahre gegrübelt
Zwei Jahre nach dem Verkauf seines Lebenswerks (siehe Box) ist Kiesers Unternehmergeist noch längst nicht erschlafft. Der Fitnesspionier macht sich noch einmal ans Werk. Die Idee: ein Kieser-Heimtrainingsgerät für alle, die nicht ins Kieser-Studio gehen wollen. Oder können.
Vier Jahre schon trägt Kieser die Idee für das Gerät namens Kieser-Kontor in seinem Kopf herum. Die Idee kam ihm in seinem Zweitwohnsitz in Lü im bündnerischen Val Müstair. Ein Ort, der mit vielem gesegnet ist. Aber doch einen Makel hat: «Dort gibt es 63 Einwohner und etwa 70 Kühe. Aber kein Fitnessstudio.»
Also machte sich der Meister ans Werk. Tüftelte und schraubte, verwarf und modellierte wieder aufs Neue. Was er jetzt sieht in seiner Garage, gefällt ihm. Auch wenn es erst der «Prototyp des Prototyps» ist, gefertigt in Ungarn, eine Maschine aus Stahl, mit 70 Kilogramm noch weit über dem, was Kieser vorschwebt.
Aber es entspricht bezüglich Leistungsdichte dem, was in Lü ersonnen wurde: «Kieser-Kontor ist ein abgespecktes Kieser-Studio für zu Hause», sagt der Meister. «Mit dem Kontor kann man alle wichtigen Muskelgruppen – Rücken, Gesäss, Beine, Brust, Bizeps, Trizeps – trainieren.»
Auf dem 2,20 Meter langen Gerät können sich Fitnessfans auf einem beweglichen Schlitten in verschiedene Positionen bringen und so die jeweiligen Muskelgruppen trainieren. Das Gerät kommt in typischer Kieser-Askese daher: kein Monitor, kein Getränkehalter, keine Kopfhörerbuchse. Etwas Komfort werde der Anlage aber spendiert, sagt Kieser mit Blick auf den nackten stählernen Schlitten: «Das Polster kommt noch.»
Das Gerät soll sich dereinst für den Heimgebrauch wie ein Schrankbett hochklappen lassen. Aber so weit ist es noch nicht. Zunächst muss es leichter werden: «Wenn wir es aus Aluminium herstellen können, wird das Gewicht auf 40 Kilogramm runtergehen. Das Gerät soll schliesslich per Post verschickt werden können.» Angestrebter Preis für den Kontor, der im Frühling 2020 marktreif sein soll: 1200 Franken.
Rückenwind für Rudermaschinen
Gemäss den Marktforschern von GfK Switzerland erzielt der hiesige Detailhandel mit Fitnessheimgeräten jährlich einen Umsatz von rund 40 Millionen Franken. 60 Prozent entfallen auf Kleingeräte wie Hanteln, Gymnastikbälle oder Yogamatten. Im Bereich der Grossgeräte (Hometrainer, Stepper, Crosstrainer) stellt GfK keine grosse Dynamik fest. Stärker als Gesamtmarkt performte 2018 einzig die Kategorie der Rudermaschinen. Zu den Umsätzen im generellen Detailhandel kommen noch Verkäufe im spezialisierten Handel; diese werden von GfK aber nicht ermittelt.
Werner Kieser gründete 1966 in Zürich sein erstes Fitnessstudio. Bald darauf expandierte der Pionier des gesundheitsorientierten Krafttrainings in weitere Länder. Dabei setzte Kieser auf Fitnessstudios ohne Saftbar, Sauna oder andere Wellnesselemente. 2017 verkaufte er die Firma an Kieser-Training-Geschäftsführer Michael Antonopoulos und den Verwaltungsrat Nils Planzer.
Keine Konkurrenz fürs Kieser-Studio
Das Zielpublikum für das Gerät, das Kieser nicht selber produzieren, sondern in Lizenz von externen Firmen herstellen lassen will, fasst der Erfinder breit: «Vom Goof bis zum Grosi.» Einsatzgebiete jedenfalls sieht er fast unbeschränkt: «Zum Beispiel in Turnhallen, als Rückentraining für die Kinder. Oder daheim. Oder im Büro. Dort könnten die Leute die Zigarettenpause durch ein paar Rückenübungen ersetzen.»
Dass er damit die Kieser-Studios konkurrenzieren könnte, glaubt der Fitnesspionier nicht. Natürlich habe er mit seinen Nachfolgern darüber gesprochen: «Sie sehen das so wie ich – der Heimmarkt ist eine ganz andere Geschichte als die Studiowelt. Also keine Konkurrenz.»
Auf starke Konkurrenz aber stösst Kieser im Markt der Home-Multitrainer. Da sind die Kraftstationen von Kettler, Maxxus und Bodycraft beliebt, ferner die Produkte von Finnlo, Technogym sowie Total Gym. Und vom Kanton Freiburg her macht das Designer-Heimstudio Eisenhorn von sich reden. Kieser stellt das nicht in Abrede: «Es gibt wohl schon einige Geräte für den Privatgebrauch. Aber unseres ist einzigartig.» Es ermögliche durch den Einsatz einer gewölbten S-Schiene, so steht es in Kiesers Europa-Patent EP2664363, «das Anpassen von Trainingswiderstandsprofilen an eine Vielzahl unterschiedlicher Trainingsbewegungen». In Kiesers Garage klingt das etwas besser verständlich: «Die trainierende Person kann auf dem beweglichen Schlitten ihre Schwerkraft unterschiedlich einsetzen. Das ist biomechanisch sinnvoll und bringt adäquaten Widerstand in jeder Position.»
Ist Kieser stolz auf sein Gerät? Eine anatomisch heikle Frage: «Beim Wort Stolz kommt mir immer eine Rückenversteifung in den Sinn. Stolz bin ich nicht. Aber sehr viel Spass habe ich schon daran.» Verdient hat der Fitnessguru mit seinem Kontor zwar noch keinen Franken.
Aber der Titel des ältesten Jungunternehmers der Schweiz dürfte Kieser sicher sein. Auch wenn ihm selber eine andere Bezeichnung lieber wäre: «Gereifter Jungunternehmer.»