Der Standard SNBS ist eine Erfolgsgeschichte. Und Joe Luthiger vom Netzwerk Nachhaltiges Bauen Schweiz NNBS ist überzeugt: «Es geht mit noch höherem Tempo weiter!» Der Grund für seinen Optimismus: Die Macher des SNBS haben die Stellschrauben neu adjustiert – sie haben entscheidende Messgrössen und Instrumente verbessert und werden Anfang Januar die Version 2.1 starten. Das ist nicht alles. Neu zertifiziert Minergie Schweiz die nach SNBS-Kriterien gebauten Gebäude. Geschäftsführer Andreas Meyer freut sich: «Wir haben vor zwei Monaten unser 50 000. Gebäude zertifiziert.» Von dieser grossen Erfahrung können künftig alle Kunden profitieren. «Die Normen sind uns bekannt, die Prozesse eingespielt. Wir kennen das Handwerk und wissen, wie man Gebäude prüft und zertifiziert», sagt Meyer.
Und so läuft es: Drei Personen von Minergie Schweiz werden Ansprechpartner für die Kunden sein. Alles Leute mit mehr als zehn Jahren Erfahrung im Zertifizieren von Gebäuden. Das Kernteam soll klein bleiben und dadurch bald eine grosse Routine erlangen. Mehr noch: Diese drei Zertifizierer können auf einen Pool von 20 Fachexperten zurückgreifen. «Die Themenbereiche für die Zertifizierung SNBS sind derart breit, dass es immer wieder zu Fragen an Spezialisten kommt», so Meyer.
Die Prüfer geben daher früh eine Einschätzung über das Projekt ab. Das hat grosse Vorteile: In der strategischen Vorprojektierungs- oder frühen Projektphase kann man mit wenig Aufwand Änderungen vornehmen. Für Meyer ist dies der deutlich intelligentere Zeitpunkt, um ein Projekt prüfen zu lassen, als wenn es schon fixfertig ist. «Vielleicht gibt es nach dieser ersten Einschätzung noch vier, fünf Punkte zum Nachbessern», so Meyer, «doch gemeinsam mit unseren Experten finden sich meist schnell Lösungen.»
Einem Investor gibt dieses Vorgehen vor allem Investitions- und Planungssicherheit. Er weiss, wenn er das Projekt wie besprochen baut, wird es auch zertifiziert. Viele Bauherren brauchen solch ein Zertifikat auch aus weiteren Gründen. Bei Minergie beispielsweise geht es um sehr viel Fördergeld. «Daher geben wir bereits in einer frühen Phase eine formale Rückmeldung, und in einem zweiten Schritt überprüfen wir, ob das Projekt so umgesetzt wurde wie eingereicht», sagt Meyer.
Für ihn ist klar: Ein professioneller Investor wie eine Pensionskasse, ein Versicherer oder eine Bank kann es sich heute nicht mehr erlauben, auf einen Nachhaltigkeitsstandard zu verzichten.
«Die Erwartungshaltung von Bevölkerung und Gesellschaft ist zu gross», dafür sorge ein SNBS-Zertifikat aber auch für einen bedeutenden Mehrwert. «Es ist eine Auszeichnung für ein sauberes Qualitätsmanagement», so Meyer. Und man habe die von neutraler Stelle bestätigte Gewissheit, in sehr vielen Themenbereichen ein überdurchschnittlich gutes Gebäude erstellt zu haben. Hindernisfrei, mit gesunden, lokalen Materialien, emissionsfrei – und alles zertifiziert.
Bereits ab Januar 2021 wird Minergie Schweiz für die Zertifizierung nach dem Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz SNBS Hochbau zuständig sein. Bereits laufende Zertifizierungen werden nach dem alten Standard 2.0 zu Ende geführt. Für neue Projekte gilt ab Anfang 2021 obligatorisch die Version 2.1. Praktisch: Sämtliche Arbeitsmittel zum SNBS sind weiterhin auf www.snbs-hochbau.ch zu finden.
Neu können auch Bildungsbauten nach dem Standard SNBS zertifiziert werden. Und künftig erhält ein Gebäude auch dann das begehrte Zertifikat, wenn in einem der Bereiche Gesellschaft, Umwelt und Wirtschaft maximal eine Note ungenügend ist. Die 45 Indikatoren und auch die Ziel- und Wirkungsorientierung sind in der neuen Version gleich geblieben. «Wir sind überzeugt, dass das Interesse nach einer Zertifizierung SNBS mit all diesen Neuerungen noch grösser wird», sagt Joe Luthiger.
Das neue Bürogebäude auf dem UVEK-Campus (Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation) in Ittigen bei Bern hat das SNBS-Zertifikat 2.0 mit der Ausprägung «Gold» erhalten. Und das aus gleich mehreren Gründen: So wird der Bau etwa mit Abwärme beheizt und mit Quellwasser gekühlt. Zudem nutzt das Gebäude im Mix mit einer Photovoltaikanlage und zertifiziertem Strom aus Wasserkraft ausschliesslich erneuerbare Energien – und stösst somit im Betrieb keinerlei CO2-Emissionen aus. Nachhaltig ist auch die Energieversorgung: Die Wärme wird von einem nahe gelegenen Rechenzentrum aus dessen Kühlkreislauf bezogen. Diese wird über eine Wärmepumpe für die Beheizung genutzt. Über Panels an der Decke gelangt sie schliesslich in die einzelnen Räume. Ähnlich funktioniert die Versorgung mit Kälte:
In einiger Entfernung des Gebäudes wird kaltes Quellwasser gefasst und mit der Freecooling-Funktion der Wärmepumpe zum Kühlen genutzt. Für erneuerbaren Strom sorgen Photovoltaik-Panels auf dem Dach mit einer Jahresproduktion von 60 000 Kilowattstunden. Und auch der unmittelbaren Umgebung kommt das Projekt zugute: Weil auch Aussenräume im Uferbereich des Bachs Worble und im Wald erhalten und renaturiert wurden, konnte ein wichtiger Beitrag zur Biodiversität geleistet werden.
Das Bundesamt für Energie BFE hat im Januar 2018 seine Vision für den Gebäudepark Schweiz 2050 publiziert. Darin ist die gesamte Gebäudelabelfamilie enthalten, die aus dem Gebäudeenergieausweis der Kantone GEAK, MINERGIE Schweiz, dem Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz SNBS Hochbau und den 2000-Watt-Arealen gebildet wird. Das Programm EnergieSchweiz des BFE war beim GEAK und den drei Labels Geburtshelfer und hat sowohl ideelle wie auch finanzielle Unterstützung geleistet. Im Mai dieses Jahres haben die Gebäudelabels eine gemeinsame Absichtserklärung unterschrieben: Die drei Vereine GEAK, Minergie und NNBS sowie das BFE konkretisieren nun die Labelfamilie und einigen sich darauf, Hand in Hand zusammenzuarbeiten. Sie wollen einfache, markttaugliche Labels in hoher Qualität anbieten, Synergien ausschöpfen und Doppelspurigkeiten abbauen. Die Reorganisation der Zertifizierung SNBS wurde im Rahmen dieser Neuausrichtung der Gebäudelabelfamilie Schweiz beschlossen und ist der erste grosse Schritt zur Umsetzung der Absichtserklärung.