Die Verhältnisse sind trotz der fulminanten Performance von Airbus weiterhin klar — mit einer Marktkapitalisierung von rund 205 Milliarden Dollar wird Boeing nach wie vor deutlich höher bewertet als Airbus. Mit gerade einmal 105 Milliarden Euro ist der europäische Konzern nur knapp die Hälfte seines amerikanischen Konkurrenten wert. Jedoch belasten Boeing derzeit zwei Faktoren schwer.

Boeing 737-Max Flotte bleibt am Boden

Nach den fatalen Abstürzen von zwei Maschinen der Reihe 737-Max 8 Ende 2018 und Anfang 2019, besteht für den Flugzeugtyp nach wie vor ein globales Flugverbot. Dies trifft Boeing hart. Denn das umkämpfte Segment bei Flugzeugen mit nur einem Gang ist das mit grossem Abstand umsatzstärkste von Airbus.

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Knapp 80 Prozent aller ausgelieferten Flugzeuge von Airbus stammen aus den entsprechenden Baureihen 319/320/321. Mit der Boeing 737-Max Serie, die mit einer leicht höheren Reichweite und einer grösseren Zuladung potenzielle Käufer gewinnen sollte, wollten die Amerikaner die günstigere Konkurrenz aus Europa empfindlich schwächen.

Imageverlust durch Vorwürfe

Auch wenn sich die Anzahl stornierter Aufträge nach den Abstürzen nach wie vor in Grenzen hält, bei Neu-Bestellungen halten sich die Airlines derzeit klar zurück. Während Boeing in den Jahren 2017 und 2018 noch mehr als 700 Neubestellungen jährlich verzeichnete, liegt dieser Wert aufgrund von Stornierungen 2019 bei minus 75 Flugzeugen.

Wie bedeutsam dieses Segment ist, macht Airbus deutlich. In den kommenden 20 Jahren erwarten die Europäer einen globalen Bedarf von insgesamt bis zu 40'000 Flugzeugen dieses Typs. Nicht nur, dass Boeing eine milliardenschwere Strafe wegen des Groundings der Flugzeuge droht. Der durch die Abstürze resultierende Imageverlust ist immens. Immerhin wird Boeing vorgeworfen, das Flugzeug überhastet auf den Markt gebracht zu haben, um Airbus zu parieren und somit fahrlässig den Tod von 338 Menschen herbeigeführt zu haben.

Der Handelsstreit mit Europa und China belastet

Neben den Sorgen um die 737er-Serie belastet Boeing auch der von US-Präsident Donald Trump losgetretene Handelsstreit mit China und Europa. Da in China die Zentralregierung Flugzeugkäufen zustimmen muss, ist dies ein wirksames Druckmittel im Streit mit Trump. Der Leidtragende ist der Flugzeugbauer, der einen Bestellrückgang aus dem wichtigen chinesischen Markt zu verzeichnen hat. Nach dem Heimatmarkt USA ist China der grösste und bedeutsamste Markt der Amerikaner.

Im Streit mit den Europäern konnten die Amerikaner Anfang Jahres einen wichtigen, wenn auch nur kurzfristigen, Sieg erringen. Wie die Welthandelsorganisation (WTO) feststellte, waren die staatlichen Subventionen der Europäer zu Gunsten von Airbus unzulässig.

Die WTO erlaubte den Amerikanern Sanktionen gegen die Europäer in Höhe von 7,5 Milliarden Dollar zu verhängen. Da jedoch auch ein Verfahren gegen die Amerikaner wegen unzulässiger Subventionen zugunsten von Boeing anhängig ist, dürfte dieser Sieg nur von kurzer Dauer sein.

Auch hier wird mit zulässigen Sanktionen in ähnlicher Höhe gerechnet, die Boeing deutlich härter treffen könnten als Airbus. Der Grund hierfür: Während Boeing keine Flugzeuge in Europa herstellt, hat Airbus ein Werk in den USA, wo der Airbus A320 hergestellt wird. Somit würden direkte Sanktionen die Europäer weniger hart treffen und den Druck auf Boeing weiter erhöhen.

Umsatz und Rentabilität leiden

Diese Faktoren wirken sich im laufenden Geschäftsjahr auch auf die Umsätze und die Umsatzrentabilität aus. Während Boeing in den Jahren 2017 und 2018 einen durchschnittlichen Umsatz pro Quartal von knapp 25 Milliarden Dollar verzeichnen konnte, fiel dieser in den ersten drei Quartalen des laufenden Jahres auf durchschnittlich unter 20 Milliarden Dollar.

Zudem verzeichnete das Unternehmen im zweiten Quartal 2019 einen Verlust von knapp 3.4 Milliarden Dollar. Was gleichzeitig den höchsten Quartalsverlust der Unternehmensgeschichte darstellt. Im Vergleich zum Vorjahr fällt die Umsatzrentabilität somit von 10.73 Prozent in den ersten drei Quartalen 2018 auf unter 0.4 Prozent in 2019.

Aktienkurse stärken den Thron

Trotz allem quittierte der Markt die Aussicht auf eine Wiederzulassung des Betriebs der 737er-Flotte im vierten Quartal positiv. Der Aktienkurs erholte sich von seinem Oktobertief bei 324.40 Dollar um 13.5 Prozent auf aktuell 368.30 Dollar (Stand: 20.11.2019 20:40 Uhr).

Gleichzeitig lief die Airbus Aktie jedoch deutlich besser. Von ihrem Monatstief im Oktober bei 114.36 Euro stiegen die Anteilsscheine um 18.1 Prozent auf aktuell 135.10 Euro und liegen damit nur knapp unter ihrem Allzeithoch von 137.32 Euro von Mitte November.

Waren die Anteile von Boeing vor Ausbruch der Finanzkrise noch zwölf mal teurer als die Aktien von Airbus, so lag dieser Faktor Anfang des Jahres noch bei vier und aktuell nur noch bei 2.7. Sollten die Schwierigkeiten bei Boeing anhalten und Airbus neue Aufträge von enttäuschten Boeing Kunden an Land ziehen, könnte sich die Differenz der beiden Aktien weiter verkleinern.

Airbus kann den Branchenprimus Boeing aktuell noch nicht vom Thron stossen, jedoch sägen die Europäer kräftig daran.

 

*Christos Maloussis ist Market Analyst und Premium Client Manager bei der IG Bank.