Der Brandstifter geht. Natürlich nicht, ohne auch diesen Schritt als heroischen Dienst am griechischen Vaterland und der linken Sache zu deklarieren. Keine Frage, den revolutionären Gestus beherrscht Janis Varoufakis perfekt.
Natürlich wäre es kaum vorstellbar gewesen, dass der bisherige griechische Finanzminister sich mit seinen europäischen Amtskollegen einfach wieder so an den Tisch zu neuen Verhandlungen gesetzt hätte, nachdem er diese noch vor Tagen als Terroristen diffamiert hat.
Aber wer wirklich Verantwortung übernehmen und seriöse Politik gestalten will, muss gesprächsfähig bleiben.
Das wusste auch Varoufakis – und hat sich trotzdem für einen Kurs der totalen Konfrontation entschieden. Gleichgültig, ob aus Kalkül oder naivem Übermut – aber auf jeden Fall mit einer gehörigen Portion Lust an der Anarchie.
Lehrstück für Anarchismus
Auf jeden Fall wird er sich rühmen können, wie kaum ein anderer europäischer Politiker der letzten Jahrzehnte dem Gedankenprinzip des Anarchismus zu praktischer politischer Geltung verholfen zu haben.
Einem ganzen Volk erfolgreich vorzugaukeln, es müsse sich nur mit genügend grosser Mehrheit gegen die Anerkennung internationaler Spielregeln stellen, um dann umso wunderbarer aus der Not errettet zu werden, verdient allein wegen der propagandistischen Leistung Respekt.
Dass die Griechen wahrscheinlich schon bald sehr unsanft aus dem Freudentaumel der vermeintlichen patriotischen Selbstbehauptung gerissen werden, ist dann ein anderes Thema. Varoufakis muss nun nicht mehr beweisen, dass ein starkes «Ochi» tatsächlich zu günstigeren Rettungsbedingungen für sein Land führen wird.
Und wenn die Banken trotz all seiner vollmundigen Ankündigungen doch nicht rasch wieder geöffnet werden können, muss er sich nun nicht mehr vor der erzürnten Masse rechtfertigen. Der Scharlatan verlässt möglicherweise gerade noch rechtzeitig die Bühne.
Den Schaden haben andere. Dass es für den Rest Europas nach dem Rücktritt von Varoufakis möglicherweise etwas leichter wird, gesichtswahrend wieder in Verhandlungen zu treten, ändert nichts daran, dass dieser Mann – gemeinsam mit Alexis Tsipras – den europäischen Gedanken aufs Schwerste beschädigt hat.
Politischer Hasardeur
Und dies längst nicht nur in Griechenland. Denn gleichgültig wie die Gespräche in den kommenden Tagen und Wochen ausgehen werden: Viele Menschen werden sich enttäuscht von diesem Generationenprojekt abwenden.
Entweder weil der Bruch aller Spielregeln und Vereinbarungen am Ende auch noch belohnt wird. Oder umgekehrt, weil ein scheinbar herzloses Europa die Griechen hilflos in den Untergang taumeln lässt.
Merkel, Hollande, Juncker und Co. müssten schon wahre Wunder bewirken, um diesen Bruch in der europäischen Identität noch zu verhindern. Zu wünschen wäre es auf jeden Fall. Denn Europa hat es nicht verdient, an einem politischen Hasardeur wie Janis Varoufakis zu scheitern.
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