Das Label SNBS verspricht die eierlegende Wollmilchsau wenn es um nachhaltiges Bauen geht. Wird damit der Labelsalat nicht einfach grösser?
Adrian Grossenbacher: Der SNBS gehört zur Gebäudelabel-Familie von EnergieSchweiz. Diese Plattform vereint sämtliche Aktivitäten des Bundesamtes für Energie in der Bereichen Energieeffizienz und erneuerbare Energien unter einem Dach.
Einspruch: Es gibt im Bau heute schon ein grosses Angebot an solchen Standards und Labels. Das bekannteste ist wohl Minergie.
Dort geht es darum, energieeffizient, mit erneuerbaren Energien und mit hohem Komfort zu bauen. Ergänzt werden kann es um den Zusatz «eco». SNBS – Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz – baut auf diesen Konzepten auf. Er erweitert sie aber und bildet als erster Schweizer Standard alle Aspekte der Nachhaltigkeit ab.
Was heisst das genau?
Damit ein Bauwerk nach SNBS als nachhaltig gilt, muss es die Anforderungen aus den Bereichen Gesellschaft, Umwelt und Wirtschaft erfüllen. Dabei geht es einerseits um den Bau eines neuen Gebäudes. Aber auch um Anpassung einer bestehenden Liegenschaft.
Das tönt alles gut, aber wenig griffig. Könnten Sie konkreter werden?
Im Mittelpunkt steht der gesamte Lebenszyklus eines Gebäudes. Beispielsweise die umweltschonende Erbauung, der Wohnkomfort, die Lebenszykluskosten einer Immobilie aber auch die Anbindung an die Verkehrsnetze. Eine gute Erreichbarkeit zu Fuss, mit dem ÖV oder dem Velo ist aus ökologischer Sicht und aus wirtschaftlicher Sicht für Arbeitnehmer und Arbeitgeber von grosser Bedeutung.
Hand aufs Herz: Ein Investor will doch mit seinem Engagement in Immobilienfonds oder in Immobilien vor allem eine tolle Rendite.
Viele haben den Eindruck, dass es bei Nachhaltigkeit allein um Themen aus den Bereichen Energie und Umwelt geht. Das stimmt aber bei weitem nicht. Die drei SNBS-Säulen Gesellschaft, Umwelt und Wirtschaft sind gut austariert. Der Investor kann davon ausgehen, dass er eine nachhaltige Immobilie, beziehungsweise ein nachhaltiges Investment hat. Der SNBS macht das Thema Nachhaltigkeit messund vergleichbar, was gerade für Investoren äusserst wichtig ist.
«Der Investor kann davon ausgehen, dass er eine nachhaltige Immobilie, beziehungsweise ein nachhaltiges Investment hat.»
Adrian Grossenbacher
Wie sieht es aktuell in der Praxis aus? Wie viele SNBS-zertifizierte Gebäude stehen schon in der Schweiz?
Fast 10 Gebäude sind bereits zertifiziert. Darunter der Neubau des Internationalen Olympischen Komitees IOC in Lausanne mit der höchsten Stufe Platin. Weiter der Komplex Twist Again von Losinger Marazzi und der Neubau des Bundesamtes für Bauten und Logistik im bernischen Ittigen. Aber auch Raiffeisen, Ikea und die Credit Suisse haben bereits nach SNBS gebaut und zertifiziert. Zertifiziert wird der SNBS-Standard von der SGS Société Générale de Surveillance. Das zeigt, dass namhafte Bauherren davon überzeugt sind. Dass SNBS nicht einfach eine Reissbrett-Idee ist, sondern in der Praxis breit abgestützt und akzeptiert wird. Dazu gibt es für Bauherren die Möglichkeit, nach den Kriterien von SNBS zu planen und bauen, die Immobilie aber nicht zertifizieren zu lassen, sondern nur eine Selbstbeurteilung vorzunehmen. Über 300 solcher Gebäude gibt es bereits.
Was können Bauherren ohne grosse Fachkenntnisse aber mit Interesse an nachhaltigem Bauen machen?
Dafür gibt’s ein praktisches Instrument, den Pre-Check zum SNBS. Er erlaubt bereits ab der frühen strategischen Phase einen raschen Überblick über Stärken und Schwächen eines Projekts. Er zeigt das Potenzial hinsichtlich Nachhaltigkeit, aber auch mögliche Stolpersteine.
Wie viel Zeit muss ein Bauherr dafür investieren?
Je nach Projekt muss er 30 Minuten bis zu 2 Stunden einsetzen. Das Schöne: Er muss vorher keine aufwändigen Recherchen betreiben. Das Beantworten einiger einfachen Fragen prüft das Projekt auf dessen Nachhaltigkeit. Sehr praktisch: Die Resultate werden anschliessend mit Grafiken sehr verständlich dargestellt. Ein Klick auf www.shop.nnbs.ch genügt, dort kann das Arbeitsinstrument kostenlos heruntergeladen werden.
Neuer Rekord: 170 nationale und internationale Aussteller sowie 3800 Profis aus allen Bereichen der Finanzbranche nahmen an der grössten Schweizer Finanzmesse Finanz’20 und der darin integrierten Schweizer Immobilienmesse Immo’20 im StageOne in Zürich-Oerlikon teil. Mit mehr als einem Dutzend Anlässen lag der Fokus auf dem Thema nachhaltiges Investieren. Eines der Highlights: der von Immo’20-Gründer Roland Vögele von MV Invest lancierte SSREI Swiss Sustainable Real Estate Index. Das ist der erste unabhängige und transparente Index, welcher die Nachhaltigkeit von Schweizer Bestandesimmobilien repräsentiert und diese für Investoren vergleichbar macht. Massstab dazu ist der Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz SNBS. Dieser entspringt der bundesrätlichen Strategie für die Nachhaltige Entwicklung der Schweiz. Der SNBS umfasst die drei Bereiche Gesellschaft, Umwelt und Wirtschaft mit je vier Themen. Diese werden mit insgesamt 45 Indikatoren bewertet. Und nur wer überall mindestens die Note 4 erreicht, erhält das begehrte Zertifikat. Für die Allerbesten gibt’s Platin – für die übrigen Gold oder Silber.