Wenige Unternehmen der Welt haben die Macht, unser Leben zu verändern, in hundert Jahren in den Geschichtsbüchern zu stehen, weil sie eine gesellschaftliche Epoche begründet haben. Die Fachwelt traut dies heute vor allem zweien zu: Google und Amazon. Jeff Bezos’ Konzern ist längst nicht mehr nur Buchhändler, auch nicht mehr nur der Händler mit dem grössten Sortiment der Welt, einer, der die Beziehung zwischen Kunde und Händler völlig verändern wird. 

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Amazon ist eine Mediengrösse, produziert Filme und Serien, die Golden Globes gewinnen und Hollywood das Geschäft rauben; nebenbei hat Bezos die ehrwürdige Tageszeitung «Washington Post» gekauft. 

Und Amazon ist eine Technikmacht. Sie baut Tablets und Handys, hat mit ihren Mietservern Firmen wie Airbnb oder Uber deren Weltrang ermöglicht – und ist mit ihren Daten, ihren Hunderten Millionen Kunden, ihrem Geld in der Lage, die gigantischen Warenströme der Welt zu bündeln, zu ordnen und völlig neu zu mischen. Und Dinge zu erfinden und zu entwickeln, die sich sonst kaum jemand leisten kann. 

«Es ist die Zukunft»

«Was den Buchhändlern passiert», hat Bezos mal gesagt, als diese vor ihm kapitulierten, «ist nicht Amazon. Es ist die Zukunft.» 

Dieser Satz gilt inzwischen für fast alle Branchen. Derzeit ist Bezos dabei, eine neue Stufe zu erreichen. Vor kurzem eröffnete er in Seattle einen Buchladen, der die Fachwelt erstaunt: der erste Schritt ins Offline-Geschäft. Gestützt auf Daten aus dem Online-Geschäft. 

Teil eines grossen gesellschaftlichen Wandels

Daten sind alles für Amazon. Alles wollen sie messen, und damit wird die Firma zum Vorbild für den Rest der Wirtschaft. «Uns muss bewusst werden, dass Amazons Modell, wie sie Daten nutzen und die Leistung von Mitarbeitern messen, Teil eines grossen gesellschaftlichen Wandels ist, der sich gerade vollzieht», sagt der renommierte britische Soziologe Colin Crouch. 

Wer also in die Zukunft sehen möchte, auch in die seines eigenen Arbeitsalltags, sollte auf Bezos schauen. Der baut sie gerade. Vollendet seinen Plan, der vor zwanzig Jahren begann, als er per Annonce die ersten Mitarbeiter suchte – mit dem Zitat darunter: «Es ist einfacher, die Zukunft zu erfinden, als sie vorauszusehen.»

In die Normalität verschoben

Vieles was 1995 abwegig erschien, hat Bezos bereits in die Normalität verschoben. Bezahlen im Netz? Nie, sagten Experten, die Leute geben ihre Kreditkartendaten nicht ein! Bei Amazon dann doch. 

Kunden bewerten Waren? Ein Verleger schrieb an Bezos: «Was sind Sie für ein Händler? Sie sollen Bücher verkaufen, nicht verreissen.» Heute Standard. 

Marketplace? Durchgeknallt! Neben Amazons Ware erscheint die der Wettbewerber, oftmals gebraucht, also billiger. Die Kollegen waren entsetzt. Die Kunden wollen Auswahl, sagte Bezos. Amazon verdient in jedem Fall. 

E-Book? Steve Jobs sagte 2008, das werde ein Flop, egal, wie gut das Produkt sei: Die Leute läsen nicht mehr. Der Kindle verkaufte sich millionenfach. Bezos’ Auftrag danach an die Entwickler: Euer Job ist es, unser Geschäft, den traditionellen Buchhandel, zu zerstören. 

Es ist diese Radikalität, die Amazon und Google zum riesigen Labor macht. Auf lange Sicht macht Bezos nur Sicheres. Doch auf dem Weg flippert er. Trial and Error, immer wieder.

Jeff Bezos dirigiert mit Amazon einen Mediengiganten und verändert mit rastloser Innovation Konsumverhalten und Arbeitswelt. Was ihn auf seinem Lebensweg prägte, was er zu den Vorwürfen seiner Kritiker sagt sowie seine grössten Niederlagen, lesen Sie in der neuen «Bilanz», ab Freitag am Kiosk oder mit Abo jeweils bequem im Briefkasten.