Mancher im Raum stellte sich bei Thomas Gottstein Amtsantritt vor vier Jahren die Frage: Kann der das? Gottstein war damals zum Schweiz-Chef der Grossbank ernannt worden und präsentierte sich erstmals seiner Truppe. Nicht unbedingt als geborener Redner: «Eher hölzern» oder «grundsolide» waren die häufigsten Worte, die Anwesenden beim Antritt in den Sinn kamen. Denn der neue Schweiz-Chef der Credit Suisse war keiner, der die grosse Bühne liebt, um sich im Scheinwerferlicht zu sonnen.
Gottstein hatte auch gar nicht darauf gedrängt, den Topjob zu übernehmen, der ihn auch in die Konzernleitung brachte. Sein liebster Ort in der Vergangenheit war stets der Hintergrund, wo der erprobte Investmentbanker Fusionen und Abspaltungen im Bereich von zwei- bis dreistelligen Millionenbeträgen durchzog. Gottstein, das war der gewiefte Dealmaker, den man in Corporate Switzerland seit Jahren schätzte.
Nicht glamourös, aber glaubwürdig
Was Weggefährten aber auch erzählen: Gottstein ist in die Rolle des Schweiz-Chefs hineingewachsen. Sogar seine Aufritte vor Publikum werden heute gelobt, sie sind zwar weiterhin nicht glamourös, dafür umso überzeugender, glaubwürdiger. Und was ihn für die neue Aufgabe prädestiniert: Der passionierte Golfer hat die Schweiz-Einheit der Credit Suisse wieder zum Kernstück der Bank transformiert. Und wie: Während andere Regionen (Asien) oder Disziplinen (Investmentbanking) nicht lieferten, was sie versprachen, steigerte Gottstein mit seiner Truppe den Gewinn in der ihm anvertrauten Einheit.
Und er sparte, was das Zeug hergab, und senkte so die Cost-Income-Ratio auf unter 70. Das sind Werte, die man in anderen Banken nur vom Hörensagen kennt. Allerdings hat auch ihm die anhaltende Negativzins-Politik der Nationalbank zu schaffen gemacht; doch ohne in der Öffentlichkeit zu lamentieren, hat er weiter an den Stellschrauben gedreht.
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Davon zeugt auch, dass er letzten Spätsommer den Schweiz Markt komplett neu aufsetzte. Er forcierte das Digitalbanking, stärkte das Marketing und die Beratung von Topkunden. «Den Status quo beizubehalten, war keine Option», gab er damals zu Protokoll.
Gottsteins grösste Aufgabe wird es sein, wieder eine tragfähige Führungscrew zusammenzustellen, die auch den Widerspruch wagt. Und die Angstkultur, die sich in den letzten Jahren eingenistet hat, aufzubrechen.
Dieser Artikel erschien erstmals am 7. Februar 2020.