Ach was. Da ist sie ja! Nur 15 Jahre hat Honda daran herumüberlegt, ob sie jetzt wirklich, tatsächlich ein Motorrad bauen wollen. Ein Motorrad, um das alle, ohne Ausnahme, einhellig in weltweitem, einstimmigen Chor sie gebeten, ja angefleht haben. Auf Knien, per Blindbestellung oder mit einer einfachen Wallfahrtskerze in christlichen Kathedralen oder buddhistisch-japanischen Klöstern.

Langes Warten hat ein Ende

Jetzt, nach monatelangem, wichtigtuerischem Geunke und zwei vorab ins Netz gestellten, halbdunklen Fotos ist sie da, die neue, moderne und konkurrenzfähige Enkelin von Hondas berühmter Motorrad-Oma Africa Twin. Die Alte hat Honda im Jahr 2000 beerdigt, obwohl sie schwer lebendig war.

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Das ist sie immer noch. Vital, unvergesslich in der Erinnerung, geliebt wegen ihrer Unzerstörbarkeit bei Weltenbummlern und Abenteurern. Die Africa Twin, zuletzt mit dem berühmten 750er V2 ist eine Ikone. In der Hall of Fame des Motorradbaus wird sie für immer ein Extrapodest bekommen. Es war das Motorrad für Wüsten, Kontinente, Fernweh.

Alles kostet extra

Honda hat jetzt ein Datenblatt veröffentlicht mit den wichtigsten technischen Werten der wiedergekehrten Africa Twin, die CRF 1000 L heisst. Und dazu gibt es ausserdem eine ausführliche Fotodokumentation. Die Neue von allen Seiten. Aber die Maschine in echt und zum Fahren wird es erst im November geben. Immerhin ist der Preis schon errechnet: 12'100 Euro für die Standardversion.

Und was meint Honda mit «Standard»? Die Basisausführung ohne alles. Nicht mal ABS oder Traktionskontrolle sind drin. Räder und Lenker sind schon noch inbegriffen. Was ist das bloss für ein Getue, was sollt dieser Marketing-Hokuspokus? Der tatsächliche Preis der verkehrsfähigen Africa Twin mit ABS und der unverzichtbaren Traktionskontrolle wird so um die 12'600 Euro liegen.

Sieht die Africa Twin nicht aus wie die Africa Twin, bloss in Neu? Kurz, knapp und eng geschnittene Verkleidung, steiles Windschild, schmales Riesenvorderrad mit 21 Zoll vorn, hinten ein 18 Zoll grosser und nicht gerade schüchterner 150er-Reifen. Und Speichen hat sie, die Africa Twin. Aber auch Schläuche unter der Reifendecke.

Kerniger Klang zu erwarten

Alles, was man durch den schönen Stahlrohrrahmen vom Motor sehen kann, sieht vielversprechend aus. Leicht, schmächtig, jedenfalls für einen wassergekühlten 998-ccm-Reihenzweizylinder mit 95 PS bei mässigen 7500 Umdrehungen pro Minute. Als maximales Drehmoment gibt Honda beachtliche 98 Newtonmeter bei 6000 Umdrehungen pro Minute an. Dann steht da noch im Datenblatt etwas von einer 270 Grad-Kurbelwelle.

Das bedeutet, dass die Honda-Ingenieure sich einer technischen Mode befleissigt haben, die gerade schwer im Kommen ist, beispielsweise beim Konkurrenten Yamaha und dem Erfolgsschlager MT-07. Das hat zu bedeuten, dass die Honda kernig klingen könnte, nicht so fluffig-säuselnd wie beim Reihenzweizylinder sonst angelegt.

Bei einer geteilten, um 270 Grad gegeneinander versetzten Kurbelwelle zünden die beiden Zylinder kurz hintereinander. Das macht zwar ein paar charakterstarke Vibrationen mehr, aber einen grossartigen Sound hinten zum Auspuff hinaus. Dass der Motor nur eine einzige Nockenwelle für alle acht Ventile hat, sieht auf den ersten Blick zwar nach Kostenbewusstsein in erschwerten Zeiten durch den erstarkten Yen aus, hat aber technisch eher nichts zu bedeuten.

Für die Strasse gemacht

Bei einem Gewicht von fahrfertig 232 Kilo (wir gehen mal von einem ABS an Bord aus) ist trotz Speichen, Rallye-Design und hohem 21 Zoll Rad klar: Der hier will auf die Strasse und sonst nirgendwo hin. Abgesehen mal vom Kiesweg an der Hotelauffahrt. Dasselbe Lied summt auch die Strassenbereifung der Africa Twin, und erst recht sprechen dafür die integrierten Koffer am Heck.

Dasselbe System ist auch am Strassendampfer VFR 1200 F Crosstourer dran. Und genau wie beim Crosstourer wird es die Africa Twin auch mit dem grossartig funktionierenden Doppelkupplungs-Automatikgetriebe geben. Kleiner Gimmick noch vorn heraus: Die beiden Frontscheinwerfer sind LEDs.

Ziemlich genau so haben wir uns eine wendige, kräftige, unverwüstliche Reiseenduro von Honda vorgestellt. Aber nicht nur wir. Es gibt da einige, die haben sie sogar schon gebaut. Nah an eine Identitätskrise muss KTM die Honda-Leute gebracht haben.

Endlich ein würdiger Nachfolger

Die gerade erschienene, hervorragende, überall gelobte KTM Adventure 1050 und das, was uns jetzt mit der Africa Twin erwartet: Das sieht doch sehr nach einer Verwechslungskomödie aus. Der Preis? Ist der gleiche. Hubraum, Motorleistungen, Gewicht, Rahmen, Radstand, Gesamtkonzeption? Kaum auseinander zu halten.

Mit dem Unterschied allerdings, dass KTM den technisch sehr viel anspruchsvolleren, aufwendigeren und ausgereifteren Motor baut. Aber die Honda ist nicht ohne Vorfreude, auf die typische Honda-Qualität, auf das erstklassige Finish, mit die beste Verarbeitungsqualität. Und wie sie sich fährt, wie sie klingt, ob die neue Africa Twin die gleiche Charakterstärke ausspielt wie die alte: Das weiss jetzt noch kein Mensch.

Nach der massigen, schweren Honda Varadero XL 1000 V, die uns Honda anstelle der Africa Twin unterschieben wollte. Nach deren Ende 2012, als auf die Varadero wieder keine Africa Twin, sondern die noch grössere, noch schwerere Crosstourer folgte, ein Trumm mit 275 Kilo Gewicht – nach jetzt mehr als 15 Jahren Leidenszeit wird es wieder eine Africa Twin geben. Wir melden uns sofort, wenn's soweit ist.

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