Apple meint also, es gehöre «Mut» dazu, beim neuen iPhone auf den Stöpsel für Kopfhörer zu verzichten. Dazu gehört eher Unverschämtheit. Die Kunden sollen zum überteuerten Prestige-Smartphone auch noch teure Bluetooth-Kopfhörer kaufen, möglichst vom Unternehmen Beats, das Apple vorsorglich aufgekauft hat.
Dabei funktioniert der seit 50 Jahren universal verwendete Stöpsel einwandfrei; alle Kopfhörer passen zu allen Geräten. Und genau das passt Apple nicht. Wie das Magazin «TechCrunch» kommentierte: Apple möchte nicht, dass irgendjemand irgendetwas mit dem Gerät macht, für das er dem Konzern nichts bezahlt hat: «Das ist keine Verschwörungstheorie, das ist ein Businessmodell.» Ein schlechtes, das den Keim des Untergangs in sich trägt.
Ein Haufen Geld
Das klingt übertrieben. Apple ist die wertvollste Firma der Welt. Allein 2015 erzielte sie mit über 53 Milliarden Dollar den grössten Gewinn, den je ein Unternehmen erzielte. Die 13 Milliarden an Steuern, die Apple nach dem Willen der Europäischen Kommission an Irland zahlen soll, zahlt das Unternehmen aus der Portokasse.
Apple sitzt überdies auf einem Haufen Geld – über 200 Milliarden Dollar, mehr als das Bruttosozialprodukt eines mittelgrossen europäischen Landes – und weiss gar nicht, wohin damit. Doch da liegt das Problem. Schon die Apple-Uhr war ein überteuerter, klobiger Flop. Das iPad findet immer weniger Käufer. Dem einst innovativen Konzern fällt offenbar nichts mehr ein.
Tricks statt Innovationen
Es ist bezeichnend, dass Apple neben der Abschaffung von Stöpseln mit Steuertricks von sich reden macht, während vergleichbare Unternehmen ihr Geld in Visionen investieren. Amazon-Chef Jeff Bezos, der die ursprünglich als Online-Buchvertrieb gegründete Firma in ein Universalwarenhaus verwandelt hat, investiert Milliarden in die Weltraumfahrt.
Elon Musks Autofirma Tesla entwickelt in seiner Gigafabrik in Texas Batterien, die Häuser und Unternehmen ermöglichen, Sonnenenergie zu speichern und völlig unabhängig vom Stromnetz zu sein.
Google investiert in alternative Energien und testet führerlose Fahrzeuge, wie übrigens auch Travis Kalanicks Firma Uber. Das in 72 Ländern operierende Mitnahmenetzwerk, das jetzt schon um ein Drittel wertvoller ist als General Motors, will das Anheuern führerloser Autos und Lkw so billig und bequem machen, dass sich der Besitz eines Autos nicht mehr lohnt.
Wer – und das gilt auch für herkömmliche Unternehmen wie VW oder Toyota – mit Tricks auf Kosten der Kunden den Gewinn maximieren will, statt alles auf Innovation zu setzen, gefährdet mit seinem guten Namen am Ende auch den Gewinn.
Immerhin unternehmen die Unternehmen was
Niemand kann sagen, ob Amazon, Google, Tesla und Uber erfolgreich sein werden. Vielleicht werden sie nur die Grundlage legen, von der andere profitieren. Möglicherweise erweist sich die bemannte Weltraumfahrt bloss als teures Hobby.
Vielleicht scheitert die Vision überall per App verfügbarer fahrerloser Elektrofahrzeuge an staatlichen Regulierern und am Protest erzürnter Taxi- und Lkw-Fahrer, die um ihre Arbeitsplätze bangen. Ein paar grössere Unfälle mit Batterien könnten Teslas Träume zerstören. Aber immerhin unternehmen diese Unternehmen etwas.
Die Zukunft ist offen
Und die Zukunft ist offen. Die Transplantationstechnologie hat riesige Fortschritte gemacht – man transplantiert schon nicht mehr nur Herzen und Nieren, sondern Hände und Penisse, Gebärmütter und Gesichter.
Nun ist die Immunologie dran: Wie kann man die körpereigenen Abwehrmechanismen gegen Transplantate unterdrücken ohne Drogen, die ihrerseits den Körper belasten und zum Teil zerstören? Wer dieses Problem löst, wird einen Teil der Zukunft beherrschen.
Um die Genetik ist es ein wenig still geworden, aber das dürfte sich bald wieder ändern: Individuelle und minimalinvasive Behandlungen für Krankheiten wie Krebs und Alzheimer rücken in den Bereich des Machbaren, genetisch modifizierte Pflanzen werden gebraucht, um den Folgen des Klimawandels entgegenzuwirken.
Und dann gibt es noch die Fusionstechnologie, die unbegrenzte saubere Energie liefern und das unsinnige Verbrennen fossiler Ablagerungen ersetzen könnte, es gibt Geo-Engineering, das den Klimawandel bremsen, und künstliche Intelligenz, die all diese Erfindungen vernetzen und weiterentwickeln kann. Die wertvollste Firma der Welt könnte, wenn sie wirklich Mut hätte und nicht bloss Chuzpe, viele Gebiete finden, um ihr Geld zu verpulvern.
Staatliche Investitionen als Grundlage
Denn eins ist klar: Die Zukunft wird nicht billig. Das Märchen von den Nerds, die in einer Garage Dinge entwickeln, die unsere Welt verändern (und aus den Nerds Superreiche machen), ist eben nur ein Märchen.
Vom Internet über Serverparks bis zum Touchscreen, von Spracherkennung über GPS bis zu künstlicher Intelligenz wurden die Grundlagen für den Erfolg von Apple und Co. von staatlichen Investitionen gelegt.
Genauer: von den Bedürfnissen des Militärs. Nicht zufällig befinden sich die weltgrössten Start-up-Szenen in Kalifornien, wo das Militär seit den Tagen des Manhattan-Projekts die Forschung vorantreibt, und rund um Tel Aviv, in einem Land, dessen Überleben von der Fähigkeit abhängt, smarter zu sein als die Gegner.
Es ist nicht unbillig zu erwarten, dass die Firmen, die auf Grundlage dieser staatlichen Investitionen unvorstellbare Gewinne erwirtschaftet haben, einiges in die Forschung zurückpflügen. Und die meisten tun das auch.
Apple kreist um sich selbst
Apple muss sich mehr einfallen lassen als neue Wege, seinen Kunden das Geld aus der Tasche zu ziehen und möglichst wenig Steuern zu zahlen. Nicht allein aus moralischen Gründen. Wer sich einmal den Ruf erworben hat, seine Machtstellung zu missbrauchen, wie etwa Microsoft, wird das Image auch dann nicht los, wenn er Milliarden in gute Werke steckt, wie es Bill und Melinda Gates mit ihrer Stiftung tun.
Apple profitierte von Microsofts Negativimage. Das Leben des Underdogs Steve Jobs war der Stoff, aus dem Legenden und Hollywoodfilme gemacht werden; die Legende machte das Logo des angebissenen Apfels zu einem Wahrzeichen.
Der fehlende Stöpsel könnte für Apple zum Zeichen werden, dass etwas faul ist in Cupertino. Dort entsteht ein ringförmiger Prachtbau als Firmenzentrale. Nichts gegen Prachtbauten. Aber der Ring scheint ein Symbol für die Leere im Zentrum.
Apple kreist um sich selbst. Aber lieber mutig Milliarden in ein Projekt stecken, das spektakulär scheitert, als an einem Mangel an Vision und einem Verlust an Sympathie langsam zugrunde gehen. Das hätte Steve Jobs bestimmt auch so gesehen.
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