Man muss wohl Israeli sein, um als Jude die Ehrentitel eines britischen Kreuzritters und eines beduinischen Scheichs zu tragen und als bekennender Falke den Friedensnobelpreis zu erhalten. Schimon Peres wird als Architekt des Osloer Friedensabkommens zwischen dem jüdischen Staat und der Palästinensischen Befreiungsorganisation bewundert.
Sein wichtigstes Vermächtnis aber dürfte Israels Atombombe sein, ohne die es den jüdischen Staat vielleicht nicht mehr gäbe. Als junger Mann konnte Peres mit dem späteren Staatsgründer David Ben Gurion darüber diskutieren, wer mehr zu bewundern sei, Lenin oder Trotzki.
Er lebte im Kibbuz den Kollektivismus, den der Linkszionismus predigte. Im Alter half er, Israel zur kapitalistischen Start-up-Nation zu machen, zur nach Amerika erfolgreichsten Hightech-Macht der Welt.
Ein Mann der Mitte
Dies sind nur einige der Widersprüche im Leben des letzten grossen Vertreters der Gründergeneration Israels. Sie sind nicht Ausdruck von Charakterlosigkeit, wie der Journalist Uri Avnery behauptet hat, der seinerseits von der extremen Rechten zur extremen Linken gewandert ist.
Sie sind der Preis, den Peres dafür zahlen musste, inmitten des Wandels ein Mann der Mitte zu bleiben: ein Idealist ohne Illusionen, ein Realist ohne Zynismus, ein Patriot ohne Nationalismus. Auch der Ausgleich mit dem Nachfolgestaat des Naziregimes war, jenseits der durchaus ernst gemeinten idealistischen Phrasen, Ausdruck von Realpolitik.
Rückschläge kannte Peres gut
Zeitlebens ein Linker, schloss sich Peres der Kadima-Partei unter Führung des Rechten Ariel Scharon an, als er glaubte, diese neue Partei der Mitte könnte eine Mehrheit für die Losung «Land gegen Frieden» organisieren. Freilich scheiterte der Aufbruch im Raketenhagel aus dem von Israel geräumten Gazastreifen.
Rückschläge kannte Peres gut. Er verlor Wahlkämpfe und Machtkämpfe, Verhandlungspartner und Verbündete. Der Frieden mit den Arabern, der für ihn nur der Auftakt zu einem blühenden «Neuen Nahen Osten» sein sollte, blieb wie die trügerischen Luftspiegelungen in der Negev-Wüste immer jenseits des Greifbaren.
Schmollen ist für Israelis keine Option
Jeder europäische Politiker hätte sich in die Schmollecke zurückgezogen. Aber Schmollen ist für Israelis keine Option. «Optimisten und Pessimisten sterben den gleichen Tod, aber sie leben anders. Ich lebe lieber als Optimist.»
Mit dieser Haltung ebenso wie mit den Brüchen seines Lebens verkörperte Schimon Peres wie kaum ein anderer das Liebenswerte und Aufregende des zionistischen Abenteuers, das noch lange nicht vorbei ist.
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