So gibt es Branchen, die sich über viel Rückenwind freuen können. Dazu zählen der Technologiesektor oder der Gesundheitssektor. Aber es gibt auch jene Branchen, denen der Wind ins Gesicht bläst. Dazu gehören beispielsweise der europäische Bankensektor, der Automobilsektor sowie die Ölindustrie.
Merkmale dieser Sektoren sind eine verglichen mit dem Gesamtmarkt unterdurchschnittliche Kursentwicklung und Bewertung. Gerade die niedrigen Bewertungen stellen für viele am «Value»-Stil orientierte Investoren durchaus einen Anreiz dar, Aktien dieser Sektoren zu erwerben.
Billig ist aber nicht immer günstig. Denn die niedrigen Bewertungen sind nichts anderes als eine entsprechend hohe Risikoprämie. Quasi eine Entlohnung für das Engagement in Unternehmen, die mit hohen strukturellen aber auch konjunkturellen Risiken konfrontiert sind.
Branchenübliche Risiken
Bevor Investoren beschliessen, aufgrund der niedrigen Bewertungen gegen den Wind zu segeln, empfiehlt es sich, die jeweiligen Branchenrisiken genauer unter die Lupe zu nehmen. Denn Investitionen in belastete Branchen lohnen nur, wenn absehbar ist, dass der Wind sich dreht.
Die europäische Bankenbranche verzeichnet seit dem Jahr 2007 eine unterdurchschnittliche Wertentwicklung gegenüber dem Stoxx Europe 600. Belastungsfaktoren sind zum einen die negativen Zinsen, die die Zinsmarge der Banken weiter nach unten ziehen. Die Digitalisierung erfordert darüber hinaus eine Anpassung der Geschäftsmodelle, die hohe Investitionen in die IT-Infrastruktur nötig macht.
Bei schrumpfenden Gewinnen ist dies jedoch kaum zu stemmen. Fusionen werden dadurch erschwert, dass unterschiedliche IT-Systeme erst einmal konsolidiert werden müssen. Entspannung ist weder bei den Zinsen noch bei den erforderlichen IT-Investitionen in Sicht.
Das Wachstum der Branche wird weiter unterdurchschnittlich bleiben. Dies reflektiert sich in einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 11,5, das um 44 Prozent unter dem Wert für den Gesamtmarkt liegt. Die Dividendenrendite beläuft sich auf 5,8 Prozent und damit rund zwei Prozentpunkte mehr als im Gesamtindex. Da die Branche unter Überkapazitäten leidet, sind die niedrigen Bewertungen keine Entschädigung für die bestehenden Risiken.
Automobilsektor als zyklischer Sektor
Der Automobilsektor gilt als eher zyklischer Sektor, der spätestens seit dem Dieselskandal von der Klimawandel-Debatte eingeholt worden ist. Die notwendige Umstellung vom Verbrennungs- auf den Elektromotor wird die Branche für mindestens ein Jahrzehnt belasten.
Die Rolle des Automobils im Nahverkehr wird durch den Wettbewerb neuer Mobilitätskonzepte leiden. Die strukturellen Verschiebungen haben dem Sektor seit 2017 eine relativ schwache Wertentwicklung beschert.
Das KGV ist nur halb so gross wie im Gesamtmarkt, während die Dividende gerade einmal 0,5 Prozentpunkte über dem Durchschnitt liegt. Nur wer auf eine stärkere Konjunkturerholung setzt, sollte eine Investition in diese zyklische, gleichzeitig aber strukturell belastete Branche in Erwägung ziehen.
Als Dritte im Bunde der Branchen mit Gegenwind gilt die Ölindustrie. Fossile Brennstoffe werden mittlerweile als Klima-Killer Nummer eins betrachtet. Die starke Dynamik der Klimadiskussion und die zunehmende Bedeutung von ESG-Kriterien bei professionellen Investoren bringen seit einiger Zeit die Bewertungen des durchaus profitablen Sektors unter Druck.
Sukzessiver Rückzug aus der Ölindustrie
Ein hoher Cashflow und steigende Dividenden mit Renditen von über fünf Prozent sowie Aktienrückkäufe machen den Sektor für einkommensorientierte Investoren interessant. Professionelle Anleger werden sich vermutlich sukzessive wegen der schlechten ESG-Ratings aus diesem Sektor zurückziehen. Von 2012 bis 2016 befand sich der Sektor in einem klaren Abwärtstrend. Seitdem fällt er durch eine stark schwankende Seitwärtsbewegung auf.
Fazit: Für längerfristige Aktien-Investments sollten eher Branchen mit Wachstumsprofil und einem längerfristigen Aufwärtstrend bevorzugt werden. Wer es dennoch versuchen möchte, in zyklische und strukturell belastete Branchen zu investieren, sollte zumindest die Entwicklung der Belastungsfaktoren im Auge behalten, um zeitnah reagieren zu können.
Dieser Text ist ein Gastbeitrag von Fondsmanager Klaus Kaldemorgen.